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Kavalleristisches Reiten: Kulturpflege und Mannschaftssport zu Pferd
20.07.2017 / Wissen

Bei den „Fünfer Dragonern“ sind auch Damen willkommen und dürfen auch ganz offiziell in Uniform reiten, was bei Puristen mitunter für Stirnrunzeln und für Diskussionen sorgt.
Bei den „Fünfer Dragonern“ sind auch Damen willkommen und dürfen auch ganz offiziell in Uniform reiten, was bei Puristen mitunter für Stirnrunzeln und für Diskussionen sorgt. / Foto: Katharina Gerletz
Beim Exerzieren ist vor allem dressurmäßiges Können gefragt – das Reiten in der Gruppe macht aber vieles leichter, vor allem für unerfahrene Pferde, die sich von den ,Oldies
Beim Exerzieren ist vor allem dressurmäßiges Können gefragt – das Reiten in der Gruppe macht aber vieles leichter, vor allem für unerfahrene Pferde, die sich von den ,Oldies' vieles abschauen. / Foto: KRV Fünfer Dragoner
Vielfalt wird bei den Fünfer Dragoner groß geschrieben – ein Horsemanship-Kurs oder ein Extreme Trail sind eine willkommene Abwechslung und bereichern das reiterliche Training.
Vielfalt wird bei den Fünfer Dragoner groß geschrieben – ein Horsemanship-Kurs oder ein Extreme Trail sind eine willkommene Abwechslung und bereichern das reiterliche Training. / Foto: Janine Petschnig

Eine kleine Gruppe österreichischer Reitvereine pflegt eine besondere Tradition – nämlich das Kavallerie-Reiten nach historisch-militärischen Vorbildern. Beim jungen Verein der ,Fünfer-Dragoner’ sind auch Damen willkommen – und mit Begeisterung dabei.

 

Die Pferdewelt ist nicht nur erstaunlich, sondern auch erstaunlich bunt: Es gibt nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, sich mit seinem Pferd sportlich zu betätigen – von der Dressur bis zum Springen, von den Mounted Games bis zum Horse Ball, vom Jagdreiten bis zum Orientierungsreiten  und von der Horse Agility bis zum Voltigieren oder Fahren: Der Vielfalt sind nahezu keine Grenzen gesetzt – welche Sportart könnte das noch von sich behaupten?

Zu den wenig bekannten, doch durchaus reizvollen Varianten des Pferdesports gehört auch das sogenannte ,kavalleristische Reiten’, das sich in den letzten Jahren steigender Beliebtheit erfreut: Sein Reiz liegt nicht allein in der Pflege eines jahrhundertealten Kulturguts, die sich etwa im Tragen einer detailgenauen historischen Uniform zeigt, sondern auch in der Bewahrung einer reiterlichen Tradition, die auch und gerade in Österreich beinahe in Vergessenheit geraten wäre.

Dass dies nicht geschehen ist, ist einer Handvoll heimischer Reitvereine zu verdanken, die sich seit vielen Jahren dem kavalleristischen Reiten verschrieben haben. Der jüngste – und zugleich einer der interessantesten – sind die „Fünfer Dragoner“, die im Jahr 2013 vom praktischen Arzt Dr. Anton Wankhammer in der Steiermark gegründet wurden. Anstoß und Auslöser der Vereinsgründung war seine Begeisterung für Geschichte und für Pferde – und die Entdeckung, dass man beides miteinander verbinden kann. Dr. Wankhammer: „Mich hat das Reiten schon immer interessiert – aber auch das Historische. Ich bin dann im Internet auf das kavalleristische Reiten gestoßen und habe gesehen, dass es solche Reitvereine bereits in Salzburg, in Oberösterreich, in Wien etc. gab – nur in der Steiermark nicht. So haben wir im Jahr 2013 beschlossen, einen Verein zu gründen. Wir waren zu fünft, als wir angefangen haben, mittlerweile haben wir 30 Mitglieder im Verein – wobei nicht alle davon auch aktive Reiter sind.“

