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Senkung des Mindestalters bei Noriker-Fahrpferden: das falsche Signal
07.03.2017

Leopold Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leopold Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Petr Blaha

In den letzten Tagen war auf der Website des Österreichischen Pferdesportverbandes viel von Tierschutz die Rede: „Tierschutz hat oberste Priorität" war da zu lesen – und die erstinstanzliche (also nicht rechtsgültige) Abweisung einer Zivilklage gegen den OEPS wurde gar als „Sieg für den Tierschutz" gefeiert. Um große Worte ist man also nicht verlegen.

Ohne Zweifel muss man anerkennen, dass das Thema Tierschutz in den letzten Jahren im OEPS insgesamt an Bedeutung gewonnen hat – doch vor allem deshalb, weil es vielen Pferdefreunden besonders am Herzen liegt und auch die gesellschaftliche Sensibilität für einen achtsamen und fairen Umgang mit Tieren deutlich gestiegen ist. Der Pferdesport steht unter besonderer Beobachtung, wurde in den letzten Jahren oft kritisiert – siehe Rollkur, Blutregel und Doping, um nur einige Schlagworte anzuführen – und ist daher gut beraten, für Fragen des Tierschutzes offen und hellhörig zu sein.

Für einen modernen Pferdesportverband bedeutet dies, sämtliche Entscheidungen – ob sie nun Ausrüstung,  Training oder die konkrete Gestaltung von Wettkämpfen und Prüfungen betreffen – auch dahingehend zu prüfen, ob sie ethisch vertretbar und mit den Maximen des Pferdeschutzes kompatibel sind. Tierschutz sollte kein Schlagwort in Pressemitteilungen sein, sondern eine Haltung, die man konsequent vertritt und lebt – und in dieser Hinsicht gibt es offenbar noch einigen Aufholbedarf im OEPS-Präsidium. Dieses hat vor kurzem eine ÖTO-Änderung beschlossen, mit der das Mindestalter von Kaltblut-Fahrpferden in Einspänner-Prüfungen der Klasse L von bislang fünf auf nunmehr vier Jahre herabgesetzt wird. (§ 706, Österreichische Turnierordnung für Gespanne). Diese Herabsetzung, die auf eine Initiative des Norikerreferats zurückging, gilt ausschließlich für Kaltblutpferde, nicht jedoch für andere Rassen – und sie hat unter einigen Fahrsportlern für Unverständnis und Kopfschütteln gesorgt (sofern sie diese überhaupt mitbekommen haben, denn großartig veröffentlicht oder breit kommuniziert wurde sie bislang nicht).

Aus Sicht des Tierschutzes ist es eine frag- und diskussionswürdige Entscheidung, die das OEPS-Präsidium da getroffen hat (wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass es immerhin eine Gegenstimme durch Vizepräsident Gerold Dautzenberg gegeben hat). Vor allem verkennt bzw. ignoriert sie, dass es eine ganz wesentliche und zentrale Aufgabe eines Pferdesportverbandes ist, gerade junge Pferde vor frühzeitiger Überforderung und übermässiger Beanspruchung zu schützen. Wer sich auch nur sporadisch mit den Argumentationen und Vorbehalten von Tierschutzorganisationen bezüglich des Pferdesports beschäftigt (und ein Verband müsste dies nicht nur sporadisch, sondern regelmäßig und gründlich tun), wird unschwer feststellen, dass der Vorwurf eines „zu früh und zu intensiv durchgeführten Trainings" (Zitat aus dem PETA-Dossier ,Pferdesport – das stille Leiden der Pferde') stets an zentraler Stelle auftaucht und sich längst als Vorurteil verfestigt hat. Dass ein in der Turnierordnung seit vielen Jahren bestehendes Mindestalter für Pferde daher ein ganz wesentliches, hochsensibles Element des Tierschutzes ist, muss dem OEPS-Präsidium also absolut klar gewesen sein. Und wenn man an diesem Element etwas verändert, dann muss man der pferdesportlich interessierten Öffentlichkeit zumindest ganz genau erklären, aus welchen Motiven heraus man sich dazu entschlossen hat – und warum man sie mit dem öffentlich so laut postulierten Pferdeschutz für vereinbar hält. Das ist – soweit wir die Mitteilungen und Meldungen des OEPS überblicken – bislang nicht geschehen.

