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Streit um Homöopathie treibt britische Tierärzte auf die Straße
11.01.2018 / News

Die Debatte um die Homöopathie entzweit die Tierbesitzer – und in Großbritannien auch die Tierärzte.
Die Debatte um die Homöopathie entzweit die Tierbesitzer – und in Großbritannien auch die Tierärzte. / Foto: Archiv/Petr Blaha

Am 15. Jänner gehen Großbritanniens homöopathische Tierärzte auf die Straße – sie protestieren gegen ein umstrittenes Statement der Tierärzte-Aufsichtsbehörde RCVS, in dem die Homöopathie als „wissenschaftlich unfundiert“ bezeichnet wird.

 

Die Kontroverse zwischen den Gegner und Befürwortern von komplementären bzw. alternativen Behandlungsmethoden, allen voran der Homöpathie, tobt in vielen Ländern – und auch Großbritannien ist da keine Ausnahme. Eine Petition forderte im Jahr 2016 die zuständige Aufsichtsbehörde RCVS (Royal College of Veterinary Surgeons) sogar auf, ihren Mitgliedern die Verschreibung homöopathischer Arzneien zu verbieten – und fand für dieses radikale Anliegen immerhin mehr als 3.000 Unterstützer.

Eine neue Qualitätsstufe erreichte die Auseindersetzung jedoch vor wenigen Wochen, als die RCVS am 3. November 2017 ein vielbeachtetes und bis heute höchst umstrittenes Statement zur Homöopathie auf ihrer Website veröffentlichte. In diesem war Folgendes zu lesen:

Vor kurzem wurden Fragen über komplementäre und alternative Arzneien und Behandlungen im Allgemeinen sowie über der Homöopathie im Speziellen an uns herangetragen.

Wir möchten hiermit hervorheben, dass wir uns der Förderung der Weiterentwicklung der Veterinärmedizin auf der Grundlage fundierter wissenschaftlicher Prinzipien verpflichtet fühlen und die grundlegende Verpflichtung unserer Mitglieder als Praktiker in einem wissenschaftsbasierten Beruf betonen, dessen oberstes Ziel das Wohl des Tieres ist.
Bei der Erfüllung dieser Verpflichtung erwarten wir, dass die Behandlungen, die von Tierärzten angeboten werden, auf einer anerkannten Evidenzbasis oder wissenschaftlich fundierten Prinzipien beruhen. Tierärzte sollten keine unbewiesenen Behauptungen über jedwede Behandlungen – auch vorbeugende – aufstellen.

Für die Homöopathie und ihre Anwendung existiert keine derartige anerkannte Evidenzbasis. Darüberhinaus basiert sie nicht auf wissenschaftlich fundierten Prinzipien. Um das Tierwohl zu schützen, betrachten wir solche Behandlung als Ergänzung und nicht als alternative für Behandlungen, für die es eine entsprechende Evidenzbasis gibt oder die auf soliden wissenschaftlichen Prinzipien beruhen. Es ist von grundlegender Bedeutung, das Wohlergehen der Tiere, die der Pflege professioneller Tierärzte anvertraut wurden, und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Beruf zu schützen – und zwar dadurch, dass Behandlungen, die nicht auf anerkannten Fakten oder wissenschaftlich fundierten Grundsätzen beruhen, nicht diejenigen verzögern oder ersetzen, die das sehr wohl tun.“

Nachdem das Statement publik geworden war, spitzte sich die Debatte weiter zu: Die Vereinigung homöopathisch tätiger Tierärzte in Großbritannien (British Association of Homeopathic Veterinary Surgeons, BAHVS) meldete sich kurz darauf – nämlich am 5. November 2017 – mit einem eigenen Statement zu Wort und kritisierte die Erklärung scharf: Man zeigte sich zutiefst enttäuscht darüber, dass das RCVS „beschlossen hat, seinen Zuständigkeitsbereich zu verlassen und eine derart unbedachte und auf falschen Informationen beruhende Erklärung über komplementäre und alternative Medizin (CAM) im Allgemeinen und die Homöopathie im Besonderen abzugeben“.

