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Alternative Behandlungsmethoden bei Pferdebesitzern äußerst beliebt
02.06.2017 / News

Manuelle Therapieformen wie die Osteopathie werden insbesondere bei Rückenproblemen häufig eingesetzt.
Manuelle Therapieformen wie die Osteopathie werden insbesondere bei Rückenproblemen häufig eingesetzt. / Foto: Archiv

Bei orthopädischen Problemen ihrer Vierbeiner greifen Pferdebesitzer bevorzugt zu alternativen bzw. komplementären Behandlungsmethoden, das zeigt eine aktuelle Umfrage aus der Schweiz. Besonders beliebt ist die Osteopathie.

 

Die Hypothese der Schweizer Forscher war eindeutig: Alternative bzw. komplementäre Behandlungsmethoden erfreuen sich bei Pferdebesitzern immer größerer Beliebtheit – so hat es zumindest den Anschein. Aber ist das auch tatsächlich so? Schweizer Forscher wollten dieser Frage auf den Grund gehen – und untersuchten, wie häufig derartige Therapien bei der Behandlung orthopädischer Probleme von Schweizer Warmblutpferden eingesetzt werden. Die Studie umfasste insgesamt 357 Pferde von 239 Besitzern, die zuvor in einer Studie über Atemwegserkrankungen erfasst worden waren. Bei einer detaillierten telefonischen Befragung durch einen Tierarzt stellte sich heraus, dass 170 dieser Pferde an orthopädischen Problemen litten – 62 Tiere hatten Rückenprobleme, 96 litten an einem oder mehr Beinen an Lahmheiten – und 12 hatten sowohl ein Rücken- als auch ein Lahmheitsproblem. Insgesamt wurden bei den Pferden 222 orthopädische Erkrankungen festgestellt.

Wie sich bei der Befragung herausstellte, kamen bei einem Großteil der Patienten – nämlich bei exakt 164 der 222 Erkrankungen (= 73,9 %) – Komplementär- bzw. Alternativ-Methoden (CAM = complementary and alternative medicine) zum Einsatz, und zwar sowohl bei der Diagnose als auch bei der Behandlung. Bei Rückenproblemen war der Anteil sogar noch höher – hier wurden bei 68 von 74 Problemen (= 91,9 %) Komplementär- bzw. Alternativ-Methoden angewendet.

Interessant war auch ein anderer Punkt: Nur bei wenigen Fällen (27 von 222 – also 12 %) wurde die Behandlung auch tatsächlich von einem Tierarzt durchgeführt – und das, obwohl bei nahezu drei Viertel der Krankheitsfälle (168 von 222 = 75,7 %) eine Diagnose durch einen Tierarzt gestellt wurde, teils sogar mit Röntgen-Bildern bzw. Scans. Die Studien-Leiterin Dr. Katharina Lange von der Universität Bern: „Nur in einem Drittel aller Fälle war es für die Pferdebesitzer erste Wahl, gleich direkt einen Heilpraktiker für CAM-Methoden zu kontaktieren." Bei Rückenproblemen war dieser Trend deutlich stärker ausgeprägt – hier kontaktierte man in 48 von 74 Fällen (= 64,9 %) zuerst einen Heilpraktiker. Insgesamt wandten sich die Pferdebesitzer aber primär an ihren Haustierarzt, so Dr. Lange: „Die überwiegende Mehrheit der Pferdebesitzer konsultierte zuerst einen Tierarzt – und nur, wenn dieser das Problem nicht oder nicht zufriedenstellend lösen konnte, kontaktierten sie einen Heilpraktiker."

