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Wolfsattacke im Aktivstall Mauerbach: Die Angst geht um
04.07.2018 / News

Ein Wolf hat im niederösterreichischen Mauerbach drei Schafe getötet – unter Landwirten, Züchtern und Pferdebesitzern geht nun die Angst um.
Ein Wolf hat im niederösterreichischen Mauerbach drei Schafe getötet – unter Landwirten, Züchtern und Pferdebesitzern geht nun die Angst um. / Symbolfoto: Fotolia-VK

Nach einer Wolfsattacke in einem Pferdebetrieb in der Wienerwald-Gemeinde Mauerbach, bei der drei Schafe zu Tode gekommen sind, herrschen bei Landwirten und Anwohnern Verunsicherung und Angst.

 

Der Aktivstall Mauerbach ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich und bemerkenswert: Er ist das kleine Paradies von Claudia Radbauer, das sie ganz ihren Tieren gewidmet hat, mit denen sie hier lebt. Naturnahe, artgerechte Haltung ist das oberste Credo des Betriebes, alles ist mit Bedacht angelegt, nachhaltig gebaut und ganz auf die Bedürfnisse der Tiere zugeschnitten: Sie züchtet hier nicht nur die seltenen Sorraia-Pferde, von denen es weltweit nur etwa 200 Exemplare gibt, sondern auch Miniatur-Shetland-Ponys von allerbester Qualität. Ein selbst entwickeltes Haltungskonzept nach dem Wildpferde-Modell, kombiniert mit einem Aktivstall und einem Paddock-Trail, ermöglicht den Pferden eine natürliche, artgerechte Lebensweise (siehe unseren ausführlichen Artikel dazu). Auf dem Hof tummeln sich aber auch Sulmtaler Hühner, Altsteirer und Cröllwitzer Puten und seltene Alpine Steinschafe, ebenso wie zahlreiche Insekten- und Vogelarten bis hin zu Fledermäusen. Man kann es nicht anders sagen: Es ist eine Oase der Vielfalt und des Lebens, die hier entstanden ist – eine kleine Arche vor den Toren Wiens.

Doch seit kurzem hat sich ein dunkler Schatten über diese Oase gelegt: Als Claudia Radbauer vor zwei Wochen morgens nach ihren Schafen sehen wollte, fand sie zwei tote Tiere auf der Weide, eines mit einer großen, klaffenden Wunde am Hals, das zweite ohne erkennbare Verletzungen hatte sich vermutlich ,zu Tode erschreckt’. Ein drittes Schaf war ebenfalls verletzt worden und musste wenig später eingeschläfert werden.

DNA-Test bestätigt: Es war ein Wolf

Claudia Radbauer dachte zuerst an die Attacke eines herumstreunenden Hundes, doch ließ sie die Todesfälle durch das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) untersuchen. Seit Montag (2. Juli 2018) liegt das – niederschmetternde – Ergebnis des DNA-Tests vor: Es war ein Wolf, der für den Tod der drei seltenen Steinschafe verantwortlich ist. Claudia Radbauer fiel aus allen Wolken, denn für sie war die Gefahr, die von Wölfen ausgeht, bislang rein theoretisch: „Man hört und liest von Wölfen in Rumänien oder in der Lausitz oder meinetwegen auch im Waldviertel – aber dass der Wolf plötzlich buchstäblich vor den Toren Wiens auftaucht und hier Schafe reißt, damit rechnet man schlicht und einfach nicht.“

Ein Jungtier auf der Suche nach einem Revier

Wie Dr. Georg Rauer, Wolfsbeauftragter vom FIWI, gegenüber dem ORF meinte, handelte es sich vermutlich „um ein junges Einzeltier auf der Suche nach einem Revier und einem Partner“. Dr. Rauer schließt aus, dass es sich dabei um ein Jungtier aus dem Rudel in Allentsteig handeln könnte: „Das können wir jetzt schon ausschließen. Es kommt nun noch die Genotypisierung – und dann können wir schauen, ob es derselbe Wolf wie in Oberösterreich war, der in Weyer Risse verursacht hat, oder ob es vielleicht sogar jener aus Salzburg war, das würde dann in einer Linie liegen.“ Genetisch stamme der Wolf aus einer Population aus den Westalpen, aus der Grenzregion zwischen Italien und der Schweiz – und habe daher schon eine Wanderung über mehrere Hundert Kilometer hinter sich, was bei Wölfen durchaus nicht ungewöhnlich ist.

