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6. Pferdefachtagung in Aigen: Sprung in die Praxis
06.03.2017 / News

Optimale Heugewinnung und effiziente Heubeurteilung standen im Zentrum von Dr. Buchgrabers Ausführungen bei der diesjährigen Pferdefachtagung.
Optimale Heugewinnung und effiziente Heubeurteilung standen im Zentrum von Dr. Buchgrabers Ausführungen bei der diesjährigen Pferdefachtagung. / Foto: Archiv

Die 6. Pferdefachtagung in Aigen i. Ennstal punktete mit hochkarätigen Experten und wichtigen Themen – und einer sehenswerten Heubeurteilung durch „Grünlandpapst“ Karl Buchgraber.


Für viele Pferdefreunde ist es schon zur lieben Gewohnheit geworden, alljährlich die Österreichische Pferdefachtagung in Aigen im Ennstal zu besuchen, die heuer bereits zum sechsten Mal stattfand. Über 500 Pferdefreunde waren dieses Jahr gekommen, um den Vorträgen hochkarätiger Experten zu folgen, die eine Reihe interessanter und z.T. auch kontroverser Themen auf hohem fachlichem Niveau behandelten.

Die Begrüßung übernahm der Direktor der HBLFA Raumberg-Gumpenstein Anton Hausleitner, dessen Team rund um Karl Buchgraber diese Veranstaltung wieder in ausgezeichneter Weise organisiert hatte.

ZAP-Obmann Willy Feuerle kam in seiner Begrüßung auf ein zentrales Thema dieser Tagung zu sprechen – Rechtssicherheit und stabile, berechenbare Rahmenbedingungen für die heimischen Pferdeeinstellbetriebe. Rund 5.000 landwirtschaftliche Klein- und Mittelbetriebe warten hier noch immer auf eine klare und faire Abgrenzung zwischen Landwirtschaft und Gewerbe. Eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung gibt es zwar noch nicht – aber die laufenden Verhandlungen haben, wie man hört, immerhin eine zaghafte Annäherung in den Positionen gebracht.

Für den OEPS übernahm die Begrüßung Generalsekretär Sifkovits, da die Präsidentin Sissy Max-Theuerer kurzfristig wegen Terminen im Ausland absagen musste. Neben den Erfolgen des Verbandes unterstrich auch Sifkovits die Wichtigkeit der gemeinsamen Verhandlungen, um eine gute Lösung für die Pferdebetriebe zu erreichen.

Der Präsident der Ländlichen, Herbert Gugganig, wies außerdem auf die wirtschaftlichen Fakten der österreichischen Pferdewirtschaft hin. Ca. 120.000 Pferde stehen auf etwa 25.000 Betrieben. Der jährliche Produktionswert der Pferdewirtschaft liegt bei 2,1 Milliarden Euro wobei nur 10 % der Wertschöpfung an die Landwirtschaft gehen – 90 % in nachgelagerte Wirtschaftsbereiche, wie Reitsportartikelhandel, Futtermittelhandel, Hufschmiede und Tourismus. Es läge also auch in deren Interesse, den pferdehaltenden Betrieben eine gesicherte Existenzgrundlage zu schaffen.

Betriebswirtschaft und Genehmigungen
In diesem Themenblock widmete sich der Präsiden der LK Steiermark Franz Titschenbacher der Zukunft der Pferdewirtschaft. Sie bedient bereits den Trend, Mehrwert zu liefern – Sport, Bewegung, Natur, Wohlfühlen, Tradition und Kultur – das alles kann die Beschäftigung mit dem Pferd bieten. Außerdem hat sie auch eine starke soziale Komponente, die nicht nur beim Therapeutischen Reiten zum Ausdruck kommt. Außerdem ist ein Wandel zu beobachten: Bäuerliches Wissen geht verloren, vielen Neueinsteigern fehlt Grundwissen rund ums Pferd, welches nur durch verschiedenste Ausbildungsmaßnahmen verbessert werden kann. Wichtig wird es sein, die Jugendarbeit weiter zu entwickeln, ebenso Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Qualitätsprüfung.

Josef Öberseder, Abteilungleiter der BH Grieskirchen, referierte mit viel Praxisbezug über die Pferdeeinstellung im Spannungsfeld der Gewerbe- und Bauordnung. Fakt ist, dass die Behörde alle Fälle nach  gültigem Gesetz lösen muss. Nach diesem ist landwirtschaftliche Urproduktion als Zucht, Gewinnung tierischer und pflanzlicher Erzeugnisse, Fischerei und Jagd definiert. Dienstleistungen, zu denen auch das Einstellen und Vermieten von Reitpferden zählen, müssen im Nebengewerbe (20–25 %) durchgeführt werden, um als landwirtschaftlicher Betrieb zu gelten. Ergibt sich daraus ein höheres Einkommen, gilt es nicht mehr als untergeordnet und der landwirtschaftliche Betrieb wird zum Gewerbebetrieb. Daraufhin muss eine Betriebsanlagengenehmigung durchgeführt werden, bei der überprüft wird, ob der Stand der Technik entspricht, Normen und Richtlinien eingehalten werden und keine unzumutbaren Belästigungen für Anrainer auftreten. Als besonderes Spannungsfeld ist die Raumordnung zu sehen. Hier werden in jedem Bundesland andere Maßstäbe angelegt. Probleme können entstehen, wenn ein vormals landwirtschaftliches Gebäude im Grünland errichtet wurde und nun gewerblich genutzt wird. Hier können allerdings von der Behörde Sonderausweisungen oder Einzelbewilligungen vergeben werden.

