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Feine Beobachter: Pferde durchschauen uns, auch wenn wir uns verstellen
22.06.2018 / News

Pferde erkannten im Experiment sofort, wenn der menschliche Gesichtsausdruck und die dazu abgespielte menschliche Stimme nicht zusammenpassten.
Pferde erkannten im Experiment sofort, wenn der menschliche Gesichtsausdruck und die dazu abgespielte menschliche Stimme nicht zusammenpassten. / Foto: Kosuke Nakamura

Japanische Forscher konnten nachweisen, dass Pferde die emotionale Bedeutung menschlicher Gesichtsausdrücke mit jener ihrer Stimmen verbinden können – und sofort erkennen, wenn beides nicht zusammenpasst.

 

Die erstaunliche Beobachtungsgabe von Pferden wurde schon in vielen Studien dokumentiert und gewürdigt – zuletzt waren es Forscher aus Portsmouth und Southampton, die nachweisen konnten, dass Pferde durch das bloße Betrachten menschlicher Portraitfotos und das Beobachten der darauf abgebildeten emotionalen Botschaften bleibende Erinnerungen an bestimmte Individuen bilden können und ihr späteres Verhalten daran anpassen. Ein kurzer Blick auf ein Foto genügte – und die Pferde hatten sich ein umfassendes Bild der darauf gezeigten ,emotionalen Botschaft’ gebildet und gespeichert (siehe unseren Bericht dazu).

Einen weiteren Aspekt dieses bemerkenswerten Beobachtungstalents von Pferden haben nun Forscher der Universität untersucht, und zwar mit Hilfe der sogenannten ,Erwartungs-Abweichungs-Theorie’ (Expectancy violation theory, EVT): Sie zeigten einer Gruppe von insgesamt 19 Testpferden jeweils Portraitfotos von vertrauten sowie von fremden Menschen mit entweder fröhlichem oder wütendem Gesichtsausdruck – und spielten anschließend Aufnahmen von freundlichen oder von schimpfenden menschlichen Stimmen, wobei passende (Foto und Stimme stimmten überein) sowie unpassende Situationen (Foto und Stimme stimmten nicht überein) erzeugt wurden.

Die Reaktion der Pferde war bemerkenswert: Sie reagierten deutlich schneller – nämlich 1,6 bis 2,0 mal – wenn Foto und Stimme nicht übereinstimmten, wobei es keine Rolle, ob es sich um Fotos bzw. Stimmen von vertrauten oder fremden Personen handelte. Weiters blickten die Tiere deutlich länger – nämlich um den Faktor 1,4 –  in Richtung des Lautsprechers, wenn die Emotionen in der menschlichen Stimme nicht mit jenen des gezeigten Bildes übereinstimmten und sie mit der Person vertraut waren: Sie hatten offenkundig Anderes erwartet und waren von der Diskrepanz sichtbar überrascht.

Diese Ergebnisse deuten, so die Wissenschaftler, darauf hin, dass Pferde menschliche Gesichtsausdrücke und Sprachtöne zusammenfügen, um menschliche Emotionen zu erkennen – also über ein sogenanntes ,cross-modales’ Gedächtnis verfügen. Es kam daher zu einer ,Erwartungs-Abweichung’, wenn Pferde eine menschliche Stimme hörten, deren emotionaler Gehalt nicht mit jenem des menschlichen Gesichtsausdrucks übereinstimmte. „Unsere Studie könnte zu einem größeren Verständnis darüber führen, wie Menschen und Tiere emotionale Signale senden und empfangen – und so unsere Beziehung zu ihnen vertiefen und das Tierwohl insgesamt zu verbessern“, so Prof. Ayaka Takimoto von der Hokkaido-Universität in Tokio.

Es ist im Übrigen nicht die erste Studie, die Pferden diese erstaunliche Fähigkeit attestiert: Bereits im Jahr 2012 veröffentlichen Jessica Frances Lampe (Universität Edinburgh/GB) und Jeffrey Andre (James Madison University in Harrisonburg/USA) eine Untersuchung, in der sie das ,cross-modale’ Erinnerungsvermögen von Pferden nachweisen konnten. Bei Experimenten mit insgesamt 12 Pferden konnten sie demonstrieren, dass diese Aussehen, Geruch und Stimme einer Person zu einer kohärenten Erinnerung zusammenfügen können – und eine Unstimmigkeit bei diesen Signalen sofort bemerken. Pferde können überdies ein fehlendes Signal problemlos durch andere ersetzen bzw. kompensieren. Diese Fähigkeit – über die u. a. auch der Mensch, Hunde und bestimmte Affenarten verfügen – ist für das Fluchttier Pferd von großem Nutzen, denn so können Gefahren oder Feinde bereits anhand eines einziges Sinneseindrucks – etwa eines Geräuschs oder eines Geruchs – frühzeitig identifiziert werden (siehe unseren ausführlichen Bericht dazu).

Die Studie „Cross-modal perceptionof human emotion in domestic horses (Equus caballus)“ von Kosuke Nakamura, Ayaka Takimoto-Inose und Toshikazu Hasegawa ist am 21. Juni 2018 in der Zeitschrift ,Scientific Reports’ erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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