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Vorurteile unberechtigt: Weibliche Jockeys sind ebenso gut wie männliche
01.02.2018 / News

Wissenschaftlich erwiesen: Die Leistungen weiblicher Jockeys sind ebenso gut wie die ihrer männlichen Berufskollegen.
Wissenschaftlich erwiesen: Die Leistungen weiblicher Jockeys sind ebenso gut wie die ihrer männlichen Berufskollegen. / Foto: British Horseracing Authority

Die Leistungen weiblicher Jockeys sind ident mit denen ihrer männlichen Berufskollegen – das ist das Ergebnis einer Studie, die an der Universität von Liverpool durchgeführt wurde.

 

Der Pferderennsport ist eine Männerdomäne, in der es Frauen nach wie vor enorm schwer haben. Die Branche gilt als äußerst konservativ – und vielen Besitzern kommt es gar nicht erst in den Sinn, einen weiblichen Jockey auf ihre Pferde zu setzen, schon gar nicht auf ihre besten Pferde, und schon gar nicht in den besten Rennen. Es fehle ihnen an der nötigen Kraft in den Armen, heißt es häufig, ebenso an Härte und an Durchsetzungskraft, sich gegen die unbarmherzige Konkurrenz zu behaupten – das alles traut man Männern nach wie vor viel eher zu als Frauen.

Doch diese Schlussfolgerung ist falsch und beruht auf einem Vorurteil – wie eine aktuelle Studie, die an der Universität von Liberpool durchgeführt wurde, detailliert nachweist. Autorin Vanessa Cashmore hat mit ausgefeilten statistischen Techniken Daten aus 14 Jahren britischem Rennsport analysiert – und kommt zu einem eindeutigen Schluss: Berücksichtigt man die Qualität der gerittenen Pferde, dann sind die Leistungen weiblicher Jockeys auf britischen Rennbahnen um nichts schlechter als die ihrer männlichen Kollegen. Cashmore wörtlich: „Die Studie zeigt klar, dass weibliche Jockeys ebenso gut sind wie ihre männlichen Berufskollegen.“

Vanessa Cashmore hat für ihre Untersuchung die Rennergebnisse und Leistungsdaten der Jahre 2003 bis 2016 detailliert analysiert. Insgesamt 1,25 Millionen Ritte nahm sie dabei mit ausgefeilten statistischen Techniken unter die Lupe. Eine besondere Herausforderung war es, die Qualität der Pferde – naturgemäß ein für den Rennausgang extrem einflussreicher Faktor – aus den Rennergebnissen gleichsam herauszurechnen und beim Vergleich zwischen männlichen und weiblichen Jockeys nur die statisch „bereinigte“ reiterliche Leistung zu berücksichtigen. Und die ist – so das wesentliche Resultat der Studie – zwischen Männern und Frauen absolut ident.

Ernüchternde Fakten

Dennoch ist man – und das ist gleichsam die ernüchternde Kehrseite der Untersuchung – von Gleichberechtigung noch weit entfernt: Wie aus den Daten von Vanessa Cashmore ebenfalls hervorgeht, sind zwar in der gesamten Rennsport-Industrie durchaus viele Frauen am Werk – doch je weiter man in der Hierarchie nach oben geht, umso dünner wird die Luft für sie:

– An der Basis sind Frauen sogar in der Überzahl: Im Studienjahr 2016/17 waren nicht weniger als drei Viertel der Schüler der beiden wichtigsten Ausbildungsstätten für Pferderennen (die British Racing School und das Northern Racing College) weiblich.

– Beim Stallpersonal ist die Geschlechter-Verteilung immerhin noch ausgeglichen – und steigt tendenziell sogar an: Im Juni 2017 waren 51 % der StallarbeiterInnen Frauen – im Jahr 2010 waren es noch 42 % gewesen.