Dr. Rauer erwartet, dass es künftig noch mehr derartige Vorfälle und auch mehr Begegnungen mit dem Wolf in Österreich geben wird: „Wir gehen davon aus, dass es mehr Wölfe geben wird. Wir sehen die Entwicklung in den Populationen rund um Österreich, die zunimmt, und das heißt, dass mehr von diesen wandernden Individuen kommen werden, und damit ist auch die Chance größer, dass sich irgendwo ein Rudel bilden wird.“

„Wölfe müssen beschossen werden, damit sie scheu werden!"

Genau diese Aussichten beunruhigen immer mehr Landwirte, Züchter und auch Pferdehalter in Österreich, die um das Wohl ihrer Tiere bangen. Nicht zuletzt deshalb fordert Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, angesichts der immer häufigeren Wolfsattacken ein entschlosseneres Vorgehen und insbesondere mehr rechtliche Möglichkeiten – bis hin zum Abschuss. Der rechtliche Schutzstatus der Wölfe müsse so geändert werden, dass nationale Handlungsmöglichkeiten geschaffen werden: „Derzeit fürchten sich die Menschen vor den Wölfen, das ist falsch. Die Sache ist erst in Ordnung, wenn sich die Wölfe vor den Menschen fürchten", fordert er die Erlaubnis zum Abschuss ein. „Wölfe müssen beschossen werden, wir müssen sie so erziehen damit sie scheu werden, nur wenn sie scheu sind, werden sie die Menschen und ihre Siedlungen meiden“, so Schultes.

Wie der WWF in einer Aussendung mitteilte, wären Tötungen bereits jetzt in Einzelfällen möglich, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden: „Dafür brauchen aber keine EU-Gesetze geändert und Wölfe pauschal zum Abschuss freigegeben werden“, so WWF-Artenschutz-Experte Arno Aschauer. Denn nach wie vor ernähren sich Wölfe zu 99 % von Wildtieren, so Aschauer, der Anteil von Weide- bzw. Nutztieren sei verschwindend gering. Im Jahr 2016 gingen bei einem Gesamtbestand von ca. 378.000 Schafen in Österreich lediglich 21 auf das Konto von Wölfen.

Wenig Schutzmöglichkeiten vor dem Wolf

Das alles mag zweifellos stimmen, ist aber für die unmittelbar Betroffenen wie Claudia Radbauer nur ein schwacher Trost: Sie fühlt sich der drohenden Gefahr weitgehend ohnmächtig und schutzlos ausgesetzt: „Die Schutzmöglichkeiten sind einfach sehr begrenzt. Herdenschutzhunde anzuschaffen, das ist bei einer so kleinen Gruppe von Schafen, wie ich sie halte, ein Ding der Unmöglichkeit – und einen massiven Schutzzaun in ausreichender Höhe und mit Strom um alle meine Koppeln kann ich auch nicht bauen. Ich habe jetzt zwar als Vorsichtsmaßnahme die restlichen Schafe näher ans Haus geholt – aber das ist in Wahrheit auch nur eine kurzfristige Lösung. Ich will meine Tiere ja artgerecht und naturnah halten – und kann sie nicht dauerhaft in Hofnähe einsperren. Die Vorstellung, dass der Wolf wieder kommen könnte, ist jedenfalls beängstigend – ich kann nur hoffen, dass er uns künftig fernbleibt.“

In Mauerbach und Umgebung geht die Angst um – ganz besonders bei allen Anrainern und Landwirten in der Nachbarschaft des Aktivstalls. Man ist zutiefst verunsichert und weitgehend ratlos, wie man mit der Wolfsgefahr umgehen soll. Über das ruhige, idyllische, leicht verträumte Paradies vor den Toren Wiens hat sich ein Schatten gelegt …

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