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10 Jahre Amersham: Die Pferde-Rettung, die alles verändert hat
08.01.2018 / News

Zwei Überlebende des Amersham-Dramas: Von den mehr als 60 Pferden, die ,Redwings
Zwei Überlebende des Amersham-Dramas: Von den mehr als 60 Pferden, die ,Redwings' 2008 übernommen hat, sind noch immer 58 am Leben und unter der Obhut der Tierschutzorganisation. / Foto: Redwings Horse Sanctuary
Ein Bild, das mehr sagt als alle Worte: Dieser kleine Esel war, als er bei ,Redwings
Ein Bild, das mehr sagt als alle Worte: Dieser kleine Esel war, als er bei ,Redwings' ankam, zu schwach, um alleine die Rampe herunterzugehen – er musste von einem Helfer getragen werden. / Foto: Redwings Horse Sanctuary

Vor exakt 10 Jahren – am 9. Jänner 2008 – wurde der wohl schlimmste Fall von Tierquälerei in der Geschichte Großbritanniens aufgedeckt: Das Drama von Amersham erregte weltweites Aufsehen und veränderte das öffentliche Bewusstsein in Sachen Tierschutz.


In Großbritannien kennt jeder den Namen von James Gray und den seines Pferdehofs, der Spindles Farm in Amersham, ein Ort in der Grafschaft Buckinghamshire, der von britischen Tageszeitungen später als „Pferde-KZ" bezeichnet wurde und der für den vermutlich schlimmsten Fall von Tierquälerei steht, der sich in Großbritannien jemals ereignet hat.

Am 9. Jänner 2008 entdeckten Mitarbeiter der britischen Tierschutzorganisation RSPCA auf der Spindles Farm in Amersham (Grafschaft Buckinghamshire) einen Fall von Tierquälerei, der alles bis dahin Vorstellbare übertraf: Auf dem weitläufigen Anwesen wurden insgesamt 115 Pferde, Ponys und Esel beschlagnahmt, die auf übelste Weise vernachlässigt und gequält worden waren – die Tiere waren ausgehungert, fast verdurstet und ohne jegliche Pflege oder medizinische Betreuung. Noch schlimmer aber war das, was sie in Nebengebäuden und auf Koppeln entdeckten, nämlich die großteils verwesten Kadaver von 32 weiteren Pferden und Eseln, für die jede Hilfe zu spät kam.

Der Besitzer, der damals 44-jährige James John Gray, wurde im Mai 2009 wegen insgesamt 11 Verstößen gegen das britische Tierschutzgesetz (Animal Welfare Act 2006) zu 24 Wochen Gefängnis (von denen er jedoch nur 12 Wochen absitzen musste), zu einer Geldstrafe von 400.000,– Pfund und zu lebenslangem Haltungsverbot verurteilt. Es war mit einer Gesamtdauer vo 52 Wochen der längste Tierschutz-Prozess der britischen Geschichte. In einem zweiten Verfahren im November 2010 kamen weitere 200.000,– Pfund Strafe für James Gray hinzu.

James Gray und seine Anwälte schöpften im Zuge des Verfahrens alle Rechtsmittel aus, um einer Verurteilung und der hohen Geldstrafe zu entgehen – im Berufungsverfahren sprachen seine Anwälte von „groben Verfahrensfehlern" und von einer „unverhältnismäßig hohen" Geldbuße. Erfolg hatten sie damit nicht: Am 12. März 2013 bestätigte der Oberste Gerichtshof in London in letzter Instanz, dass die Geldstrafe von insgesamt 600.000,– Pfund  der Schwere der Vergehen angemessen sei und daher von Gray an die Tierschutzorganisation RSPCA zu bezahlen ist.

Sein Sohn – James Jr. – wurde eineinhalb Jahre lang unter die Aufsicht des Jugendamts gestellt. Im Verfahren gegen James Grays Ehefrau Julie sowie die beiden Töchter Jodie und Cordelia verwies der Oberste Gerichtshof den Fall zur nochmaligen Verhandlung zurück an den Crown Court, das schließlich alle drei zu je 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilte sowie ein zehnjähriges Haltungsverbot für Pferde verhängte.

