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Persönlichkeit und Stress beeinflussen Lernverhalten von Pferden
10.05.2017 / News

So liefen die Lernversuche ab: Pferd und Betreuer nahmen in der Versuchsbox die Ausgangsposition ein (A). Anschließend gab der Betreuer ein Handzeichen, um das Pferd in die gewünschte Abteilung zu dirigieren (B). Wenn es in die richtige Abteilung ging (C), erhielt es als Belohnung eine kleine Futtergabe (D).
So liefen die Lernversuche ab: Pferd und Betreuer nahmen in der Versuchsbox die Ausgangsposition ein (A). Anschließend gab der Betreuer ein Handzeichen, um das Pferd in die gewünschte Abteilung zu dirigieren (B). Wenn es in die richtige Abteilung ging (C), erhielt es als Belohnung eine kleine Futtergabe (D). / Fotos: Valenchon et al.

Positive und negative Verstärkung können bei Pferden durchaus unterschiedlich wirken – abhängig von ihrer Persönlichkeit und dem vorhandenen Stress-Niveau, das haben französische Forscher herausgefunden.


Dass sich Stress negativ auf das Lernverhalten von Pferden auswirkt – ebenso wie Angst oder Schmerz – ist seit langem bekannt und auch durch zahlreiche Untersuchungen belegt. Ebenso konnte in Studien gezeigt werden, daß sich mit der Methode der positiven Verstärkung (ein erwünschtes Verhalten wird durch einen positiven Stimulus – z. B. eine Futter-Gabe – belohnt und dadurch verstärkt) bessere und nachhaltigere Lernerfolge erzielen lassen als mit negativer Verstärkung (bei der ein erwünschtes Verhalten durch die Entfernung eines unangenehmen Reizes belohnt bzw. verstärkt wird).

Dennoch sollte man sich vor Verallgemeinerungen und Vereinfachungen hüten – denn ganz so simpel lässt sich das Lernverhalten von Pferden doch nicht beurteilen, wie eine aktuelle französische Studie nachweist: Wie gut und effektiv Pferde lernen, hängt von einem komplexen Zusammenspiel von Stress, Trainingsmethode und der Persönlichkeit eines Pferdes ab – und diese Faktoren beeinflussen sich auch noch wechselseitig. Diese komplizierte Beziehung haben französische Wissenschaftler rund um Mathilde Valenchon von der Universität Strassburg im Rahmen eines Forschungsprojekts unter die Lupe genommen.

Valenchon und ihre Kollegen teilten in ihrer Untersuchung insgesamt 60 Pferde in vier gleich große (je 15 Pferde) Test-Gruppen: – negative Verstärkung ohne Stress – negative Verstärkung mit Stress – positive Verstärkung ohne Stress – positive Verstärkung mit Stress Der Stress wurde in der Versuchs-Anordnung durch plötzliche, dem Pferd unbekannte äußere Reize unmittelbar vor Absolvieren der Lernaufgabe erzeugt: Das Pferd wurde 30 Sekunden lang in einer separaten, mit einer Plane abgeschirmten Box (ohne Blickkontakt zu anderen Pferden) unterschiedlichen Stressoren ausgesetzt – lauten Geräuschen (das Bellen von Hunden, das Läuten von Glocken und laute menschliche Gespräche), überraschenden Bewegungen (Bewegen der Abdeckplane, ein plötzlicher Wasser- oder Luftstrahl) und unbekannten Objekten (z. B. bunten Luftballons).

Der Lern-Test selbst bestand darin, daß jedes einzelne Pferd einer Gruppe eines von zwei Abteilen betreten sollte, nachdem es von einer Person ein optisches Signal (Handzeichen) dafür erhalten hatte. Die positive Verstärkung erfolgte dabei über eine Futter-Belohnung, wenn das Pferd die geforderte Aufgabe absolviert hatte – die negative Verstärkung bestand in der Verringerung eines unangenehmen Berührungs-Drucks auf das Pferd. Die Lern-Aufgabe galt als erfüllt, wenn ein Pferd fünf aufeinanderfolgende Versuche erfolgreich gemeistert hatte.

Die Ergebnisse der einzelnen Lerngruppen zeigten interessante Nuancen: In Abwesenheit eines äußeren Stressors gab es kaum messbare Unterschiede im Lernverhalten zwischen den Gruppen mit negativer und positiver Verstärkung. Der Einsatz eines äußeren Stressors verringerte in beiden Gruppen den Lernerfolg – wobei der negative Einfluss in der Gruppe mit positiver Verstärkung größer war. Gestresste Pferde benötigten durchwegs mehr Versuche, die Lern-Aufgabe von fünf aufeinanderfolgenden erfolgreichen Versuchen zu erfüllen als Pferde, die nicht gestresst waren.