In Österreich gibt es, so Dr. Wankhammer weiter, ca. 10 bis 15 Kavallerie-Vereine, die teilweise im Österreichischen Kavallerieverband organisiert sind. Seine „Fünfer Dragoner“ sind jedoch nicht Mitglied – und zwar aufgrund einer Besonderheit, die von historischen Puristen als glatter Traditionsbruch betrachtet wird: Bei den „Fünfer Dragonern“ sind die Damen nicht nur dabei – sie dürfen auch ganz offiziell in Uniform reiten, was mitunter für Stirnrunzeln und für Diskussionen sorgt. Dr. Wankhammer sieht das gelassen: „Das ist teilweise umstritten, weil es historisch vielleicht nicht ganz korrekt ist. Andrerseits gibt es z. B. ein Buch über unser Regiment „Die Fünfer Dragoner im Ersten Weltkrieg“, da erwähnt ein Offizier in einem Bericht eine Gräfin Khevenhüller, die als Sanitäterin im Verband mitgeritten ist – und zwar in voller Uniform, sodass sie unter den anderen Reitern nicht als Frau erkennbar war. Natürlich war sie nicht Teil der kämpfenden Truppe. Es gab aber beispielsweise die mit Österreich verbündete Ukrainische Legion, in denen es ganze Regimenter gegeben hat, die zu drei Vierteln aus Frauen bestanden sind. Natürlich war das eine Sondereinheit – und nicht die Regel. Wir im Verein finden es aber nicht verwerflich, wenn Damen mitreiten – ganz im Gegenteil: Die sind mit großer Begeisterung dabei – und wir freuen uns über jedes Mitglied.“

Pferdemäßig ist man im Verein ebenfalls tolerant. Dazu Wankhammer: „Wir freuen uns natürlich besonders wenn eines unserer Mitglieder eine historisch „korrekte“ Pferderasse wie einen Shagya-Araber, einen Furioso oder anderen „Altösterreicher“ reitet, aber auch Voll- und Warmblüter sind beliebte und willkommene Rassen. Sogar Kaltblüter sind im Verein mit dabei – wir sind über jedes reitende Mitglied erfreut!“

Das größere Problem ist der Ausbildungsstand – denn hier ist nicht nur ein gewisses Niveau, sondern auch Vielseitigkeit erforderlich, um reiterlich mithalten zu können: „Wir sind reiterlich sehr vielfältig: Wir reiten viel im Gelände, wir springen, wir bewältigen Naturhindernisse, brauchen aber genauso die Dressur fürs Exerzieren und fürs Waffenreiten. Die Anforderungen sind nirgends extrem hoch – aber man muss überall ein gutes Basiskönnen haben, und das ist gar nicht so leicht zu finden. Man soll das Pferd in allen Gangarten gut unter Kontrolle haben. Eine Besonderheit bei uns ist das einhändige Reiten, weil man beim Exerzieren bzw. beim Waffenreiten eine Hand für den Säbel braucht. Aber das lässt sich mit ein bisschen Übung auch rasch erlernen. Ein echter Vorteil bei uns ist, dass wir viel in der Abteilung bzw. in der Gruppe reiten und dabei die Pferde auch voneinander lernen. Ein neues Pferd wird in die Mitte genommen und schaut sich alles von den anderen ab, das ist ganz erstaunlich, wie gut das funktioniert. Man sollte freilich das Pferd stets unter Kontrolle haben, sonst wird’s natürlich schwierig.“

Grundlage und Basis des gemeinsamen Trainings, zu dem man sich einmal im Monat zusammenfindet, ist das Exerzierreglement der KuK Kavallerie. Dr. Wankhammer: „Das bietet von der Pferdeausbildung bis zur Reitausbildung eine inhaltlich geniale und doch leicht verständliche Grundlage. Dort sind auch die Regeln fürs Exerzieren festgehalten, wie man mit dem Säbel umgeht, wie man im Gelände reitet, wie man in der Abteilung reitet usw. – das ist die Basis, auf der wir aufbauen, und da sind wir auch eher traditionell orientiert. Daneben sind wir aber für alles offen und nehmen auch immer wieder an Horsmeanship-Kursen oder ähnlichem teil. Wir bemühen uns, dass wir ein bis zweimal im Monat gemeinsam reiten, wenn eine Veranstaltung ansteht auch schon öfter.“

Wer nun annimmt, dass dieses Exerzierreglement besonders martialisch ausgefallen ist und die Pferde dabei ebenso geschunden werden wie einst die einfachen Soldaten, irrt jedoch gewaltig: Pferde waren in der kuk Armee überaus kostbar, auf solide, fachgerechte Ausbildung wurde großer Wert gelegt, ebenso auf gute Fütterung und Pflege. Dieses erstaunliche hohe Niveau an dem, was man heute als ,Horsemanship’ bezeichnet, war auch für Dr. Wankhammer eine Entdeckung, die ihn verblüffte: „Wenn man sich die alten Vorschriften durchliest, dann ist Horsemanship nicht etwas, was vor 30 Jahren in den USA entwickelt wurde, sondern das bei uns schon vor mehr als 100 Jahren gelebt und praktiziert wurde, nämlich ein grundsätzliches Verständnis für das Lebewesen Pferd, und das versuchen wir zu leben.“

