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Eichenprozessionsspinner: So gefährlich sind sie für Pferde und Menschen
15.06.2018 / News

Dieses Pferd erlitt schwere Verätzungen an den empfindlichen Nüstern und musste mit Cortison behandelt werden.
Dieses Pferd erlitt schwere Verätzungen an den empfindlichen Nüstern und musste mit Cortison behandelt werden. / Foto: Sven Schalljo
Ein anderes Pferd kam im Augenbereich mit den giftigen Nesselhaaren in Kontakt und erlitt aufgrund der Schmerzen eine Stresskolik.
Ein anderes Pferd kam im Augenbereich mit den giftigen Nesselhaaren in Kontakt und erlitt aufgrund der Schmerzen eine Stresskolik. / Foto: Sven Schalljo

Weite Teile Deutschlands und Österreichs leiden unter der Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners. Aktuelle Fälle in Krefeld und in Seehausen zeigen, wie gefährlich die Gifthärchen für Pferde und Menschen sind.

 

Es sind beklemmende, mitleiderregende Bilder, die in den letzten Tagen in deutschen Medien aufgetaucht sind – und die das gesamte Ausmaß des Desasters erahnen lassen: Wie ,RP Online’ berichtet, sind in einem Reitstall in Krefeld (Bundesland Nordrhein-Westfalen) drei Pferde durch die Gifthärchen des Eichenprozessionsspinners schwer verletzt worden. Zwei Pferde erlitten erhebliche Verätzungen bei Maul und Nüstern, ein drittes kam im Augenbereich mit den Nesselhaaren in Kontakt, erlitt aufgrund der heftigen Schmerzen eine Stresskolik und musste in einer Tierklinik notversorgt werden.

Nicht weniger dramatisch sind die Vorfälle in Seehausen in Sachsen-Anhalt, über die vor kurzem die Tageszeitung ,Bild’ berichtete: Ein achtjähriges Mädchen hatte auf dem Hof ihrer Grundschule umherfliegende Gifthärchen in die Atemwege und in die Augen bekommen – die Reaktion war so heftig, dass die Schülerin in Ohnmacht fiel und ärztlich versorgt werden muste. Bürgermeister Rüdiger Kloth, der seit Jahren gegen die Raupenplage kämpft und sich dabei vom Land Sachsen-Anhalt weitgehend im Stich gelassen fühlt, erstattete sogar Selbstanzeige, weil er es nicht geschafft habe, die Bevölkerung vor gesundheitlichen Schäden zu schützen. „Bei uns in der Region herrschen katastrophale Zustände, es gibt bereits mehrere Hundert Verletzte durch den Eichenprozessionsspinner“, so Kloth, „Pauline ist der traurige Höhepunkt!“

Tatsächlich stellt die zunehmende Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners immer mehr Kommunen vor erhebliche Probleme: Sie sehen sich mit der Bekämpfung der Raupenplage überfordert und verlangen Unterstützung sowie klare rechtliche Zuständigkeiten. Pflanzenschutz ist grundsätzlich Ländersache – aber in den allermeisten Fällen kümmern sich die Gemeinden um die fachgerechte Entsorgung und tragen auch die dabei anfallenden Kosten. Doch bei einem längeren und intensiveren Befall wie in Seehausen bringt das eine Kommune leicht an ihre finanziellen Grenzen. „Wir als Gemeinde können das nicht schaffen", so Bürgermeist Kloth gegenüber dem Nachrichtenmagazin ,Der Spiegel’. Mehr als 300.000 Euro habe seine Gemeinde in den vergangenen zwölf Jahren in den Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner geflossen – und ein Ende sei nicht abzusehen.

Überfordert sind aber nicht nur Kommunen, sondern auch private Grundbesitzer, die auf ihren Grünflächen befallene Eichen haben und für die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners grundsätzlich selbst und auf eigene Kosten sorgen müssen. Das sei – wenn es sich um eine größere Anzahl von Bäumen handelt – eine erhebliche finanzielle Belastung, wie die Krefelder Reitstall-Betreiberin Heike Schalljo bestätigt. Sie musste einen Teil ihrer Weideflächen für Pferde sperren – und steht auch finanziell vor einer kaum bewältigbaren Aufgabe: „Wir brauchen die Weiden auf Dauer. Aber die Beseitigung kostet pro Baum bis zu 200 Euro. Bei 25 Eichen allein auf meinem Gelände kommt da einiges zusammen. Plus die Tierarztkosten – das kann im Extremfall existenzbedrohend werden“, so die Pächterin gegenüber ,RP Online’.

Die Raupen selbst zu entfernen ist in keinem Fall ratsam und in den meisten Fällen auch gar nicht möglich, weil die Nester oft an Astgabelungen hoch in den Bäumen hängen. Mittlerweile haben sich Fachbetriebe und Baumpflege-Firmen auf die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners spezialisiert. Sie besprühen das Gespinst vor der Entfernung mit einer Art Kleber, damit die feinen Gifthärchen nicht durch die Luft gewirbelt werden können – und saugen es anschließend mit einem speziellen Staubsauger auf, danach werden die Nester in einer Deponie verbrannt.

Angesichts der zunehmenden Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners könnte aber die individuelle Entfernung der Gespinstnester irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Deshalb geht man in immer mehr Gemeinden zur flächendeckenden Bekämpfung des Falters mit Insektiziden über. Ein Beispiel dafür ist die Gemeinde Moers in Nordrhein-Westfalen: Dort werden, wie ,RP Online’ berichtet, ab sofort 2.900 Eichen im Stadtgebiet von einer Spezialfirma mit einem Biozid besprüht, das ein Margosa-Extrakt enthält. Dieses Extrakt mit dem Wirkstoff NeemAzal wird seit Jahren im ökologischen Landbau eingesetzt, greift in das Häutungssystem der Raupe ein und stoppt deren weitere Entwicklung. Die Raupen fressen die frischen Blätter, nehmen dadurch das Mittel auf und sterben innerhalb von zwei bis sieben Tagen ab. Das Mittel soll für andere Tiere und Menschen völlig ungefährlich sein – aber gut gegen die Raupen wirken, wie die letzten Jahre gezeigt haben: „Unsere konsequente Vorbeugung macht sich bemerkbar. In den Vorjahren mussten wir kein einziges Nest nachbehandeln", so Harry Schneider von der Dienstleistungsgruppe Enni, die für die Durchführung zuständig ist.

Da der Eichenprozessionsspinner mittlerweile – wie auch Fachleute annehmen – in ganz Deutschland verbreitet ist, braucht es zweifellos große gemeinsame Anstrengungen, um der Plage Herr zu werden – einen Masterplan. Einzelne Kommunen und einzelne private Grundbesitzer oder Pächter sind ansonsten, wie die jüngsten Fälle zeigen, rasch damit überfordert. Auch Heike Schalljo weiß nicht, wie es für ihren Reitstall und ihre Tiere weitergeht. „Im Moment habe ich keine Ahnung, was ich unternehmen soll. Ich fühle mich von der Stadt allein gelassen.“ Dass es den drei betroffenen Pferden inzwischen besser geht, ist immerhin ein kleiner Trost: Sie bekamen Cortison in hoher Dosierung und haben das Schlimmste überstanden. Doch die Ursache des Problems ist längst nicht beseitigt – und wird die Behörden in Deutschland und Österreich wohl noch lange Zeit beschäftigen …

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