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Drohendes Fiaker-Verbot in der Innenstadt: Ein Wiener Wahrzeichen wankt
17.10.2018 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Archiv/Petr Blaha

Erstmals hat ein prominenter Wiener Stadtpolitiker das Fiakergewerbe als Ganzes in Frage gestellt – und erstmals müssen Wiens Fiaker ernsthaft um ihre Existenz bangen. Dass es nicht soweit kommt, wird auch ihnen selbst liegen – ein Kommentar von Leo Pingitzer.


Anfang der Woche sorgte ein Bericht der ,Austria Presse Agentur’ (APA) für ein wahres Schlagzeilen-Stakkato in österreichischen Tageszeitungen: Die Bezirksvorstehung der Inneren Stadt hat in einem Schreiben an den Petitionsausschuss der Stadtverwaltung eine Reduktion der derzeit 116 Stellplatzkarten (jeweils 58 für gerade bzw. ungerade Kalendertage) für die Wiener City verlangt. Auch ein ,Auslaufen’ der Konzessionsvergaben und somit das „schrittweise Ende der Fiaker“ wäre vorstellbar, heißt es in der Petition. Begründet wurde die Forderung mit den vielfältigen Belastungen, die dem Bezirk durch die Fuhrwerke entstehen würden. Durch Hufe und Wagen würden Fahrbahn-Schäden in der Höhe von jährlich 750.000,– Euro verursacht, die von der Stadtverwaltung nur teilweise übernommen würden. Handel und Gastronomie würden durch die Exkremente der Pferde beeinträchtigt – und dies trotz der Einführung der Pooh-Bags. Der Bezirk verlange daher, dass sich die Fiakerunternehmen an den Kosten für Reinigung und Instandhaltung beteiligen. Zitat: „Es ist nicht einzusehen, warum der Bezirk diese Branche mit derart hohen Summen fördert.“ Zugleich wurde angeregt, den Einsatz von Fiakern in anderen Gebieten der Stadt zu prüfen – etwa in den weitläufigen Park- und Grünanlagen. Nicht zuletzt seien auch die ständigen Debatten rund um Fiaker und Tierschutz für das Image der Stadt Wien nicht gerade förderlich.

Der Applaus diverser Tierschutzorganisationen – die ähnliches seit Monaten nahezu wortident fordern – war Bezirksvorsteher Markus Figl sicher. So meinte Georg Prinz vom ,Verein gegen Tierfabriken’: „Wir begrüßen es sehr, dass der ÖVP-Bezirksvorsteher Mmag. Figl die Probleme des Fiakerbetriebs in der Inneren Stadt anspricht und der Bürgeriniative mit VGT-Beteiligung inhaltlich Recht gibt. Auch der Vorschlag des Grünen Tierschutzsprechers Rüdiger Maresch zur Auslagerung des Fiakerbetriebes in Grünanlagen ist ein vernünftiger Schritt in die richtige Richtung. Zusätzlich braucht es aber noch weitere Maßnahmen, wie ein Hitzefrei ab 30°, eine starke Verkürzung der Arbeitszeit und verpflichtender täglicher Auslauf auf Koppeln für alle Fiakerpferde. Langfristig muss ein ein Auslaufen der Fiaker-Konzessionen das Ziel sein.“

Auch die Organisation ,Vier Pfoten’ möchte die traditionsreichen Gespanne aus der City verbannen – u. a. in der Online-Petition „Wiener Fiakerpferde: Raus aus der Innenstadt!“, die bereits über 44.000 Unterstützer gefunden hat. Kampagnenleiterin Martina Pluda dazu: „Wir sagen ganz klar: Fiaker raus aus der Innenstadt. Und seit unserer Straßenbefragung wissen wir: Auch Bewohner des 1. Bezirks sind unserer Meinung. Das Stadtzentrum ist ein völlig unnötiger Stress für die Tiere, die Unfallgefahr ist enorm und der Fiakerbetrieb ein viel zu hoher Kostenfaktor für den Bezirk.“ Mit anderen Worten: Bezirksvorsteher Markus Figl durfte sich ziemlich sicher sein, eine populäre Forderung zu erheben, die von einer aktiven und meinungsstarken Lobby unterstützt wird.

Auf der anderen Seite waren die Wortmeldungen pro Fiaker mehr als überschaubar – und gingen im Schlagzeilen-Hagel förmlich unter. Gökhan Keskin, zuständiger Fachgruppen-Obmann der Wirtschaftskammer Wien, betonte: „Fiaker gehören zu Wien wie Schnitzel oder der Stephansdom. Die Fiaker prägen seit mehr als 300 Jahren das Wiener Stadtbild und sind eine touristische Attraktion. Die meisten Sehenswürdigkeiten, die von Wien-Besuchern von der Kutsche aus bewundert werden, sind nun mal innerhalb des Rings zu finden – eine Verbannung aus der Innenstadt ist darum abzulehnen.“ Und ÖVP-Gemeinderat und Verkehrssprecher Manfred Juraczka meinte: „Fiaker gehören zum Stadtbild Wiens. Die Wiener Stadtregierung ist daher gefordert, eine Lösung mit allen Beteiligten zu finden und Bewahrenswertes zu bewahren.“ Und er forderte die rot-grüne Stadtregierung auf, den ersten Beuzirk bei der Finanzierung des Straßenerhalts zu unterstützen: „Ein im Raum stehendes Fiaker-Verbot wäre ansonsten das Verschulden der Stadtregierung. Soweit darf es nicht kommen“, so Manfred Juraczka.