Die Palette der eingesetzten Alternativ- bzw. Komplementär-Methoden war dabei breit gefächert, wie die folgende Übersicht zeigt (die erste Spalte zeigt die gesamten Anwendungen, die zweite Spalte jene bei Rückenproblemen, die dritte jene bei Lahmheiten):

Osteopathie 117 (52.9%) 47 (63.5%) 71 (47.7%)
Akupunktur 33 (14.7%) 17 (23.0%) 16 (10.6%)
Homöopathie 50 (22.2%) 20 (27.0%) 29 (19.9%)
Physiotherapie 25 (11.1%) 11 (14.9%) 14 (9.3%)
Chiropraktik 26 (11.6%) 13 (17.6%) 13 (8.6%)
Massage 18 (8.0%) 6 (8.1%) 12 (7.9%)
Magnetfeldtherapie 12 (5.3%) 7 (9.5%) 5 (3.3%)
Tierkommunikation 3 (1.3%) 1 (1.4%) 2 (1.3%)
Kinesiologie 2 (0.9%) 1 (1.4%) 1 (0.7%)
Naturheilkunde 5 (2.2%) 3 (4.1%)

2 (1.3%)

 

Die mit Abstand am häufigsten eingesetzte CAM-Methode war – wenig überraschend – die Osteopathie, die bei insgesamt 117 Problemen (= 52,9 %) zum Einsatz kam, besonders häufig bei Rückenproblemen (63,5 %). Großer Beliebtheit erfreuten sich auch die Homöopathie (22,2 %) sowie die Akupunktur (14,7 %), ebenso wie Chiropraktik (11,6 %) und Physiotherapie (11,1 %). Bei der Befragung stellte sich heraus, dass über die jeweiligen Fachbegriffe  nicht immer Klarheit herrscht – und einigen Besitzern die Unterschiede zwischen Chiropraktik und Osteopathie nicht immer geläufig waren: In der französischsprachigen Schweiz wurden manuelle Therapien meist als Osteopathie bezeichnet – in der deutschsprachigen Schweiz eher als Chiropraktik – möglicherweise, weil eine wichtige Ausbildungsstätte für Chiropraktik (nämlich die ,International Academy of Veterinary Chiropractic' IAVC) in Deutschland liegt, die wichtigste osteopathische Schule aber in Frankreich (Formation vétérinaire en acupuncture et ostéopathie, AVETAO).

Bemerkenswert – speziell aus österreichischer Perspektive – war der Umstand, dass nur ein geringer Teil der CAM-Behandlungen durch ausgebildete Tierärzte durchgeführt wurde. Dies hat nicht zuletzt juristische Gründe – denn in der Schweiz ist die Behandlung von Tieren grundsätzlich frei und nicht – wie in Österreich – ausschließlich Tierärzten vorbehalten. In der Schweiz gibt es keine gesetzlichen Anforderungen für die Durchführung von CAM-Behandlungen durch Tierheilpraktiker – es sind die jeweiligen privaten Ausbildungsinstitute, welche die Voraussetzungen für die Zertifizierung festlegen – und nur 20 % dieser Institute verlangen eine abgeschlossene tierärztliche Ausbildung, wie eine Untersuchung aus dem Jahr 2007 gezeigt hat.

Die Schweizer Umfrage zeigt jedenfalls deutlich, wie groß die Nachfrage nach alternativen bzw. komplementären Methoden in der Tiermedizin ist – ganz besonders bei Rückenproblemen – und dass nur ein kleiner Prozentsatz derartiger Behandlungen von Tierärzten durchgeführt wird. Die Ergebnisse unterstreichen auch, wie notwendig ein Ausbildungssystem ist, bei dem auch Menschen mit nicht-veterinärmedizinischem Hintergrund eine ausreichende Qualifikation hinsichtlich Pferde-Anatomie und -Pathologie sowie Erfahrung im Umgang mit Pferden erwerben können – und zwar zusätzlich zur gründlichen Ausbildung in der CAM-Methode, die sie nutzen. Dr. Katharina Lange: „Als Tierärzte müssen wir unser Verständnis der möglichen Vorteile und Grenzen jeder CAM-Methode verbessern, damit wir auch deren Wirkungen kritisch beurteilen können."

Die Studie „Complementary and alternative medicine for the management of orthopaedic problems in Swiss Warmblood horses" von Katharina D. Lange, Shannon Axiak Flammer, Vinzenz Gerber, Ditte Kindt und Christoph Koch ist am 29. Mai 2017 in der Zeitschrift ,Veterinary Medicine and Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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