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Gen-Defekt: Haarlose Pferde erstmals wissenschaftlich untersucht
05.06.2017 / News

Dieses Fohlen – hier mit seiner nicht von NFS betroffenen Mutter – kam im März 2014 zur Welt und war im Jänner 2017 noch am Leben.
Dieses Fohlen – hier mit seiner nicht von NFS betroffenen Mutter – kam im März 2014 zur Welt und war im Jänner 2017 noch am Leben. / Foto: Bauer et al. https://doi.org/10.1534/g3.117.039511
Dieses Fohlen kam im Juni 2016 zur Welt und musste nach 21 Tagen nach einem plötzlichen Beinbruch eingeschläfert werden.
Dieses Fohlen kam im Juni 2016 zur Welt und musste nach 21 Tagen nach einem plötzlichen Beinbruch eingeschläfert werden. / Foto: Bauer et al. https://doi.org/10.1534/g3.117.039511
Das drei Wochen alte Fohlen (Fall 2) wies zahlreiche typische Krankheits-Merkmale auf: Bild A zeigt die unteren Regionen der Vorderbeine mit zahlreichen Hautverletzungen und spärlicher Behaarung. Auf Bild B sind die schuppige Gesichtshaut und die fehlenden Wimpern zu erkennen, auf Bild C die kurzen, spärlichen und gekräuselten Tasthaare am Maul. Die Bilder D und E zeigen die trockene, schuppige Haut im oberen Bein-Bereich sowie an der Flanke, auf Bild F ist die übermäßige Verhornung im Brustbereich zu sehen.
Das drei Wochen alte Fohlen (Fall 2) wies zahlreiche typische Krankheits-Merkmale auf: Bild A zeigt die unteren Regionen der Vorderbeine mit zahlreichen Hautverletzungen und spärlicher Behaarung. Auf Bild B sind die schuppige Gesichtshaut und die fehlenden Wimpern zu erkennen, auf Bild C die kurzen, spärlichen und gekräuselten Tasthaare am Maul. Die Bilder D und E zeigen die trockene, schuppige Haut im oberen Bein-Bereich sowie an der Flanke, auf Bild F ist die übermäßige Verhornung im Brustbereich zu sehen. / Foto: Bauer et al. https://doi.org/10.1534/g3.117.039511

Ein internationales Forscher-Team hat erstmals eine seltene Hauterkrankung bei Achal-Tekkiner-Pferden untersucht, die zu weitgehender Haarlosigkeit führt und deren Ursache eine Gen-Mutation ist.

 

Das Forscher-Team hat erstmals eine umfassende wissenschaftliche Beschreibung dieser ungewöhnlichen Hauterkrankung vorgelegt, von der Achal-Tekkiner-Pferde in seltenen Fällen betroffen sind. Ein wesentliches Merkmal dieser Erkrankung, die bereits bei Fohlen festzustellen ist, ist eine weitgehende bzw. völlige Haarlosigkeit, weshalb sie von Forschern auch als „Naked foal syndrome" (NFS) – also als ,Nacktes-Fohlen-Syndrom' – bezeichnet wurde: Tatsächlich weisen sämtliche bislang bekannten NFS-Fälle nahezu keine Fellbehaarung auf und leiden an Ichthyose, also an Verhornungsstörungen.

Ein weiteres dramatisches Merkmal von NFS ist die äußerst geringe Lebenserwartung der betroffenen Pferde: Soweit bislang bekannt, wurden sämtliche NFS-Pferde nur wenige Wochen bzw. Monate alt oder sind spätestens im Alter von drei Jahren verstorben. Es ist bislang nicht klar, ob bestimmte krankhafte Vorgänge bzw. Abläufe für diese frühe Sterblichkeit verantwortlich sind.

Die ersten Aufzeichnungen derartiger haarloser Achal-Tekkiner gehen bis ins Jahr 1938 zurück – seither hat sich die Zahl betroffener Pferde ständig erhöht. Viele Pferde mit dieser Erkrankung waren vermutlich Totgeburten bzw. haben nur wenige Tage überlebt – oder es wurden gar keine Aufzeichnungen über sie geführt.

In ihrer Studie, die in der Zeitschrift ,G3: Genes, Genomics Genetics' veröffentlicht wurde, beschreiben die Forscher ausführlich das Krankheitsbild von zwei an NFS erkrankten Pferden: Das erste – ein männliches Cremello-Fohlen – wurde im März 2014 geboren und war im Jänner 2017, als die  Untersuchung für die Publikation nochmals überprüft wurde, noch immer am Leben – zu diesem Zeitpunkt war es somit 2 Jahre und 10 Monate alt.

