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Viele Sättel passen dem Pferd – aber nicht dem Reiter
23.03.2017 / News

Alarmierend: Nur 12 % der Reiter hatten lt. der Pilot-Studie einen korrekt ausgerichteten Sitz – mit Schultern, Hüfte und Fersen in einer Linie.
Alarmierend: Nur 12 % der Reiter hatten lt. der Pilot-Studie einen korrekt ausgerichteten Sitz – mit Schultern, Hüfte und Fersen in einer Linie. / Symbolfoto: Irene Gams

Eine britische Studie brachte alarmierende Ergebnisse: Ein Großteil der Reiter ist auf unpassenden Sätteln unterwegs – was negative Auswirkungen auf den Sitz und auch das Wohl des Pferdes hat.

 

Dr. Sue Dyson ist Vorstand für Klinische Orthopädie am Pferde-Forschungszentrum des Animal Health Trust – und gilt als führende Expertin für alle Fragen und Probleme rund um den Bewegungsapparat des Pferdes. Beim diesjährigen ,National Equine Forum' hielt Dr. Dyson einen vielbeachteten Vortrag über die korrekte Anpassung des Sattels und das diffizile Zusammenspiel von Pferd, Sattel und Reiter, das für das Wohl des Pferdes, aber auch des Reiters von entscheidender Bedeutung sei: Nur ein optimal angepasster Sattel bringt den Reiter in eine entspannte, ausbalancierte Körperposition und ermöglicht es ihm, das Pferd zu bewegen, ohne dessen Bewegungsapparat zu beeinträchtigen oder ihm gar Schmerzen zuzufügen.

Wie wichtig das perfekte Zusammenspiel von Reiter, Sattel und Pferd ist, verdeutlichte Dr. Dyson anhand einer Pilot-Studie, die vor kurzem im Auftrag des Animal Health Trust durchgeführt wurde: Dabei wurden 34 Fotos von zufllig ausgewählten Pferden und Reitern von einem hochkarätigen, zwölfköpfigen Expertenteam analysiert – darunter Tierärzte, Pferdewissenschaftler, Techniker aus dem Pferdebereich und Pferdebesitzer. Die Fotos zeigten sowohl Freizeit- und Amateurreiter als auch Berufsreiter. Die Experten-Jury sollte beurteilen, ob der abgebildete Reiter korrekt sitzt – also mit Schultern, Becken und Fersen in einer Linie – und ob der Sattel für den Reiter insgesamt passend erscheint, wo unterschiedliche Aspekte beurteilt wurden.

Das Ergebnis war – wie auch Dr. Sue Dyson im Vortrag zugeben musste – alarmierend:
– Nur 4 von 34 Reitern (das sind 12 Prozent) hatten einen korrekt ausgerichteten Sitz mit Schultern, Becken und Fersen in einer Linie.
– 14 Reiter (= 41 Prozent) saßen zu weit in Richtung der Rückseite des Sattels.
– 20 Reiter (= 59 Prozent) waren für ihren Sattel zu groß.

Wie Dr. Sue Dyson betonte, haben diese Befunde unmittelbaren Einfluss auf die Balance des Reiters mit dem Pferd und die Gewichtsverteilung des Reiters auf dem Pferd relativ zu seinem Schwerpunkt. Die Ergebnisse dieser Pilot-Studie sollen daher auch Anlass für eine großangelegte weitere Untersuchung sein, um die Bedeutung eines gut angepassten Sattels für Pferd und Reiter und den Einfluss auf die Körperposition des Reiters umfassend zu analysieren.

Dr. Dyson wies in diesem Zusammenhang auf weitere Probleme hin, die ihr in ihrer mittlerweile 35-jährigen beruflichen Praxis als Pferde-Orthopädin immer wieder begegnen:
– Sättel sind oft an das Pferd, nicht aber auch Pferd und Reiter gleichermaßen angepasst;
– Wenn Sättel nicht an den Reiter angepasst sind, können sie zu einem unbalancierten Sitz führen, der zur Folge hat, dass ungewöhnlich große Kräfte auf den Pferderücken wirken;
– Lahmheiten und mangelndes Leistungsvermögen können die Folge eines schlecht sitzenden Sattels sein, da der Sattel die Bewegungen des Pferdes einengen kann;
– Sättel werden nicht kontinuierlich bzw. in zu großen Zeitabständen kontrolliert und können daher bei Pferden, deren Muskulatur bzw. Gebäude sich verändert, zu Problemen führen (etwa wenn das Gewicht während der Saison variiert oder wenn junge Pferde durch das Training an Muskulatur zulegen);
– Die Kosten können Pferdebesitzer davon abhalten, ein korrekt passendes Sattel- bzw. Zaumzeug zu kaufen – sie kaufen daher die ,am besten sitzende' Ausrüstung, die sie sich leisten können.

Um Problemen vorzubeugen, plädierte Dr. Dyson für eine Reihe von Verbesserungs-Maßnahmen:
– Bessere Aus- und Weiterbildung für Sattler, die auch den Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen und Techniken ermöglicht, um die Produkte anbieten zu können, die für das Wohl des Pferdes und seine Leistungsfähigkeit optimal sind;
– Sattler zu ermutigen, darauf zu achten, dass der Sattel nicht nur dem Pferd, sondern auch dem Reiter optimal passt;
– Pferdebesitzer auf die regelmäßige Überprüfung des korrekten Sitzes von Sattel und Zaumzeug hinzuweisen – insbesondere, wenn sich Muskulatur oder Gewicht/Gebäude des Pferdes verändern
– Die optimale Reit-Position (Schulter-Hüfte-Ferse in einer Linie) durch alle Ausbildungs- und Trainingsstufen hindurch zu propagieren, um den mangelhaften Sitz eines Sattels besser erkennen zu können
– Reiter darauf hinzuweisen, wie sie selbst den Sitz des Sattels überprüfen können (dazu hat Dr. Sue Dyson einen eigenen Folder erstellt, den man hier downloaden kann, in englischer Sprache)
– Die Kosten können ein kritischer Faktor sein – aber Geld, das man in einen korrekt sitzenden Sattel investiert, schützt den empfindlichen Pferderücken und kann hohe Tierarzt-Rechnungen in der Zukunft ersparen. Fragen Sie sich selbst: Braucht mein Pferd jetzt wirklich eine neue oder andere Decke – oder ist das Geld nicht besser in einem guten Sattel angelegt?

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