In Niedersachsen möchte man vermehrt Esel zum Schutz von Nutztieren vor Wölfen einsetzen – ein Forschungsprojekt untersucht derzeit die Sinnhaftigkeit dieser Herdenschutz-Maßnahme.
Die Population der wildlebenden Wölfe in Niedersachsen nimmt weiter zu und liegt nach Schätzungen derzeit bei ca. 130 Tieren. Entsprechend häufiger kommt es auch zu Problemen mit den grauen Jägern, die zwar vorwiegend Wildtiere reißen, sich aber nicht selten auch unter Nutztier-Herden bedienen, was zwangsläufig zu Konflikten mit Landwirten führt.
Um die Schaf- und Ziegenherden der niedersächsischen Bauern zu schützen, scheut man auch vor unorthodoxen Lösungen nicht zurück: So machte bereits im Jahr 2015 ein Schafshalter aus Twistringen im Landkreis Diepholz auf sich aufmerksam, der sich für den Schutz seiner 200 Schafe ein Esel-Trio anschaffte: „Der Esel kennt anders als die Schafe kein Fluchtverhalten. Er stellt sich dem Raubtier und versucht, es erst mit Geschrei, dann mit Tritten zu vertreiben“, so Schafzüchter Tino Barth. Mit ihrem ausgezeichneten Gehör und ihrem ausgeprägten Geruchssinn sind Esel in der Lage, Eindringlinge frühzeitig zu erkennen, durch ihre markerschütternden Schreie sind sie zudem auch eine natürliche und effiziente „Alarmanlage". Auch in Sachsen-Anhalt hätten sich aus diesem Grund viele Schafszüchter bereits Esel zum Schutz ihrer Herden angeschafft.
Nun folgt – wie das Nachrichtenmagazin ,Stern‘ kürzlich berichtete – auch ein Schafzüchter aus Cuxhafen diesem Beispiel. Die Tiere von Kay Krogmann weiden auf Deichen, wo sie den Boden verdichten und die Grasnarbe kurz halten und sind für den Erhalt der schützenden Erdwälle unverzichtbar. Doch immer öfter werden die friedlichen Tiere Opfer von Wölfen, da auf den Deichen keine Zäune aufgestellt werden können und auch Herdenschutzhunde tabu sind, weil die Gefahr für Urlauber zu groß wäre. Krogmann gibt an, seit dem Jahr 2012 rund 50 Schafe durch Wolfsrisse verloren zu haben – und war deshalb auf der Suche nach neuen, praktikablen Schutzmaßnahmen.
Die eröffnen ihm nun Klaus und Claus – zwei Esel, die Teil eines Pilotprojekts zum Herdenschutz des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sind. Das im NLWKN ansässige Wolfsbüro betreut und beobachtet das Projekt und untersucht dabei, wie effizient bzw. praktikabel die Esel für den Schutz der Schafherden vor Wölfen sind – und ob eine Förderung solcher Herdenschutz-Maßnahmen sinnvoll erscheint. Denn: „Esel werden derzeit in Deutschland noch nicht als Herdenschutztiere gefördert, da zu wenig Erfahrungen mit diesen Tieren vorliegen", so Bettina Dörr vom NLWKN-Wolfsbüro in Hannover.
Eselfreunde sehen das Deich-Projekt eher kritisch – die Tiere seien an den feuchten Küstenregionen deplatziert, da ihre Haut den Regen schlecht verträgt und der weiche Boden und die üppigen Weiden Hufentzündungen verursachen können. Für Kay Krogmann sind diese Argumente nicht stichhaltig – seine zwei Esel, die seit Oktober 2016 ihren Dienst tun, seien weder zu fett, noch hätten sie Hufrehe. Außerdem stehen sie unter ständiger Beobachtung eines Tierarztes. Er hält daher am Pilotprojekt fest – ebenso wie Frank Faß, der Leiter des Wolfcenters Dörverden: Man müsse alle Schutzmaßnahmen der Wolfsabwehr ausprobieren, so Faß: Auch Zäune und Herdenschutzhunde könnten im Einzelfall versagen – ein Allheilmittel mit hundertprozentiger Sicherheit gebe es nicht, deshalb haben sich auch die Esel eine Chance verdient.
Das Forschungsprojekt des NLWKN läuft noch bis Juni 2018, danach werde man alle Erfahrungen analysieren, bewerten und eine Entscheidung treffen, so Frank Faß.