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Reithelme im Test: Seitenschutz vielfach ungenügend

16.07.2018 / News

Insgesamt 15 Reithelme wurden vom schwedischen Test-Team rund um Dr. Helena Stigson unter die Lupe genommen.
Insgesamt 15 Reithelme wurden vom schwedischen Test-Team rund um Dr. Helena Stigson unter die Lupe genommen. / Foto: Folksam

Die schwedische Versicherungsgesellschaft Folksam hat insgesamt 15 Reithelme umfangreichen Aufprall-Tests unterzogen – mit dem Ergebnis, dass lediglich drei Modelle einen guten Schutz bei seitlicher Krafteinwirkung bieten.

 

Folksam zählt zu den größten Versicherungsgesellschaften in Schweden und ist nicht zuletzt für seine regelmäßigen, stets aufwendigen Helm-Tests bekannt. Im Vorjahr nahmen die Folksam-Tester Fahrrad-Helme unter die Lupe – und heuer standen 15 in Schweden erhältliche Reithelm-Modelle im Fokus des Interesses. Sämtliche der getesteten Helme entsprachen der geltenden europäischen CE-Norm, bei der die Energieabsorption bei einem senkrechten Aufprall gemessen wird. Dieser Test spiegelt jedoch, so Forschungsleiterin Dr. Helena Stigson, das Szenario bei einem realen Reitunfall nicht vollständig wider – denn bei einem Sturz vom Pferd bzw. einem Pferdetritt wird der Aufprall auf den Kopf vielfach schräg bzw. von der Seite erfolgen, und es sei bislang nicht hinreichend geprüft worden, wie effektiv die am Markt erhältlichen Helme vor derartigen Belastungen schützen. Dr. Stigson in ihrem abschließenden Bericht: „Unsere Absicht war es, diese Belastung in Tests zu simulieren, da bekannt ist, dass die seitlich bzw. schräg einwirkende Beschleunigung die häufigste Ursache von Hirnverletzungen ist. Ziel unserer Test war es, die auf dem schwedischen Markt verkauften Helme unter diesem Gesichtspunkt zu bewerten.“

Durchgeführt wurden insgesamt vier physikalische Tests: nämlich die Stoßdämpfung bei senkrechtem Aufprall sowie drei weitere mit schrägem bzw. seitlichem Aufprall. Zusätzlich wurden Computersimulationen durchgeführt, um das Verletzungsrisiko zu bewerten. Die Ergebnisse waren sehr aufschlussreich – wenngleich auch zum Teil ernüchternd.

Bei immerhin sieben Helmen zeigte sich eine lineare Beschleunigung von weniger als 200 g, was einem geringen Risiko einer Schädelfraktur entspricht. Die Simulationen zeigten, dass die Belastung für die Hirnsubstanz bei schrägen Stößen zwischen Helmen von 16 % bis 51 % variierte, wobei 26% einem 50-Prozent-Risiko für eine Gehirnerschütterung entsprechen. Ein durchgehender Schwachpunkt bei allen Helmen war die wenig effektive Reduktion der Rotationsbeschleunigung: Auch wenn ein Helm den aktuellen Standards entspricht, verhindert er nicht unbedingt eine Gehirnerschütterung, so das Test-Resümee.

Immerhin drei Helme schnitten überdurchschnittlich gut ab und erhielten eine Empfehlung von Folksam: Testsieger wurde der Reithelm EQ3 Lynx von ,Back on Track’, der als einziger das Bewertungs-Score 5 (erfüllt sämtliche gesetzlichen Anforderungen und ist um 30 % besser als der Durchschnitt) erreichte. Ein Bewertungs-Score von 4 und damit das Prädikat ,Gute Wahl’  erhielten der Reithelm EQ3, ebenfalls von ,Back on Track’ sowie das Modell Ayr8 Leather Look von Charles Owen. Sowohl der Back on Track EQ3 Lynx als auch der Back on Track EQ3 sind mit MIPS (Multi-directional Impact Protection System) ausgestattet – einem speziellen System, das die Rotationsenergie aus unterschiedlichen Richtungen effektiv reduzieren soll und damit auch dem von Folksam angewendeten Testprofil am ehesten entspricht.

