News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Studie: Beruhigungsmittel wirken bei Pferden – aber nur kurz
20.03.2017 / News

Tryptophan hat bei Pferden nur kurzfristig eine beruhigende Wirkung – die längerfristige Verabreichung bringt hingegen keinen zusätzlichen Nutzen, so die US-Forscher in ihrer aktuellen Studie.
Tryptophan hat bei Pferden nur kurzfristig eine beruhigende Wirkung – die längerfristige Verabreichung bringt hingegen keinen zusätzlichen Nutzen, so die US-Forscher in ihrer aktuellen Studie. / Foto: Irene Gams

Forscher der Colorado State University haben die Wirkung von Tryptophan bei Pferden untersucht – und sind zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen.

 

Tryptophan ist eine essentielle Aminosäure (kann also nicht vom Körper selbst gebildet, sondern muss über die Nahrung zugeführt werden) und wird im menschlichen Körper zu Serotonin umgewandelt – ein Hormon, das vielfältige Funktionen im menschlichen Körper beeinflusst und u. a. Auswirkungen auf die Stimmungslage, den Appetit, den Schlaf sowie das Erinnerungs- und Lernvermögen haben soll. Die Wirkung von Tryptophan beim Menschen wird oft als stimmungsaufhellend, beruhigend und gewichtsreduzierend beschrieben – in vielen Publikationen wird es auch als „natürliches Antidepressivum" beschrieben.

Tryptophan wird auch als Futtermittelzusatz für Pferde in einer Vielzahl von Produkten eingesetzt, denen im Wesentlichen eine entspannende, beruhigende Wirkung zugesprochen wird. Pferdebesitzer verwenden diesen Futterzusatz daher gerne bei besonders nervösen, ängstlichen oder schreckhaften Pferden – oder in speziellen Situationen (Transport, Turniereinsatz etc.), in denen Pferde mit erhöhtem Stress konfrontiert sind. Dennoch gibt es erstaunlich wenig Forschungsarbeiten, in denen die tatsächliche Wirkung von Tryptophan auf das Verhalten von Pferden untersucht worden ist – entsprechend gering ist daher auch das gesicherte Wissen darüber.

Forscher der Colorado State University haben daher eine Versuchsanordnung konzipiert, um die unmittelbaren Wirkungen verschiedener Tryptophan-Dosierungen auf das reaktive Verhalten und die physiologischen Stress-Reaktionen von Pferden zu messen. An dem Forschungsprojekt waren Brittany Davis, Terry Engle, Jason Ransom und Temple Grandin beteiligt, durchgeführt wurde es am ,Equine Teaching and Research Center' der Universität – und insgesamt waren 11 Pferde (9 Wallache und 2 Stuten) daran beteiligt.

Die Pferde wurden einer Folge von insgesamt vier Behandlungen unterzogen:
– Behandlung mit niedriger Dosierung (20 mg Tryptophan pro kg Körpergewicht)
– Behandlung mit mittlerer Dosierung (40 mg Tryptophan pro kg Körpergewicht)
– Behandlung mit hoher Dosierung (60 mg Tryptophan pro kg Körpergewicht)
– Behandlung mit Null-Dosierung (Kontrollgruppe)

Die Pferde wurden mit jeder Dosierungs-Variante drei Tage lang behandelt – danach folgte eine viertägige Pause, in denen die Pferde keinerlei Futterzusatz erhielten, damit der Organismus den Wirkstoff wieder vollständig abbauen und ausscheiden konnte.

An Tag 1 und Tag 3 wurde ein Verhaltens- bzw. Reaktionstest durchgeführt, bei dem die Pferde einem unangenehmen Reiz (z. B. einer Alarmglocke und einem aufgespannten Regenschirm) ausgesetzt wurden – gemessen wurde dabei nicht nur die exakte Reaktions- bzw. Fluchtzeit der Pferde, sondern auch deren Herzschlagrate. Zudem wurden vor und nach dem Test Blutproben zur Überprüfung des Glucose-, Lacatat- und Cortisol-Spiegels abgenommen. Außerdem wurde ein Teil der Proben auch auf den Tryptophan-Gehalt und das Verhältnis von Tryptophan zu anderen wichtigen neutralen Aminosäuren analysiert.

Die Auswertung sämtlicher Tests zeigte ein interessantes Bild: Nach Tag 1 zeigten alle Behandlungs-Gruppen zumindest eine Veränderung, die auf eine beruhigende Wirkung schließen lassen. Signifikante beruhigende Effekte konnten bei der Behandlung mit niedriger Dosierung festgestellt werden – und zwar bezüglich der Herzfrequenz beim Reaktionstest und bei der Veränderung des Lactat-Spiegels im Blut. Bei der Behandlung mit mittlerer und hoher Dosierung konnten beruhigende Effekte bei der Veränderung des Cortisol-Spiegels im Blut nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu fanden sich bei den Messungen nach Tag 3 keinerlei Hinweise auf Veränderungen bei den untersuchten Parametern.

Die Schlussfolgerung der Forscher: „Die Zufuhr von Tryptophan in höheren Dosierungen (also 40 oder 60 mg Tryptophan pro kg Körpergewicht) kann ein effektiver Weg sein, um die Cortisol-Konzentration in stressreichen Situationen zu enken. Wir haben zudem Hinweise für eine beruhigende Wirkung von Tryptophan auch bei niedriger Dosierung (20 mg pro kg Körpergewicht) gefunden. Dennoch haben wir diese Veränderungen nur bei einigen der gemessenen Parameter in diesem Experiment nachgewiesen. Die untersuchten Pferde haben auf die Verabreichung von Tryptophan deutlich besser am ersten Tag angesprochen, an dem sie den Futterzusatz erhalten haben."

Die Forscher weiter: „Es scheint, daß die Fütterung von Tryptophan an Pferde nur wenige Stunden nach der Verabreichung die gewünschte Wirkung erzielt – und dass die längerfristige Fütterung keinen zusätzlichen Nutzen bringt oder sogar unerwünschte Effekte nach sich ziehen kann. Unsere Ergebnisse unterstützen nicht die Empfehlung, die sich auf manchen im Handel erhältlichen Produkten findet, wonach der Futterzusatz 24 Stunden sowie nochmals einige Stunden vor einem stressreichen Ereignis verabreicht werden soll."

Sie weisen darauf hin, dass es sinnvoller erscheint, den möglichen Ursachen unerwünschter Verhaltensweisen auf den Grund zu gehen, als Beruhigungsmittel oder Futterzusätze mit beruhigender Wirkung zu verabreichen: „Sich mehr mit den Pferden zu beschäftigen, sie öfter auf die Koppel zu bringen oder sie gezielt auf eine zugrundeliegende Erkrankung oder ein bestehendes Problem zu behandeln, könnte zu nachhaltigeren Erfolgen führen, um unerwünschte Verhaltensweisen bei Pferden zu reduzieren und deren Wohlbefinden zu erhöhen."

Die Studie „Preliminary evaluation on the effectiveness of varying doses of supplemental tryptophan as a calmative in horses" von Brittany P. Davis, Terry E. Engle, Jason I. Ransom und Temple Grandin ist in der März-Ausgabe des Journals „Applied Animal Behaviour Science" erschienen und kann in englischsprachiger Originalfassung hier nachgelesen werden.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen