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Positive Schwingungen: Reiten verbessert Lernfähigkeit bei Kindern
03.03.2017 / News

Reiten kann die kognitiven Fähigkeiten von Kindern steigern und zu einer verbesserten Lern- und Problemlösungsfähigkeit beitragen, so eine japanische Studie.
Reiten kann die kognitiven Fähigkeiten von Kindern steigern und zu einer verbesserten Lern- und Problemlösungsfähigkeit beitragen, so eine japanische Studie. / Foto: Simone Aumair

Japanische Forscher konnten nachweisen, dass Reiten die kognitiven Fähigkeiten von Kindern nachweislich verbessern kann. Doch die „positiven Schwingungen", die dies bewirken, sind nicht bei allen Pferden gleich.

 

Die positiven physischen und psychischen Wirkungen des Reitens auf den menschlichen Organismus sind in vielen Untersuchungen nachgewiesen worden – es kann unsere Wirbelsäule und unsere Beine stärken, aber auch unser Wohlbefinden, unser Selbstverstrauen und unser Körperbewusstsein verbessern. Bislang gab es aber nur wenige Studien, die sich mit den Effekten des Reitens auf Kinder beschäftigt haben – und auch, welche Mechanismen diesen Wirkungen zugrundeliegen. Diese Frage stand im Zentrum einer Studie japanischer Forscher, die vor kurzem in der Zeitschrift ,Frontiers in Public Health' veröffentlicht wurde: Die Wissenschaftler untersuchten die Auswirkungen des Reitens auf die Fähigkeit, zwischen auszuführenden und zu unterlassenden Aufgaben (Go/No-go-Test) zu unterscheiden und einfache Rechenaufgaben zu lösen.

An der Studie nahmen insgesamt 34 Jungen und 72 Mädchen im Alter zwischen 10 und 12 Jahren teil. Die Kinder wurden in drei Testgruppen eingeteilt – eine Gruppe ritt, die zweite ging spazieren, und die Kinder der dritten Gruppe ruhten sich aus. Für den Reittest wurden drei sehr erfahrene Pferde herangezogen, die ein durchschnittliches Alter von 20 Jahren aufwiesen: Eine Halbblut-Stute mit einem Stockmaß von 155 cm (Pferd A), ein Kiso-Wallach (= eine traditionelle japanische Pferderasse) mit 141 cm (Pferd B) und ein Ponywallach mit 135 cm Stockmaß (Pferd C).

Das Forscherteam untersuchte die Auswirkungen des Reitens auf die Leistungsfähigkeit der Kinder, indem diese unmittelbar vor und nach der Reiteinheit einfache Tests ausführen mussten. Während des Reitens wurde die Herzschlagrate der Kinder gemessen, um herauszufinden, ob und in welcher Weise diese auf die Bewegungsimpulse des Pferdes reagierten. Auch die dreidimensionalen Bewegungen des Pferdes wurden mit einem sogenannten Beschleunigungsmesser und Sensoren gemessen.

Die Verhaltensreaktionen der Kinder wurden mit einem einfachen „Go/No-go-Test" überprüft, bei dem den Kindern in rascher Abfolge Aufgaben am Computer gestellt wurden, auf welche die Kinder reagieren mussten. Damit wurde die Fähigkeit der Kinder überprüft, in einer gegebenen Situation eine korrekte Reaktion zu zeigen, indem sie eine entsprechende Aktion (Tastendruck) entweder ausführen oder unterlassen sollten, also Selbstkontrolle demonstrieren mussten. In einem zweiten Test wurde die mentale Leistungsfähigkeit überprüft, indem die Kinder einfache mathematische Aufgaben lösen bzw. vervollständigen mussten.

Die Ergebnisse nach Auswertung sämtlicher Testanordnungen und -gruppen waren bemerkenswert: Die reitende Untersuchungsgruppe konnte nach der 10-minütigen Reiteinheit den Go/No-go-Test am Computer mit signifikant besseren Resultaten absolvieren – eine Verbesserung zeigte sich bei 46,3 % der teilnehmenden Kinder, bei den spazierenden Kindern waren es immerhin noch 26,9 %.