Wirtschaftlichkeit des Pferdebetriebs war das Thema von Unternehmensberaterin Brigitte Kuttner-Raaz. Als eine wichtige Voraussetzung sieht sie die Rollenaufteilung im Betrieb: ein Zielgruppenspezialist, ein Stratege und ein Controller sollten sich mit zwei zentralen Fragen des Managements beschäftigen: der Effektivitätsfrage „Machen wir das richtige Geschäft?“ und der Effiziensfrage „Machen wir es richtig?“, was auch das richtige Verhältnis Input zu Output bedeutet. In der Praxis haben die Pferdeeinstellbetriebe ein ganz schlechtes Input-Output Verhältnis und damit ist gerechte Entlohnung nur selten anzutreffen. Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass z. B. kleine Preiserhöhungen von 2 Cent pro Kilogramm Heu bereits 15 Prozent weniger Jahresbruttogewinn für einen Pferdeeinstellbetrieb bedeuten. Nur 30 % der Betriebe erreichen die Benchmarks 10 Euro brutto für die Arbeitskraft pro Stunde und 1.000 Euro pro Jahr pro Pferd. Die anderen 70 % verschenken bis zu 550 Arbeitsstunden und verlangen selten Preise, die wirklich an den Betrieb angepasst wurden. In Zukunft müssen Arbeitskraft- und Maschinenstunden reduziert, die Preispolitik umgestaltet und Strategien langfristig umgesetzt und ständig weiterentwickelt werden. Nur wenn die Pferdeeinstellung im Unternehmertum ankommt, ist die Pferdewirtschaft für die Zukunft gesichert, so Kuttner-Raaz.

Am Ende dieses Themenblocks kamen noch zwei Praktiker zu Wort, die Ihre Betriebe und deren Herausforderungen vorstellten. Matthias Schmidhuber aus Salzburg gab einen Einblick über seine Arbeit am gewerblichen Betrieb „Doktorbauer“. Hier steht der Schulbetrieb in Stadtnähe im Vordergrund aber auch Turnierveranstaltungen, Pferdezucht und Brauchtumsveranstaltungen stehen am Programm. Herausforderungen sind die strengen Richtlinien und deren immer wiederkehrenden Überprüfungen. Neueste Herausforderung ist die Registrierkasse, die eine neue Preispolitik bei den Reitstundenpreisen nach sich zog.

Der landwirtschaftliche Einstellbetrieb Holzer aus der Steiermark kämpfte beispielsweise 2014 mit den 20 Prozent Umsatzsteuer für Einstellpferde, die er direkt an die Kunden weitergeben musste. Eine Umstrukturierung vom bäuerlichen Betrieb zum modernen landwirtschaftlichen Unternehmen wurde notwendig, ebenso Auslagerungen an Experten wie etwa Steuer- und Unternehmensberater. Herausforderungen sind die 365 Tage Bereitschaft und eine konstante Qualität bei Fütterung und Reitböden zu gewährleisten. Dafür wird auch ein Preis verlangt, der dieser Leistung angepasst ist und die zufriedenen Kunden sind bereit, ihn zu zahlen.

Sattel und Pferdegesundheit
Nach einem ausgezeichnetem, perfekt organisierten Mittagessen, bei dem 500 Menschen in einem Zeitraum von eineinhalb Stunden bestens bedient wurden war Sattlermeister Johann Trieb am Wort, der einerseits den Aufbau des Sattels erklärte und andererseits auf die richtige Anpassung an Pferd und Reiter einging. Wie ein falsch angepasster Sattel den Schwerpunkt des Reiters beeinflusst, welche Sitzfehler und Schwierigkeit für das Pferd sich daraus ergeben können, wurde anschaulich dargestellt. Ein an Pferd und Reiter gut angepasster Sattel erhöht dagegen die Leistungsbereitschaft des Pferdes, es bleibt gesund und motiviert und der Reiter kann korrekt und harmonisch einwirken.