Der Fall von Amersham ging um die Welt – und sogar aus Australien meldeten sich damals Pferdefreunde, die anboten, sich um die geretteten Vierbeiner zu kümmern. Die RSPCA bezifferte die Pflegekosten für die befreiten Pferde allein im ersten Jahr auf eine Million Pfund – zahlreiche Tiere wurden damals auch an andere Tierschutzorganisationen wie World Horse Welfare und dem Redwings Horse Sanctuary zur Pflege weitergegeben.

„Der schlimmste Fall, den wir je hatten“

Die Tierschutzorganisation ,Redwings Horse Sanctuary’ gedenkt dieses einzigartigen Falles mit einer Reihe von Veranstaltungen und sonstigen Aktivitäten, darunter auch eine neue Spendenaktion, um die Pflege der geretteten Amersham-Pferde für die nächsten zehn Jahre zu sichern.

Der Fall der Spindles Farm in Amersham war, wie Redwing rückblickend beschreibt, „der schlimmste Fall von Tierquälerei, den wir je hatten“ – und er veränderte das öffentliche Bewusstsein in Sachen Tierschutz in Großbritannien. Es war die erste große Bewährungsprobe für das 2006 beschlossene Tierschutzgesetz ,Animal Welfare Act’, das es ermöglichte, Pferde aus tierquälerischen Haltungen zu befreien und – nach erfolgter tierärztlicher Anordnung – ihren Besitzern abzunehmen. Insofern war es ein wahrlich historischer Fall mit großer Beispielwirkung, wie sich auch Lynn Cutress, die Geschäftsführerin von ,Redwings’ erinnert: „Amersham war eine bedeutende Rettungsaktion, die nicht nur Redwings, sondern auch die breite Öffentlichkeit nachhaltig geprägt hat. Niemals zuvor ist das Leid von Pferden in Großbritannien so in das öffentliche Bewusstsein gedrungen – auch die Anwendung der neuen rechtlichen Möglichkeiten gemäß dem ,Animal Welfare Act’ war für Tierschützer ein bahnbrechender Moment und hat die Art und Weise, wie wir Pferden in Not helfen können, von Grund auf verändert. Diese große Rettungsaktion hat erstmals auch Kollegen aus unterschiedlichen Tierschutzorganisation – darunter Blue Cross, Horse Trust, RSPCA und World Horse Welfare – zusammengebracht und auch danach viele weitere übergreifende Operationen möglich gemacht.“

Auch für Lynn Cutress selbst war die Aktion ein tiefgreifendes Erlebnis: „Ich erinnere mich noch gut an die Pferde und Esel, als sie mit den Transportern in Redwings ankamen. Es war nicht nur ihre entsetzliche körperliche Verfassung, die mich schockierte, sondern auch ihre unheimliche, schaurige Ruhe und ihre beklemmende Traurigkeit. Erst Wochen später, als wir zum ersten Mal die Esel zum Frühstück singen hörten, wussten wir, dass wir in ihrer Genesung die Wende geschafft hatten – sie fühlten sich endlich sicher.“

Von den damals über 60 Pferden und Eseln, die 2008 von ,Redwings’ übernommen wurden, sind noch immer 58 am Leben und unter der Obhut der Organisation, 46 am eigenen Tierschutzzentrum und 12 weitere in privater Pflege. Lynn Cutress dazu: „Es ist ein Beweis für die harte Arbeit und die Hingabe unserer Tierärzte- und Pflege-Teams, dass trotz dieser schrecklichen Vernachlässigung soviele der geretteten Pferde und Esel noch immer ein glückliches Leben genießen.“

Die neue Spendenaktion von ,Redwings’ zugunsten der geretteten Amersham-Pferde kann man hier unterstützen!

Welche unglaublichen Zustände die Mitarbeiter der Tierschutzorganisation RSPCA auf der Spindles Farm in Amersham im Jänner 2008 antrafen, zeigt dieses Videomaterial, das bei der Begehung entstand. (ACHTUNG – wir weisen daraufhin hin, dass die gezeigten Bilder äußerst verstörend und für Pferdefreunde nur schwer zu ertragen sind).

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