Der Lernerfolg bei Pferden mit negativer Verstärkung war mit Stress jedoch nur geringfügig schlechter als ohne, was Mathilde Valenchon so erklärt: „Man kann sich negative Verstärkung als eine Art ,inneren Stress-Faktor' vorstellen – und dieser könnte dem äußeren Stress, den wir unmittelbar vor der Lernaufgabe erzeugt haben, gleichsam entgegengewirkt haben. Dadurch haben sich die Pferde möglicherweise mehr auf die Lernaufgabe und weniger auf den äußeren Stress-Auslöser konzentriert, als dies die Pferde mit positiver Verstärkung getan haben. Der äußere Stress kann bei letzteren auch einfach dazu geführt haben, daß ihr Futter-Antrieb geringer und daher die positive Verstärkung weniger wirkungsvoll war", so Valenchon.

Vor den Lern-Tests wurden von allen 60 Pferden – basierend auf eingehenden Verhaltens-Analysen – Persönlichkeits-Profile erstellt. Dabei wurden insgesamt fünf wesentliche Dimensionen angewandt, welche die Persönlichkeit eines Pferdes prägen bzw. maßgeblich beeinflussen, nämlich Ängstlichkeit, Geselligkeit, Menschenbezogenheit, Bewegungsfreudigkeit und Berührungsempfindlichkeit.

Bei der Auswertung der Testergebnisse zeigte sich, daß der jeweilige ,Persönlichkeits-Typ' eines Pferdes den Lernerfolg tatsächlich beeinflusste – und zwar abhängig von der Trainingsmethode und von vorhandenem Stress. Wurde negative Verstärkung eingesetzt, erbrachten sehr ängstliche Pferde die besten Leistungen dann, wenn sie keinem Stress ausgesetzt waren – sie zeigten aber die schlechtesten Leistungen, wenn äußerer Stress vorhanden war.

Wurde hingegen positive Verstärkung eingesetzt, waren die besonders ängstlichen Pferde durchwegs die schlechtesten Test-Kandidaten – und zwar unabhängig davon, ob nun äußere Stress-Faktoren vorhanden waren oder nicht. Angst bzw. Ängstlichkeit kann also, ebenso wie Stress, die Lernfähigkeit von Pferden deutlich hemmen bzw. einschränken, abhängig von der gewählten Trainingsmethode.

Die Studie zeigt, daß Stress bei Pferden sich generell negativ auf das Lernverhalten auswirkt, dass diese Wirkung aber – je nach Art der eingesetzten Trainingsmethode und je nach Persönlichkeits-Typ – durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Akuter Stress verschlechtert die Lernfähigkeit sowohl bei positiver als auch bei negativer Verstärkung – aber bei positiver Verstärkung noch viel deutlicher: Die Futter-Belohnung verliert offenkundig ihren Reiz und ihre positive Wirkung, wenn sie in stressigen Situationen eingesetzt wird, so die Forscher: „Der durch Stress verursachte Verlust der Futter-Motivation könnte die Verstärkung ineffektiv machen und gleichsam eine zusätzliche Quelle für Stress darstellen." Auch die Persönlichkeit eines Pferdes hat erheblichen Einfluss darauf, wie Stress dessen Lernverhalten beeinflusst. Die Vorhersage, wie ängstliche Tiere reagieren, wenn sie vor eine Lernaufgabe gestellt werden, erfordert daher nicht nur eine Bewertung des allgemeinen Stress-Niveaus, sondern auch, um welche Art von Stress es sich dabei genau handelt, sprich: ob er mit der Aufgabe in unmittelbarer Verbindung steht oder nicht. .

Mathilde Valenchon drückte es so aus: „Es gibt unter Pferden keine guten oder schlechten ,Lerner' an sich – das müssen wir zur Kenntnis nehmen und unsere Trainingsmethoden auf jedes Pferd individuell abstimmen." Um genauer definieren zu können, wann genau sich günstige Lernbedingungen in ungünstige verwandeln – abhängig von Art und Intensität des Stressors und um welchen Persönlichkeits-Typ es sich handelt – sollten weitere Untersuchungen durchgeführt werden

Die Untersuchung „Stress affects instrumental learning based on positive or negative reinforcement in interaction with personality in domestic horses" von Mathilde Valenchon, Frédéric Lévy, Chantal Moussu und Léa Lansade wurde am 5. März 2017 im Journal PLOSone veröffentlicht und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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