Die fachliche Rechtfertigung, die ProPferd auf Nachfrage vom Norikerreferenten zu hören bekam, überzeugt jedenfalls nicht gänzlich: Dass Noriker eher frühreif seien und daher einem vierjährigen Pferd bei entsprechender Vorbereitung eine L-Einspännerprüfung absolut zumutbar wäre – das sehen nicht alle aus dem Fahrerlager so. Es mag zwar Einzelfälle geben, in denen das für besonders talentierte Pferde und versierte Trainer zutreffe, so der Tenor – doch insgesamt habe es schon seine Berechtigung, dass junge Pferde erst fünfjährig in Einspänner-Bewerben dieser Klasse startberechtigt seien. Eine L-Prüfung mit Dressur, Kegelfahren und einem kräfteraubenden Marathon sei eine erhebliche mentale und physische Herausforderung, die vom Pferd eine fundierte Ausbildung und vor allem auch eine entsprechende Kondition erfordere – und die müsse über einen längeren Zeitraum aufgebaut werden. Wer das Mindestalter in der Prüfung von fünf auf vier Jahre senke, der nehme damit auch in Kauf, dass mit Grundausbildung und Turniertraining früher als bisher begonnen werde – und ob das zum Wohl der Pferde beitrage, sei mit einem großen Fragezeichen zu versehen.

Kritische Worte kommen auch von Dr. Reinhard Kaun, der als Tierarzt, Sachverständiger und Fahrsport-Experte zweifellos weiß, wovon er spricht: „Aus fachlicher Sicht ist eine Herabsetzung des Mindestalters weder sinnvoll noch schlüssig, aber – und nur dann – vertretbar, wenn gleichzeitig auch das Anforderungsprofil deutlich gesenkt wird." Doch davon ist bislang keine Rede. Er hofft daher vor allem auf das Verantwortungsbewusstsein der Fahrer und Trainer: „Kein Aktiver steht unter dem Zwang, mit einem 4-jährigen Pferd Höchstleistungen zu erbringen – ,Hirn' und Eigenverantwortung sind die wichtigsten Organe bzw. Eigenschaften im Pferdesport."

Auch wenn ihre faktischen Auswirkungen – hoffentlich – weniger dramatisch als befürchtet sein werden, so hinterlässt die vom OEPS-Präsidium beschlossene Änderung der Fahr-ÖTO einen schalen Beigeschmack: Sie mag einzelnen Fahrern und Trainern zupass kommen – doch dem Wohl der Pferde, das angeblich oberste Priorität hat, könnte sie in der überwiegenden Zahl der Fälle abträglich sein. Das befürchten jedenfalls viele – und erblicken im Präsidiumsbeschluss ein falsches, ja, ein fatales Signal, das hoffentlich keine Schule macht. Wir gehören dazu, meint
Ihr
Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

Kommentare

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3) conversanotimbro: Wir hatten zuerst an eine Falschmeldung gedacht und haben Informationen quer durch die Entscheidungsträger eingeholt.
Das Ergebnis war erschütternd ; es soll die Fachsparte in dem Fall die Zuständigen für Kaltblut einen enormen Druck auf das Präsidium ausgeübt haben dass denen nichts anderes übrig blieb dieses kuriose Regelwerk durchzuwinken. Das wird noch sehr, sehr lange böses Blut, auch international machen.
Es ist einfach zum schämen..........alle weiteren Worte würden na ja sagen wir einfach zu deftig ausfallen -
Donnerstag, 16. März 2017
2) Moonlight59: Die falschen Signale gibt es schon lange, siehe z. B. Westernsport und Rennsport (dort schon sehr lange). Tenor der Signale ist Lasst uns mit Pferden möglichst schnell/früh möglichst viel Geld verdienen . Dem gnadenlosen Merkantilismus - man darf auch Geldgier dazu sagen - zum Wohl der Pferde gegenzusteuern, muss die Kernaufgabe des Tierschutzes und damit auch der Pferdesport-Verbände sein. Diese heften sich ersteren heuchlerisch auf ihre Fahnen, tun aber wenig bis gar nichts dazu. Es bleibt, wie immer in der Politik, bei Lippenbekenntnissen, leeren Versprechen und Alibi-Handlungen. Der so genannte Partner Pferd bleibt immer öfter auf der Strecke. Ein 6-jähriges Western Horse ist sportlich alt ; Rennpferde laufen kaum mehr als drei Saisonen, oft nur eine; deutsche Sportpferde werden im Durchschnitt nur ca. 8 Jahre alt usw.
Wir haben es geschafft, fast alle Vorurteile gegen den Reitsport (oder Pferdesport?) zu bedienen. Die Wissenschaft wird von uns gerne zur Untermauerung bemüht - solange deren Erkenntnisse dem Profit dienlich sind. Die Wissenschaft sagt aber auch, es gibt keine frühreifen Rassen - Pferde bleibt Pferd. Mensch leider oft nicht Mensch...
Mittwoch, 8. März 2017
1) Mrstik: Eine anlassbezogene Regelung ??
Mittwoch, 8. März 2017
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