Was ebenfalls noch auffiel: Der Preis ist als Qualitätsmaßstab beim Helmkauf nur bedingt tauglich: Zwar schnitten die beiden günstigsten Helme im Test (zum Preis von jeweils 48,– bzw. 58,– Euro) eindeutig schlecht ab (Bewertung 1 bzw. 2) – doch auch teure oder sogar sehr teure Modelle waren vor diesem Schicksal nicht gefeit: So erreichte etwa der GPA First Lady 2X nur Bewertungs-Score 1, und das bei einem Preis von 570,– Euro. Auch das teuerste getestete Reithelm-Modell – der Kask Dogma Star Lady zum Preis von 580,– Euro – kam über Bewertung 3 nicht hinaus, war also nur Durchschnitt.

Das Resümee von Dr. Helena Stigson: „Die derzeitige europäische Zertifizierungs-Testnorm umfasst nicht die Fähigkeit der Helme, die Rotationsbeschleunigung zu reduzieren, wenn der Kopf einer Rotation aufgrund des Aufpralls ausgesetzt ist. Die vorliegende Studie belegt jedoch mit Nachdruck die Relevanz der Rotationsbeschleunigung in Verbrauchertests und gesetzlichen Anforderungen. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Rotationsbeschleunigung nach dem Aufprall bei Helmen auf dem schwedischen Markt stark variiert. Sie zeigen auch, dass es einen Zusammenhang zwischen Rotationsenergie und Belastungen in der Hirnsubstanz gibt."

Zukünftige gesetzliche Vorschriften sollten daher auch eine gute Dämpfung bei Rotationskräften vorsehen, heißt es weiter. Solange diese nicht realisiert sind, spielen unabhängige Produkttests eine wichtige Rolle bei der Information und Anleitung der Verbraucher bei der Auswahl ihrer Helme: „Das ursprüngliche Ziel der Helm-Standards war es, lebensbedrohliche Verletzungen zu verhindern – aber mit dem Wissen von heute sollte ein Helm vorzugsweise auch Hirnverletzungen vermeiden, die zu langfristigen Schäden führen können. Helme sollten so ausgelegt sein, dass sie sowohl die lineare Beschleunigung als auch die Rotationsenergie reduzieren."

Dr. Stigson sieht deshalb „ein großes Potenzial, die Reithelme sicherer zu machen“ – es wäre angesichts des riesigen weltweiten Reitsport-Marktes für die Hersteller ein lohnendes Unterfangen: Allein in Schweden sind etwa fünf Reiter pro Woche von Kopfverletzungen betroffen – und einer von neun Reitern, die eine. Gehirnerschütterung erleiden, wird langfristige Schäden davontragen, so Dr. Stigson. „Für einen Konsumenten ist es schwer zu beurteilen, was einen sicheren Reithelm ausmacht. Unser Ziel ist es, ihnen bei der Auswahl zu helfen und die Hersteller dazu zu bringen, bessere, sicherere Helme zu entwickeln. Das ist der Grund für unser Engagement bei diesen Produkttests.“

Hier eine Übersicht aller getesteten Helm-Modelle

Modell Gewicht Preis Bewertung

Back on Track EQ3 Lynx - MIPS

606 g

2.000,– kr / 193,– Euro

5 – Testsieger

Back on Track EQ3 - MIPS

610 g

1.800,– kr  / 174,– Euro

4 – Gute Wahl

Charles Owen Ayr8 Leather Look

535 g

4.200,– kr / 406,– Euro

4 – Gute Wahl

Charles Owen Wellington Classic

579 g

2.500,– kr  /241,– Euro

3

Charles Owen YR8 Sparkling

556 g

1.950,– kr / 188,– Euro

3

Kask Dogma Star Lady

649 g

6.000,– kr / 580,– Euro

3

KEP Cromo

457 g

3.750,– kr /362,– Euro

3

Uvex Perfexxion II

520 g

2.500,– kr  / 241,– Euro

3

Uvex Suxxeed Velours

550 g 4.000,– kr / 386,– Euro 3
Hansbro Riddhjälm HS Gold 529 g

1.000,– kr / 96,– Euro

2
Horka Red Horse 432 g

500,– kr / 48,– Euro

2

Samshield Shadowmatt +55W

577 g

4.100,– kr / 396,– Euro

2

Equipage Priority

633 g

1.150,– kr / 111,– Euro

1

GPA First Lady 2X

582 g

5.900,– kr / 570,– Euro

1

Horka Horsy

359 g

600,– kr / 58,– Euro

1

 

Die vollständigen Testergebnisse gibt’s hier zum Download!

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