Auch an der Entwicklung einer österreichischen Innovation auf dem Sattelsektor war Johann Trieb beteiligt. Die „spätberufene“ Reiteinsteigerin und Legasthenikerin Christiane Weninger hatte immer wieder Probleme, die Kommandos ihres Reitlehrers rein über den Kopf umzusetzen. Deshalb experimentierte sie mit einem Balancekissen, um über ihre Körperempfindungen besser lernen zu können. Das funktionierte interessanterweise außerordentlich gut, nur war so ein Balancekissen schwer auf dem Pferd zu montieren. Ihr Anspruch war nun, einen Sattel rund um dieses Kissen zu bauen. Die Vorteile für den Reiter wurden schenll sichtbar. Die Balance verbesserte sich vehement, die Beckenbewegung wurde bewusster wahrgenommen, der Sitz wurde aufrechter. Der SIBA „Sit in balance“ Sattel ist heuer auf der Equitana für den Innovationspreis nominiert.
Pferdetierarzt Karl Pauritsch überprüfte die Wirkung des SIBA Sattels auf das Pferd und war ebenfalls in seine Entwicklung eingebunden. Auffällig war von Anfang an, dass sich durch den Sattel nicht nur Verbesserungen für den Reiter sondern auch für das Pferd ergaben. Das Sitzkissen wurde deshalb an sechs Pferden mit Rückenproblemen getestet. Nach klassischer Therapie wurde nicht longiert sondern ab dem zweiten Tag nach einem speziellen Aufbauplan kontrolliert mit dem SIBA-Sattel geritten. Schnellere Entspannung und Bewegungsfreude waren subjektiv schnell erkennbar, aber auch der Verspannungsgrad der Rückenmuskulatur hatte sich messbar signifikant reduziert. So kann der SIBA Sattel auch Teil eines neuartigen, revolutionären Therapieansatzes sein.
Die Rechtsexpertin Michaela Taubländer klärte über Rechtssicherheit bei der Sattelanpassung auf. Hier gibt es viele Details, die berücksichtiget werden müssen und Einfluss auf die Gewährleistung haben. Diese gilt bei pfleglicher Behandlung, die vom Verkäufer erklärt werden muss, für zwei Jahre. Allerdings nicht für die Passform – hier gibt es keine starre Fristen und sind in jedem Fall individuell zu beurteilen. Diese können durch das Alter des Pferdes, aufgetretene Krankheiten, Fütterungswechsel, Trainingswechsel etc. beeinflusst werden. Bei einem gesunden Pferd bei gleich bleibendem Futter und Training können längere Fristen von 6 Wochen bis zu 6 Monaten angenommen werden.

Bewertung der Futterqualität
Ein ganz besonderes Schmankerl war der Vortrag von „Grünlandpapst“ Karl Buchgraber. Die Begeisterung und die Intensität, mit der er sich diesem Thema seit vielen Jahren widmet, ist eindrucksvoll und zieht seine Zuhörer vom ersten Augenblick an in seinen Bann. „Die Futterpartien in der Praxis sind ein Greuel, katastrophale Qualitäten werden verfüttert“, so fiel seine erste Bilanz aus. Dabei hätte Österreich das Potenzial, nicht nur 120.000 Pferde sondern sogar 300.000 Pferde mit bestem Grundfutter zu versorgen. Bei der Heuernte gibt es einiges zu beachten – tut man das nicht, wirkt sich das negativ auf die Heuqualität aus. Korrekter Erntezeitpunkt in der Blüte der Gräser, mähen, wenn die Wiese trocken ist, Mähwerk auf 5–7 cm einstellen, oft genug kreiseln und schwaden, bei Sonne einbringen, nicht über 12 % Wassergehalt pressen, locker pressen, auf Paletten trocken lagern – das sin nur einige Eckpunkte. Nicht jeder Pferdefreund muss gutes Heu machen können, doch er sollte gutes von schlechtem Heu unterscheiden können – zum Wohle seiner Pferde! Nur wer weiß, wie gutes Futter gemacht wird und wie es aussieht, kann mit seinem Heulieferanten auf Augenhöhe diskutieren und in reelle Preisverhandlungen treten. Dafür wurde die Sinnenprüfung entwickelt, mit der Heu aufgrund von Geruch, Farbe, Gefüge und Verunreinigung bewertet wird. „400.000 kg Heu werden jährlich an Pferde verfüttert, die Hälfte davon dürfte aufgrund der schlechten Qualität nicht einmal abgeladen werden“, so Buchgraber.  Um diesen Missstand zu verbessern, durften die Tagungsteilnehmer eine solche Sinnenprüfung unter Anleitung durchführen und hatten die Möglichkeit verschiedene Qualitäten zu vergleichen.

Dieser direkte Sprung in die Praxis machte die 6. Pferdefachtagung einzigartig und wird vielen Teilnehmern sicherlich unvergesslich bleiben. So mancher wird künftig hoffentlich öfter seine Nase in den Heuballen stecken und bei seinem Heulieferanten auf bessere Qualität pochen. Dann hätte diese Veranstaltung mehr bewirkt als Wissensvermittlung und Austausch – nämlich ein größeres Problembewusstsein bei den Pferdehaltern und im Idealfall besseres, gesünderes Heu für unsere Pferde. In diesem Sinne darf man sich schon jetzt auf die 7. Pferdefachtagung im Jahr 2018 freuen!
Petra Gmainer-Wiedemann

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