Im Vergleich zu seinen Altersgenossen aus dem gleichem Gestüt war es insgesamt weniger entwickelt und auch kleiner. Es hatte nur vereinzelte und sehr feine Körperhärchen. Die oberen Bein-Partien waren völlig kahl, während die Haardichte an den unteren Teilen anwuchs. Mähne und Schweifhaare waren nur spärlich vorhanden oder fehlten völlig. Die Tasthaare beim Maul waren zwar vorhanden, aber ebenfalls sehr spärlich, gekräuselt und ungewöhnlich kurz. Wimpern fehlten gänzlich. Seine Haut war trocken und an einigen Stellen schuppig. Der Besitzer berichtete zudem, dass es unter einem ständig zunehmenden Tränenfluss litt. Narben und fortschreitende Hautverletzungen waren erkennbar und möglicherweise auf den fehlenden Schutz eines normalen Fellkleids zurückzuführen. Hinsichtlich der Zähne oder der Hufe konnten keinerlei Abnormitäten festgestellt werden.

Der zweite Fall betraf ein Stutfohlen, das im Juni 2016 zur Welt gekommen war. Der Zustand seiner Haut und seiner Behaarung entsprach weitgehend dem bereits beschriebenen ersten Pferd. Seine Hufe und Zähne waren ebenfalls völlig normal. Das Stutfohlen musste nach einem plötzlichen Beinbruch im Alter von 21 Tagen eingeschläfert werden und wurde anschließend einer genauen Untersuchung (Nekropsie) unterzogen. Diese ergab eine leicht erhöhte Ansammlung von Liquor im Gehirn (Hydrocephalus = Wasserkopf), ein Herzproblem und deutlich veränderte Organe des Lymphsystems. Bei einer mikroskopischen Untersuchung zeigte sich ein Defekt in der Entwicklung der Immunorgane und der spezifischen Immun-Abwehr.

Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Analyse haben die Forscher eine vollständige Entschlüsselung des Genoms der beiden betroffenen Pferde durchgeführt, ebenso eine vergleichende Kontroll-Analyse von 75 Pferden anderer Rassen. Die genetische Mutation, welche die NFS-Erkrankung auslöst, konnte schließlich in zwei Segmenten der Chromosomen 7 und 27 des Genoms nachgewiesen werden. Die Gesamt-Sequenzierung zeigte eine einzige, nicht-synonyme genetische Variante auf dem Chomosom-7-Segment, das perfekt mit NFS verbunden war und die das Gen ST14 betraf. Von NFS betroffene Pferde haben diese Mutation, welche die Forscher als „ST14:c.388G>T" bezeichneten, von jedem ihrer beiden Elternteile geerbt.

Bemerkenswerterweise ähnelt das beobachtete genetische Erscheinungsbild von NFS-betroffenen Pferden jenen Phänotypen, die durch ST14-Varianten auch bei Menschen und Mäusen verursacht werden: „Bei Pferden mit NFS ist der Grad des Haarausfalls jedoch schwerer als bei menschlichen Patienten, während die Verhornungsstörungen weniger ausgeprägt sind und vor allem durch das klinische Erscheinungsbild suggeriert werden."

Der Entdeckung dieser Mutation wird es künftig ermöglichen, die unbeabsichtigte Weitergabe der Erkrankung in der Zucht durch einen einfachen Gen-Test zu vermeiden – eine gute Nachricht für alle Züchter von Achal-Tekkiner-Pferden. Zudem könnten die Erkenntnisse möglicherweise auch ein großes Tiermodell für die Untersuchung verwandter menschlicher Krankheiten liefern. Ein Rätsel bleibt für die Forscher aber nach wie vor die geringe Lebenserwartung von NFS-erkrankten Pferden – diese Frage konnte auch die umfangreiche Genom-Analyse nicht beantworten. Hier bedarf es, wie die Wissenschaftler zugaben, noch weiterer Forschungen, um jene Krankheitsverläufe und -zustände präziser zu charakterisieren, die zum frühzeitigen Tod der betroffenen Pferde führen.

Die Untersuchung „A Nonsense Variant in the ST14 Gene in Akhal-Teke Horses with Naked Foal Syndrome" von Anina Bauer, Theresa Hiemesch, Vidhya Jagannathan, Markus Neuditschko, Iris Bachmann, Stefan Rieder, Sofia Mikko, M. Cecilia Penedo, Nadja Tarasova, Martina Vitková, Nicolò Sirtori, Paola Roccabianca, View ORCID ProfileTosso Leeb und Monika M. Welle ist am 1. April 2017 in der Zeitschrift ,G3: Genes, Genomics Genetics' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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