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Korruption, Mobbing, Abgehobenheit: Schwere Vorwürfe gegen britischen Pferdesportverband
19.10.2017 / News

Auch Dressur-Superstar Carl Hester äußerte sich in der Öffentlichkeit kritisch zur Arbeit des britischen Pferdesportverbands.
Auch Dressur-Superstar Carl Hester äußerte sich in der Öffentlichkeit kritisch zur Arbeit des britischen Pferdesportverbands. / Archivfoto: Julia Rau

Nach schweren Vorwürfen einer früheren Geschäftsführerin hat der britische Pferdesportverband (BEF) nun eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben, um die Anschuldigungen zu überprüfen.

 

Fünf Medaillen – darunter dreimal Gold – bei den Olympischen Spielen 2012 in London, drei Medaillen – darunter zweimal Gold – bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro: Erfolglosigkeit bei Großevents kann man dem britischen Pferdesport wahrlich nicht vorwerfen. Doch hinter der glänzenden Fassade des britischen Reitsports sieht es möglicherweise ganz anders – das jedenfalls legt ein Brief nahe, den die frühere Geschäftsführerin des britischen Pferdesportverbandes (BEF = British Equestrian Federation) Clare Salmon am 13. Juli dieses Jahres verfasst und indem sie ihren Rücktritt erklärt hat. Salmon erhob darin schwere Anschuldigungen gegen den BEF – es würden dort „Abgehobenheit, Eigeninteressen, Mobbing und Korruption“ herrschen.

Für BEF-Präsidentin Joanne Shaw waren die Vorwürfe schwerwiegend und glaubhaft – und haben „bedeutende und ernsthafte Sorgen hinsichtlich der Kultur, der Führung und der Zusammenarbeit einiger seiner Mitglieds-Verbände“ verursacht. Aus diesem Grund gab Shaw vor wenigen Tagen eine unabhängige Untersuchung in Auftrag, um den Anschuldigungen auf den Grund zu gehen.

Die Untersuchung soll von einer dreiköpfigen Kommission unter dem Vorsitz von John Mehrzad durchgeführt werden. Mehrzad ist Leiter der ,Sports Law Group’ der Kanzlei Littleton Chambers und einer der angesehensten Anwälte für Sportrecht in Großbritannien. Untersucht werden sollen insbesondere folgende Fragen und Punkte:

– Gibt es fundamentale Probleme in den Beziehungen innerhalb und zwischen den einzelnen Verbänden im britischen Pferdesport, und wenn ja – welche?

– Empfehlungen, wie derartige Problem ein den Beziehungen gelöst werden können, um sicherzustellen, dass innerhalb der gesamten Organisationsstruktur höchste ethische Standards gewahrt werden;

– Welche Folgen hat die Untersuchungen für den Vorstand von BEF und den gesamten britischen Pferdesport im allgemeinen?

– Empfehlungen in Bezug auf die Weiterentwicklung der Werte, des Verhaltens, des Charakters und der Kultur der BEF

Die Untersuchungs-Kommission soll ihre Arbeit umgehend aufnehmen und bis 1. Dezember 2017 seinen Bericht vorlegen.

Hintergrund: Der britische Pferdesportverband

Der britische Pferdesportverband ist – im Unterschied zu den meisten anderen Pferdesportverbänden in Europa – eine reine Dachorganisation, die aus insgesamt 15 Vollmitgliedern (darunter British Dressage, British Eventing, British Showjumping etc.) und 4 assoziierten Mitgliedern besteht. Jeder einzelne dieser Mitgliedsverbände ist unabhängig – unter dem Dach der BEF erfolgt die notwendige Koordination ihrer Arbeit (etwa hinsichtlich Sportstätten und Training.

Eine wesentliche Aufgabe der BEF ist die Verteilung der öffentlichen Fördermittel, die jedes Jahr von den Lotterien (über UK Sport und Sport England) für die Teilnahme an Olympischen und Paralympischen Spielen aufgebracht werden. Diese Mittel sind zuletzt empfindlich gekürzt worden, wie die Tageszeitung ,The Telegraph’ recherchierte: So stehen für die Olympischen Spiele in Tokyo nun 15,5 Millionen Pfund zur Verfügung – um 2,5 Millionen weniger als noch für Rio.

Diese Kürzungen haben nahezu sämtliche Mitgliedsverbände betroffen – und zuletzt auch zu heftigen Konflikten und Streitigkeiten mit ihnen geführt: Carl Hester kritisierte öffentlich, dass durch die Kürzungen wichtige Sponsoren in der Dressur verlorengegangen sind – und auch in der Vielseitigkeit wurde die erzwungene Entlassung einiger Trainer im Junioren-Bereich beklagt. In die Reihe der prominenten Kritiker reihte sich auch der Olympiasieger von Rio 2016 – Nick Skelton – ein, der in einem Interview mit dem Magazin ,Horse&Hound’ eine scharfe Attacke gegen die BEF-Führungsgremien ritt: „Es scheint ein neuer Trend zu sein, dass Nicht-Pferdeleute im Sport das Sagen haben – und das ist eine Katastrophe. Man kann die besten Zeugnisse und Qualifikationen der Welt haben – aber was wirklich zählt ist, dass die Leute an der Spitze etwas von Pferden verstehen“, so Skelton in Richtung der damaligen Geschäftsführerin Clare Salmon, die mehr von Wirtschaft als von der Reiterei verstehe.

Für Empörung sorgten aber auch andere umstrittene Entscheidung der BEF, so etwa die Annahme des Sponsorships von Sheikh Maktoum für die UK Endurance Masters im Sommer 2017 in Euston Park, die mit einem Preisgeld von über 1,7 Millionen Pfund dotiert waren – und das, nachdem bei einem Distanzritt im Jänner 2017 in Dubai sechs Pferde zu Tode gekommen waren. GB Endurance musste eine Reihe von Austritten hinnehmen, nachdem die Sponsorenschaft öffentlich bekannt geworden war.

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