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Trotz Lahmheit kein Rückgabe-Recht: Streit um 500.000,– Euro-Dressurpferd geht weiter
08.03.2018 / News

Den beim Kauf zehnjährigen Hannoveraner Wallach wollte der Kläger bei Grand Prix-Prüfungen einsetzen, doch dann kam alles anders ...
Den beim Kauf zehnjährigen Hannoveraner Wallach wollte der Kläger bei Grand Prix-Prüfungen einsetzen, doch dann kam alles anders ... / Symbolfoto: Julia Rau

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshof begründet die bloße Abweichung von der „physiologischen Norm“ auch beim Röntgenbefund eines teuren Dressurpferd noch keinen Sachmangel – der Fall geht zurück an das OLG München.

 

Der spektakuläre und aufgrund der hohen Schadenssumme auch medial vielbeachtete Fall beschäftigt bereits seit mehreren Jahren die deutschen Gerichte. Es geht um einen damals 10-jährigen Hannoveraner Wallach, den der Kläger Ende des Jahres 2010 aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Vertrages vom Beklagten gekauft hat, um ihn als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Beklagte, der selbständig als Reitlehrer und Pferdetrainer tätig ist, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nachdem es zweimal probegeritten und auf Veranlassung des Klägers eine Ankaufsuntersuchung in einer Pferdeklinik durchgeführt worden war, wurde das Pferd an den Kläger im Januar 2011 übergeben.

Doch schon bald nach der Übergabe stellten sich Probleme ein – das Pferd lahmte, hatte offensichtliche Schmerzen und widersetzte sich der reiterlichen Einwirkung. Im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung im Juni 2011 wurde schließlich am rechten Facettengelenk des Pferdes zwischen dem vierten und dem fünften Halswirbel ein Röntgenbefund festgestellt. Hieraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und machte geltend, der Röntgenbefund sei die Ursache für die schwerwiegenden Rittigkeitsprobleme, die der Wallach unmittelbar nach der Übergabe gezeigt habe. Der Beklagte bestritt das und vertrat die Auffassung, diese Probleme seien erst nach Übergabe durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Klägers verursacht worden.

Sowohl das Landgericht München II (Entscheidung vom 28.3.2014) als auch das OLG München (Entscheidung vom 11.1.2016) gaben der Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrags Recht – dagegen legte der Beklagte Revision vor dem Bundesgerichtshof ein, das am 18. Oktober 2017 zu folgendem Urteil kam:

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Reitlehrer und Pferdetrainer, der ein zuvor ausschließlich für private Zwecke erworbenes und ausgebildetes Dressurpferd verkauft, insoweit ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht als Unternehmer anzusehen ist und der Käufer sich ihm gegenüber deshalb nicht auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen kann. Überdies hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und dahingehend fortentwickelt, dass auch bei einem hochpreisigen Dressurpferd Abweichungen von der physiologischen (Ideal-)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen, solange die Vertragsparteien keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben.

Wie der Senat bereits in der Vergangenheit entschieden hat (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351), wird die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könnte, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen "Idealnorm" entspricht. Ein Käufer kann redlicherweise nicht erwarten, ein Tier mit "idealen" Anlagen zu erhalten, sondern muss vielmehr im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind.

Diese Grundsätze gelten - wie der Senat nunmehr entschieden hat - gleichermaßen für (hochpreisige) Dressurpferde und unabhängig davon, ob es sich um einen vergleichsweise häufig oder (wie hier) selten auftretenden Röntgenbefund handelt. Auch vorliegend vermochte der streitgegenständliche Röntgenbefund deshalb keinen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB zu begründen. Denn der gerichtliche Sachverständige hat klinische Auswirkungen dieses Befunds weder für den Übergabezeitpunkt feststellen können, noch es für wahrscheinlich erachtet, dass solche zukünftig auftreten werden. Soweit ein Käufer beim Tierkauf derartige Abweichungen von der physiologischen Norm vermeiden will, bleibt es ihm unbenommen, mit dem Verkäufer eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB abzuschließen. Ohne eine derartige - vom Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Unrecht bejahte - Vereinbarung hat der Verkäufer allerdings nur dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich nicht in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird.

Da nach alledem ein Mangel des Dressurpferdes aufgrund des Röntgenbefundes nicht in Betracht kommt, könnten allenfalls die vom Kläger behaupteten diversen "Rittigkeitsprobleme" (Lahmheit, Schmerzen, Widersetzlichkeit) einen solchen begründen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden waren und nicht erst danach auftraten, hervorgerufen etwa (so die Behauptung des Beklagten) durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Käufers. Hierzu bedarf es – wie der Bundesgerichtshof meinte – weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts.

In diesem Zusammenhang kann dem Kläger – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – die Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht zugutekommen. Denn diese Vorschrift gilt nur für Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer bewegliche Sachen kauft (sog. Verbrauchsgüterkäufe). An einer Unternehmereigenschaft des Beklagten fehlte es vorliegend jedoch, denn er handelte bei diesem Verkauf des Dressurpferdes nicht "in Ausübung" seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdeausbilder. Vielmehr hatte er das Pferd zuvor ausschließlich zu privaten Zwecken ausgebildet und trainiert, so dass ein Zusammenhang zu seiner beruflichen Tätigkeit allenfalls äußerlicher Natur war.

Abschließend heißt es im Erkenntnis des Bundesgerichtshofs: „Nach alledem kann das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (…). Die Sache ist, da sie aus den ausgeführten Gründen nicht zur Endentscheidung reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht (= Oberlandesgericht München) zurückzuverweisen (…).“ Die Causa geht also weiter …

Die vollständige Entscheidung des Bundesgerichtshofes kann man hier nachlesen.

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