– Bei den Jockey-Lizenzen ziehen schließlich die Männer klar an den Frauen vorbei: 2016 entfielen nur 24 % der gesamten 778 Jockey-Lizenzen (also sowohl Profi- als auch Amateur-Jockeys) auf Frauen, und diese Relation ist in den letzten zehn Jahren nahezu unverändert geblieben.

– Noch deutlicher abgeschlagen sind Frauen, wenn man nur die Profi-Lizenzen betrachtet – hier entfielen nur 11,3 % der Lizenzen auf das weibliche Geschlecht.

– Noch einseitiger fällt die Auswertung der tatsächlichen Rennstarts aus. Über den gesamten Analyse-Zeitraum (also von 2003 bis 2016) wurden 128.488 Rennen mit 1,255.286 Einzelstarts erfasst – und davon entfielen lediglich 5,2 % auf weibliche Jockeys (bei Flachrennen waren es 6,5 %, bei Hindernisrennen gar nur 2,9 %). Immerhin zeigte sich über die Jahre hinweg ein leichter Aufwärtstrend.

– Bei den Klasse-1-Flachrennen, also der höchsten sportlichen Kategorie, waren Frauen nur eine exotische Randerscheinung – mit 1,1 % der Einzelstarts war ihr Anteil verschwindend gering. Bei den Klasse-6-Rennen waren es immerhin 10 %, bei den Klasse-7-Rennen 9,3 %.

– Bei Hindernis-Rennen der Klasse 1 entfielen sogar nur 0,8 % der Starts auf weibliche Jockeys, bei Klasse-5-Rennen waren es 3,8 %, bei Klasse-6-Rennen immerhin 5,4 %.

Für mehr Chancengleichheit sorgen

Mit anderen Worten: Frauen sind in der Elite des britischen Pferderennsports extrem unterrepräsentiert – von Gleichberechtigung und Chancengleichheit kann keine Rede sein. Aus dieser Tatsache – die nun auch durch handfeste Zahlen belegbar ist – möchte die zuständige Rennsportbehörde BHA (British Horseracing Authority) Konsequenzen ziehen, wie BHA-Geschäftsführer Nick Rust in einer ersten Stellungnahme betonte: „Diese Studie lieferte weitere Beweise für das, was viele in der Branche seit einiger Zeit gespürt haben – dass es nämlich keinen Grund gibt, weibliche Jockeys nicht als ebenso gut zu betracten wie ihre männlichen Kollegen. Wir sind stolz darauf, dass der Pferderennsport eine der wenigen Sportarten ist, in der Männer und Frauen unter gleichen Bedingungen gegeneinander antreten können. Wenn weiblichen Jockeys aber nicht die gleichen Chancen eingeräumt werden wie Männern, kann man aber nicht von echter Gleichberechtigung sprechen. Es gilt jetzt zu verstehen und zu analysieren, warum es weniger weibliche Jockeys gibt als männliche – und warum diese auch weniger Startmöglichkeiten bekommen, speziell in höherklassigen Rennen. Das ist eine Frage, mit der sich eine Arbeitsgruppe in unserer Rennsport-Lenkungs-Gruppe beschäftigen wird. Der Rennsport solte auf Fairness und Respekt basieren. Wir möchten sicherstellen, dass diese Werte alle Aspekte des Sport umfassen – und dass bei britischen Pferderennen alle Teilnehmer faire Chancen haben.“

Die BHA hat zudem angekündigt, die Entwicklungen im französischen Rennsport aufmerksam zu beobachten. Dort wurde etwa weiblichen Jockeys in bestimmten Rennen eine Gewichtserlaubnis eingeräumt – die Ergebnisse dieser Initiative will man ebenso berücksichtigen wie die Ansichten der internen Lenkungs-Gruppe und auch der aktuellen Studie von Vanessa Cashmore. Aus all diesen Analysen soll in den nächsten Monaten ein Arbeitsplan mit konkreten kurz- und langfristigen Schritten abgeleitet werden – mit dem Ziel, die Chancengleichheit für weibliche Jockeys im Rennsport zu verbessern.

Quelle: Pressemitteilung der BHA

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