So ist – um nur zwei Beispiele zu erwähnen – im Dienst-Reglement für das kaiserliche und königliche Heer von 1890 kategorisch festgelegt: „Der Soldat soll mit der Natur und dem Temperament seines Pferde vertraut sein und es danach behandeln; er darf mit demselben nicht roh umgehen, sondern soll ihm seine Untugenden mit Geduld und durch Liebkosungen abzugewöhnen trachten. Er muß es regelmäßig füttern, tränken und putzen; erst nach vollendeter Wartung desselben darf er seinen eignen Bedürfnissen nachgehen.“
Und über die Abrichtung der Remonten heißt es im Exerzierreglement für die k.u.k. Kavallerie von 1889: „… Wenn daher ein Pferd der Anforderung des Reiters nicht nachkommt, so wird beinahe immer der Grund darin zu suchen sein, dass es ihn nicht verstanden hat, entweder weil sich der Reiter nicht verständlich genug machte, oder weil das Pferd durch die früheren Übungen noch nicht gehörig vorbereitet war. In beiden Fällen wäre scharfes Eingreifen oder Strafen ganz schlecht. … Im Allgemeinen ist kein Pferd von Natur aus böse.“

Diese pferdegerechte Grundeinstellung kommt bei den Vereinsmitgliedern auch sehr gut an, wie Dr. Wankhammer bestätigt: „Viele sind passionierte Freizeitreiter und vom modernen Reitsport nicht so begeistert – sie suchen eine andere, kameradschaftliche Art, mit seinem Pferd umzugehen. Es geht daher bei uns auch sehr pferdegerecht zu, weil wir uns an das halten, was Pferdeausbildung und Reiterei früher waren: Wir reiten die Pferde erst sehr spät an und lassen uns bei der Ausbildung auch viel Zeit.“

Der Lohn dafür sind nicht nur gut gelaunte Reiter, sondern auch entspannte, motivierte Pferde, die mit Freude mitmachen. Das zeigte sich nicht zuletzt beim diesjährigen Marchfelder Schlösserritt, bei dem das gemischte Team der Fünfer Dragoner einen vielumjubelten Sieg davongetragen hat. Dr. Wankhammer: „Der Ritt ging über zwei Tage über jeweils ca. 45 km und es mussten verschiedenste Stationen absolviert werden – etwa Orientieren mit Karte, Pistolenschießen, Handpferdreiten, Gruppen - u. Einzelspringen, Säbelaufgaben, Hufeisenwerfen, Gangprobe nach Trompetensignalen, Meldung überbringen ....) Besonders erfreulich war, dass wir als ,schneidige Truppe’ bezeichnet wurden, nämlich vom Kommandanten der veranstaltenden Dreier-Dragoner, obwohl ja die bekannten Vorbehalte uns gegenüber bestehen, weil bei uns Damen mitreiten. Wir sind deshalb den Ritt auch einheitlich in unserer Trainingsadjustierung geritten und nicht in der historischen Uniform.“

Für Dr. Wankhammer ist kavalleristisches Reiten der perfekte Ausgleich zu seinem stressigen und anspruchsvollen Beruf als praktischer Arzt – und eine unterschätzte Alternative für viele Freizeitreiter: „Was mich persönlich am kavalleristischen Reiten so fasziniert, ist die vielfältige Arbeit mit dem Pferd. Das steht bei uns eigentlich auch im Zentrum. Die Uniformen, die Adjustierung – das ist zwar alles ganz nett und ist natürlich ein wesentlicher Bestandteil der militärischen Traditionspflege, aber wir probieren wirklich, diesen besonderen Umgang und dieses Verständnis für das Pferd zu pflegen und zu leben – und kommen drauf, dass dies ein sehr tiefgehendes Verständnis ist, das sich über Jahrhunderte entwickelt hat und von dem man sehr viel lernen kann. Wie gern die Pferde mitmachen, wie pferdegerecht die Ausbildung ist und wieviel Spaß sie auch den Pferden macht – das begeistert mich sehr.“

Wer mitmachen möchte, findet auf der Website der Fünfer Dragoner viele weitere Infos und auch die richtigen Kontakte: https://www.fuenferdragoner.at/

Wer sich über die Aktivitäten des Österreichischen Cavallerie-Verbandes informieren möchte, wird hier fündig: http://www.cavallerie-verband.at/

Wer die Fünfer Dragoner live miterleben möchte, kann dies am 16. und 17. September 2017 beim ,Vienna Ascot’ in der Wiener Freudenau tun – dort werden die Vereinsmitglieder eine Demonstration in kavalleristischer Reitkunst geben.

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