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Niedriger Cortisol-Spiegel bei Pferden kann auf Dauerstress hinweisen
14.09.2017 / News

Chronischer Stress kann bei Pferden zu Depressionen und zu gesundheitlichen Schäden führen, so die französischen Forscher.
Chronischer Stress kann bei Pferden zu Depressionen und zu gesundheitlichen Schäden führen, so die französischen Forscher. / Symbolfoto: Martin Haller

Cortisol gilt eigentlich als ,Stress-Hormon', da seine Werte ansteigen, wenn Pferde akutem Stress ausgesetzt sind. Doch bei chronischem Stress könnte es genau umgekehrt sein, wie eine Studie französischer Forscher nahelegt.

 

Seit vielen Jahren beschäftigt sich eine Gruppe von Wissenschaftler der Universität Rennes  intensiv mit dem Thema ,Stress'  und dessen vielfältigen Auswirkungen bei Pferden – und hat 2012 auch eine bahnbrechende Untersuchung über Depressionen bei Pferden vorgelegt.

Nun haben die französischen Forscher – übrigens in Zusammenarbeit mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien – eine weitere, hochinteressante Studie präsentiert, die auf den ersten Blick in Widerspruch zu zahlreichen vorangegangenen Arbeiten zu stehen scheint. Bislang galt es als allgemein anerkannt und akzeptiert, dass das Hormon Cortisol dann in erhöhtem Maße produziert und freigesetzt wird, wenn Pferde aktuem Stress ausgesetzt sind. Cortisol fungiert gleichsam als kurzfristiger Mobilisator in schwierigen oder angsteinflößenden Situationen, der dabei hilft, die nötigen Ressourcen an Energie und Aufmerksamkeit freizusetzen, um mit den gestellten Herausforderungen fertigzuwerden. Kurz: Ein erhöhter Cortisol-Spiegel gilt als zuverlässiger Indikator für Stress bei Pferden – ein Befund, der durch zahlreiche Tests und Untersuchungen auch gut belegt ist.

Doch wie sieht es aus, wenn Pferde – oder auch Menschen – chronischem, lang andauerndem Stress ausgesetzt sind? Behält Cortisol auch dann seine Rolle als ,Mobilisator' des gesamten Organismus, damit dieser schwierige Situationen bewältigen kann – oder verliert das Hormon bei dauerhafter ,Anwendung' seine Funktion bzw. seine Wirkung? Mit dieser Frage haben sich die französischen Forscher in ihrer jüngsten Arbeit auseinandergesetzt.

Tatsächlich deuten einige Studien beim Menschen und auch bei anderen Säugetieren darauf hin, dass chronischer Stress zu einer gegenteiligen Wirkung, nämlich zu einer Absenkung des Cortisol-Spiegels, führt – doch dieser Befund ist alles andere als eindeutig und wird von einigen Forschern auch in Abrede gestellt. Die französischen Wissenschaftler haben bei Pferden die Probe aufs Exempel gemacht.

Das Wissenschaftler-Team hat insgesamt 59 erwachsene Pferde (44 Wallache und 15 Stuten) von drei verschiedenen Reitbetrieben in ihrer normalen Alltagsumgebung untersucht. Die Pferde wurden allesamt in Einzelboxen gehalten und waren damit räumlich und sozial weitgehend isoliert. Zudem wurden sie während des Untersuchungszeitraums auch von ungeübten Reitern geritten – waren also zwei bedeutenden Stress-Faktoren ausgesetzt, die über einen längeren Zeitraum hinweg auch das Wohlbefinden der Pferde beeinträchtigen konnten. Die Wissenschaftler beobachteten über mehrere Wochen hinweg diverse Verhaltens- und Gesundheits-Indikatoren und überwachten den Cortisol-Spiegel im Blut sowie im Kot der Tiere.

Das durchaus überraschende Ergebnis ihrer Untersuchung: Pferde, die unter den Stress-Faktoren besonders zu leiden schienen und deutliche Zeichen eines verminderten Wohlbefindens (angelegte Ohren, Rückenprobleme, Blutarmut etc) zeigten, hatten niedrigere Cortisol- Spiegel als die anderen Pferde. Dieser Befund deckt sich auch mit früheren Untersuchungs-Ergebnissen, bei denen Pferde mit depressions-ähnlichen Verhaltensmustern ebenfalls außergewöhnlich niedrige Cortisol-Konzentrationen im Blut aufwiesen.

Auch eine andere Erkenntnis der Studie war bemerkenswert: Bei den unterschiedlichen Cortisol-Messungen zeigte sich, dass der am Abend ermittelte Cortisol-Spiegel im Blut in hohem Maße mit der Messung der Cortisol-Metaboliten im Kot (Fecal Cortisol Metabolites = FCM) übereinstimmte – und daher bei künftigen Forschungsarbeiten bevorzugt eingesetzt werden sollte: „Diese non-invasive Methode bietet gegenüber den traditionellen invasiven Methoden (also der Blutabnahme) erhebliche Vorteile, da die Proben einfach gesammelt werden können und eine bessere Einschätzung der langfristigen Glucocorticoid-Spiegel als Plasma-Proben ermöglicht", so die Forscher.

Wie aber lässt sich der niedrige Cortisol-Spiegel der dauergestressten Pferde erklären? Für die Wissenschaftler liegt eine mögliche Ursache dieses Effekts in einem „Zusammenbruch des Stress-Systems" – der dann eintritt, wenn Pferde über einen besonders langen Zeitraum hinweg intensivem Stress ausgesetzt sind. Anders formuliert: Das natürliche System zur Stress-Bewältigung ist nicht auf dauerhafte Anwendung ausgelegt – es kollabiert gleichsam zu einem bestimmten Zeitpunkt und führt dann zu Abstumpfung, Teilnahmslosigkeit und Depression. Herauszufinden, zu welchem genauen Zeitpunkt langandauerender, intensiver Stress einem Pferd zuviel wird und zu gesundheitlichen Schäden sowie zu Depressionen führen kann – das ist die nächste Herausforderung für die französischen Forscher.

Die Studie „Low plasma cortisol and fecal cortisol metabolite measures as indicators of compromised welfare in domestic horses (Equus caballus)" von Jodi Pawluski, Patrick Jego, Séverine Henry, Anaelle Bruchet, Rupert Palme, Caroline Coste und Martine Hausberger ist am 8. September 2017 in der Zeitschrift ,PLOS One' erschienen und kann in englischsprachiger Originalfassung hier nachgelesen werden.

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