Erstaunlich aber war, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Pferden gab: Die Kinder auf den Pferden A (Halbblut-Stute) und C (Ponywallach) zeigten deutlich bessere Leistungen als die Kinder auf Pferd B (dem Kiso-Wallach). Interessanterweise gab es bei der Lösung der Rechenaufgaben keine derart signifikanten Abweichungen – auffallend war aber auch hier, dass das Reiten auf den Pferden A und C die Lösungszeit verkürzte, die Kinder also die Aufgaben schneller bewältigen konnten als jene, die auf Pferd B geritten waren.

Laut Prof. Mitsuaki Ohta, einer der leitenden Wissenschaftler dieser Untersuchung, sind diese Unterschiede bei den Testergebnissen methodisch erklärbar: „Die Go/No-go-Aufgaben sind offenbar für die Kinder erheblich schwerer zu lösen als die einfachen Rechenaufgaben und verursachen daher eine deutlich stärkere Aktivierung des sympathischen Nervensystems – was auch erklärt, warum die Herzschlagraten bei der Ausführung der Go/No-go-Aufgaben höher waren, nicht jedoch bei den Rechenbeispielen." Die Ergebnisse zeigen somit eindeutig, dass das Reiten die kongitiven Fähigkeiten bei Kindern steigern und damit zu einer verbesserten Lern- und Problemlösungsfähigkeit sowie einem besseren Erinnerungsvermögen beitragen kann.

Doch was genau führt beim Bewegungsablauf des Reitens zu diesen Verbesserungen – und wie ist es erklärbar, dass dieser positive Effekt offensichtlich nicht bei allen Pferden eintritt? Auch dafür haben die Wissenschaftler eine Erklärung. Dazu Prof. Ohta: „Ein wesentliches Charakteristikum des Schritts beim Pferd ist, dass er eine dreidimensionale Beschleunigung verursacht. Die Beckenbewegung des Pferdes sorgt im menschlichen Körper sowohl für motorische als auch für sensorische Impulse –  und diese Beschleunigungsimpulse sind meiner Meinung nach für die unterschiedlichen Leistungen in den durchgeführten Tests verantwortlich."

Tatsächlich zeigten die Ergebnisse des Beschleunigungsmessers im Test, dass sich die dreidimensionalen Bewegungsimpulse von Pferd zu Pferd erheblich unterscheiden – und somit auch unterschiedlich auf den menschlichen Organismus einwirken: „Das Reiten auf der Halbblut-Stute und auf dem Pony-Wallach hat die Leistungen beim Aktionstest sowie bei den Rechenaufgaben verbessert – vermutlich, weil es das sympathische Nervensystem aktiviert hat." Das sympathische Nervensystem (Sympathikus) bereitet den Organismus auf körperliche und geistige Leistungen vor, es sorgt bei tatsächlichen oder gefühlten Belastungen dafür, dass das Herz schneller und kräftiger schlägt und erweitert die Atemwege – folglich waren die Leistungen beim durchgeführten Go/No-go-Test verbessert.

Die Schwingungen des Kiso-Pferdes entfalten hingegen eine andere Wirkung, so die Forscher: Die Bewegung des Kiso-Pferdes im Schritt unterscheidet sich deutlich von den beiden anderen Testpferden und zeigt, daß die Schwingungen dieses Pferdes vor allem das parasympathische Nervensystem (Parasympathikus) aktivieren, also entspannend wirken und den Herzschlag beruhigen.

Das Resümee der Wissenschaftler: „Der enorme Nutzen, den das Reiten für Kinder und die menschliche Gesundheit mit sich bringt, wird offenkundig von Schwingungsimpulsen des Pferdes verursacht, die jedoch von Pferd zu Pferd unterschiedlich wirken können. Das Reiten bestimmter Pferde oder Pferderassen kann die Fähigkeit von Kindern verbessern, in bestimmten Situationen angemessen zu handeln, also eine Aktion zu zeigen (Go) oder zu unterlassen (No-go) – und zwar durch eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Das Reiten anderer Pferde kann hingegen – durch eine Aktivierung des parasympathischen Nervensystems – die Stressbelastung reduzieren."

Die Studie „Horseback Riding Improves the Ability to Cause the Appropriate Action (Go Reaction) and the Appropriate Self-control (No-Go Reaction) in Children" von Nobuyo Ohtani, Kenji Kitagawa, Kinuyo Mikami, Kasumi Kitawaki, Junko Akiyama, Maho Fuchikami, Hidehiko Uchiyama und Mitsuaki Ohta ist am 6. Februar 2017 im Journal „Frontiers in Public Health" erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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