Das ,Royal College of Veterinary Surgeons’ habe damit seine Kompetenzen in unzulässiger Weise überschritten und vor allem verabsäumt, die zuständigen Vertreter für komplementäre und alternative Medizin zu konsultieren, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre, bevor sie ein derartiges Statement abgebe. Dieser Fehler „widerspricht der üblichen Vorgangsweise, die sich das RCVS selbst verschrieben hat“. Es gäbe – im Gegensatz zu den Aussagen der RCVS – sehr wohl genug wissenschaftliche Fakten und Studien über die Wirkung homöopathischer Behandlungen, doch diese werden „routinemäßig vom Establishment ignoriert, weil sie in CAM-Zeitschriften veröffentlicht werden“.

Von einer gleichberechtigten und vor allem unvoreingenommenen Beurteilung könne keine Rede sein. Die Vorgangsweise der RCVS gleiche einer „Hexenjagd“ und diskreditiere den tierärztlichen Berufsstand insgesamt, indem es „durch die mediale Verbreitung falscher Schlussfolgerungen zum wachsenden öffentlichen Misstrauen gegenüber der Wissenschaft und unserem Beruf“ beitrage. Die Erklärung der RCVS müsse somit umgehend widerrufen werden.

Unterstützt wurde diese geharnischte Replik von einer Online-Petition, in der die Befürworter der Homöopathie von einem Angriff auf die gesamte Komplementär- bzw. Alternativ-Medizin sprachen und um öffentliche Unterstützung für diese baten: Seit ihrem Start im Dezember erhielt diese Petition beachtliche 14.000 Unterstützungserklärungen – und bescherte den Homöopathie-Verfechtern auch öffentlichen Rückenwind.

Am 15. Jänner wird die BAHVS den Druck weiter erhöhen: Sie hat an diesem Tag zu einem Protestmarsch in London aufgerufen, an dem Tierärzte und Tierbesitzer samt Haustieren teilnehmen werden und der – nach einer Kundgebung vor dem britischen Parlament – zum Hauptquartier der RCVS an der Horseferry Road führen soll. Dort möchte man die Unterschriften der Online-Petition sowie weitere Unterstützungserklärungen offiziell überreichen – es sollen insgesamt über 30.000 Unterschriften sein.

Chris Day, ein ganzheitlich behandelnder Tierarzt seit mehr als 40 Jahren und Präsident der BAHVS, gab sich in einem Interview kämpferisch: „Das ist ein Angriff auf die Wahlfreiheit der Patienten und auf die Behandlungs-Freiheit der Tierärzte. Man hat diese Stellungnahme veröffentlicht, ohne mit irgendeinem Patienten oder mit Tierärzten zu sprechen, die solche Behandlungen anwenden. Wir sind zutiefst enttäuscht, dass die RCVS versucht, ihren eigenen Mitgliedern zu schaden, deren Unabhängigkeit und Existenzgrundlage auf dem Spiel steht.“

Das RCVS ist indes um Beruhigung und Deeskalation bemüht und hat betont, das es keineswegs homöopathische Behandlungen insgesamt verbieten will. Man erwarte lediglich, dass „Behandlungen wie die Homöopathie, die nicht durch eine anerkannte Evidenzbasis oder solide wissenschaftliche Grundlagen unterstützt werden, lediglich neben – oder ergänzend zu – Behandlungen angeboten werden, auf die das sehr wohl zutrifft.“

Dessen ungeachtet wird am 15. Jänner der Protestmarsch in London jedenfalls stattfinden – und er wird zweifellos nicht das letzte Wort in diesem seit Jahren schwelenden Konflikt sein ….

Zur Online-Petition der Homöopathie-Befürworter geht es hier!

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