... so lautet der Appell einer Vorarlberger Pferdebesitzerin, deren Pferd bei einem Faschingsumzug mit weichen Semmeln gefüttert wurde und das anschließend eine Kolik erlitten hat.
Man kann es wirklich nicht oft genug sagen: Bitte niemals fremde Pferde ohne das Einverständnis des Besitzers oder Halters füttern – denn das kann für das betroffene Tier im schlimmsten Fall tödlich enden. Dass dahinter meist nicht böse Absicht, sondern Unwissenheit steckt, ist für die Besitzer nur ein schwacher Trost – denn sie müssen nicht nur das Leid ihrer geliebten Pferde mitansehen, sondern bleiben in vielen Fällen auch auf den Tierarztkosten sitzen. Diese bittere Erfahrung musste auch eine Pferdefreundin aus dem Vorarlberger Schlins machen, die mit einem Leserbrief in den ,Vorarlberger Nachrichten' einen verzweifelten Appell an die Öffentlichkeit richtet: Keine fremden Pferde füttern!
Wörtlich heißt es darin: „Was für ein Tierfreund! Ich möchte mich recht herzlich bei dem lieben Tierfreund bedanken, der beim Faschingsumzug in Schlins mein Pferd Hannelore mit weichen Semmeln gefüttert hat. Weiches oder schimmliges Brot ist Gift für Pferde. In der Zwischenzeit hat das Pferd eine Kolik, einen Tierarztbesuch und einige Medikamente hinter sich. Ich hoffe, wir bekommen es hin ohne Operation. Wenn sich der Tierfreund angesprochen fühlt, kann er sich ja melden und mich bei den Tierarztkosten unterstützen. Bitte, füttert keine fremden Pferde!“
Immer wieder Todesfälle durch unbefugte Fütterung
Tatsächlich kommt es Jahr für Jahr zu schweren Erkrankungen oder gar Todesfällen von Pferden, die von fremden Personen unbefugt gefüttert wurden. 2015 verstarb ein 23 Jahre alter Wallach in der Nähe von Hagen (Nordrhein-Westfalen), nachdem er auf der Weide von Spaziergängern mit Rosenkohl gefüttert worden war. Ebenfalls 2015 ist ein Islandpferd auf einer Koppel in Roetgen zu Tode gekommen, nachdem es von Schülern mit Gemüseresten und frischem Grasschnitt gefüttert worden war. 2016 wurde in Höckelheim bei Northeim (Niedersachsen) ein Pony tot auf der Weide gefunden, dem offenbar von Spaziergängern unreife Weizenkörnern vom Nachbarfeld gegeben worden waren.
Überaus empfindliches Verdauungssystem
Warum man fremde Pferde und Ponys niemals ohne Erlaubnis füttern soll, hat viele Gründe:
– Pferde bekommen in der Regel eine speziell auf ihre Bedürfnisse und Ansprüche abgestimmte Fütterung – und zwar sowohl hinsichtlich der Menge, als auch der Inhaltsstoffe. Jede zusätzliche Futtergabe bringt diesen geregelten Ernährungssplan durcheinander und kann sich schädlich auf den Organismus auswirken.
– Pferde leiden nicht selten an Allergien oder an Futterunverträglichkeiten, problematische Substanzen können sich somit negativ auf ihre Gesundheit auswirken. Zudem gibt es immer mehr Pferde mit Stoffwechselstörungen, die z. B. nur äußerst geringe Mengen von frischem Gras fressen dürfen. Davon abgesehen können sich in einem abgerissenen Büschel Weidegras auch Giftpflanzen befinden.
– Das Verdauungssystem von Pferden ist sehr empfindlich – Fallobst, schimmeliges Brot oder sonstige Nahrungsreste werden unter Umständen schlecht vertragen und können Verdauungsprobleme und in schlimmen Fällen auch Koliken verursachen.
Fremde Pferde füttern ist fahrlässig!
Bereits wiederholt haben sich Gerichte mit Schadenersatz-Klagen nach einer Fütterung von Pferden durch fremde Personen beschäftigt. Als wegweisend gilt ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe aus dem Jahr 2008, das ausdrücklich festhält, dass die ungeregelte und unkontrollierte Zufütterung bei fremden Pferden als fahrlässige Handlung einzustufen ist – auch und gerade dann, wenn man keinerlei Kenntnisse oder Erfahrungen über die Nahrungsgewohnheiten von Pferden hat.
Der Beklagte hatte auf einem Reiterhof, in dem ein Anhänger mit frisch eingebrachtem Heu herumstand, mehrere Handvoll davon an drei Pferde gefüttert, die daraufhin Koliken erlitten, eine trächtige Stute musste sogar eingeschläfert werden. Ein Sachverständigengutachten legte klar, daß das Verfüttern des frischen Heus für die Koliken aller drei Pferde ursächlich war.
Unwissenheit schützt nicht vor Haftung
Während das Landgericht Karlsruhe den Beklagten in erster Instanz noch freigesprochen und die Klage auf Schadenersatz abgewiesen hatte, kam das OLG Karlsruhe zu einem anderen Urteil: Das Füttern der Pferde mit frischem Heu stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentum des Klägers dar. Der Beklagte habe fahrlässig gehandelt, da die Gefahren einer unkontrollierten Fütterung für ihn erkennbar und diese für ihn auch leicht vermeidbar gewesen wären. Da er weder über die Nahrungsgewohnheiten der Tiere informiert war, noch Kenntnisse über allfällige Nahrungsunverträglichkeiten hatte, wäre er gehalten gewesen, jegliche Futtergabe zu unterlassen – es hätte ihm klar sein müssen, dass eine ungeregelte Zufütterung eine Gefahr für die Gesundheit der Tiere darstellen konnte, da er auch nicht wissen konnte, wann die Pferde zuletzt gefüttert worden waren und wann die nächste Fütterung bevorstand. Dass es nicht zum Allgemeinwissen gehören mag, dass frisches Heu für Pferde gefährlich ist, vermag ihn bei seinem Eingriff in fremdes Eigentum nicht zu entlasten. Dem Beklagten wäre es ohne weiteres möglich gewesen, von einer Fütterung der Pferde abzusehen.
Der Beklagte wurde zu einem Schadenersatz sowie zur Übernahme von Behandlungskosten in einer Gesamthöhe von 7.900,– Euro verurteilt. Inwieweit sich aus dem Fehlen von Hinweisschildern, die das Füttern der Pferde ausdrücklich verbieten, der Vorwurf eines Mitverschuldens des Klägers herleiten ließe, wurde nicht erörtert – der diesbezüglich beweispflichtige Beklagte hatte in seiner Argumentation darauf nicht Bezug genommen. Die Beweisaufnahme des Erstgerichts hat hierzu keine Klärung der tatsächlichen Verhältnisse gebracht.