Wortmeldungen wie diese sind momentan allenfalls Schadensbegrenzung – ein echtes Gegengewicht in der öffentlichen Debatte sind sie kaum. Der Vorstoß der Bezirksvorstehung Innere Stadt ist zweifellos der bislang schwerste und folgenreichste Angriff auf eine Institution, die seit mehr als 300 Jahren zum Wiener Stadtbild gehört und als eines der bekanntesten Wahrzeichen der Bundeshauptstadt gilt. Diskutiert wird zwar seit vielen Jahren über die Wiener Fiaker – man erinnere sich nur an die endlosen Querelen rund um Betriebszeiten, Standplätze, Hitzeferien usw. – doch nun geht es erstmals nicht nur um die Gestaltung von Rahmen- und Arbeitsbedingungen, sondern um das Fiakergewerbe selbst. Mit Markus Figl stellt erstmals ein prominenter und verantwortlicher Stadtpolitiker – immerhin der Bezirksvorsteher Innere Stadt – die Pferdefuhrwerke an sich in Frage, in der City und mittelfristig auch in ganz Wien. Damit ist eine neue Qualitätsstufe erreicht, die man noch vor wenigen Jahren für völlig undenkbar gehalten hätte: Erstmals müssen die Wiener Fiakerbetriebe ernsthaft um ihre Existenz bangen – und sich jedenfalls auf harte, unbequeme Zeiten einstellen.

Es wird für sie nur ein schwacher Trost sein, dass sie damit international nicht allein dastehen: Tatsächlich wird in vielen Großstädten dieser Welt schon seit Jahren über Pferdefuhrwerke diskutiert und gestritten – und es gibt mittlerweile mehrere Metropolen, die sich von ihnen verabschiedet haben, so etwa Barcelona (im November 2017) und Montreal, dass ein Verbot seiner traditionsreichen ,caleches' per Ende 2019 beschlossen hat. In Rom dürfen die pittoresken ,botticelle' nur noch in öffentlichen Parks fahren – und sollen langfristig durch eigens entwickelte Elektrofahrzeuge ersetzt werden. In New York ist der 2014 gewählte Bürgermeister Bill de Blasio ein erklärter Gegner der Pferdefuhrwerke, konnte aber bislang keine Mehrheit für ein Verbot im Stadtrat erreichen. Auch in der deutschen Hauptstadt Berlin wird seit Jahren erbittert um die Pferdekutschen gekämpft, eine Petition für eine Abschaffung fand 2017 mehr als 100.000 Unterstützer – zu einem gänzlichen Verbot kam es aber bislang nicht.

Zentrales Argument in allen diesen Debatten ist der Schutz des Pferdewohls: Kutschen durch die Stadt zu ziehen sei nichts anderes als Tierquälerei, heißt es dann. Für Pferde sei es nicht artgerecht und nicht zumutbar, im urbanen Raum mit seinem Lärm, seinen Abgasen und seinen Gefahren zu arbeiten, und dies bei großer Kälte ebenso wie bei großer Hitze. Pferde gehören nicht in den Straßenverkehr, sondern auf eine grüne Weide, idealerweise mit Artgenossen, so ist es oft zu hören und zu lesen – und es ist ein Argument, das auch jenen einleuchtet, die sich nicht eingehend mit den Bedürfnissen und Verhaltensweisen von Pferden beschäftigt haben. Im Vergleich mit diesem Vorwurf der Tierquälerei – der noch dazu emotional stark aufgeladen ist – sind in der Tat sämtliche ,Pro-Fiaker'-Argumente wie die Erhaltung einer typisch Wienerischen Tradition oder die Erfüllung eines touristischen Bedarfs blutleer und wenig überzeugend.

Eine sachliche Diskussion über diesen speziellen Punkt ist in der Tat schwierig – weil selbst bei Experten die Meinungen darüber auseinandergehen. Dennoch werden sich die Fiaker damit verstärkt auseinandersetzen müssen – und sie sind gut beraten, sich dabei überzeugende Argumente zurechtzulegen. Selbst passionierte Pferdefreunde werden wohl zustimmen, dass der Einsatz als Fiakerpferd im städtischen Bereich anspruchsvoll und herausfordernd ist – und einem Pferd nur dann zugemutet werden kann, wenn Ausbildung, Haltung und Pflege optimal passen und es vor allem auch einen entsprechenden Ausgleich (sprich: ausgiebigen Koppelgang mit Sozialkontakten) genießen kann, um sich zu erholen und zu regenerieren.

Das ist der erste wesentliche Themenbereich, der sich weiter verbessern ließe – der zweite ist die Gestaltung der Arbeitsbedingungen selbst: So könnte man manche Routen zweifellos ,pferdefreundlicher' gestalten – und eventuell auf besonders stressige Innenstadt-Touren zumindest zu bestimmten Zeiten verzichten. Zudem ist es nur schwer einzusehen, dass trotz jahrelanger Diskussionen nach wie vor an wichtigen Stellplätzen – beispielsweise am Heldenplatz sowie am Stephansplatz – noch immer keine effektive Beschattung für die Fiakerpferde geschaffen werden konnte und diese bei Temperaturen jenseits der 30 Grad in der prallen Sonne stehen müssen. Das erzürnt nicht nur Tierschützer, sondern auch viele Touristen und Anwohner – und die Fiaker verspielen damit wertvolle Sympathien. Jedes Graben-Restaurant spannt für seine Gäste im Sommer Dutzende riesiger Sonnenschirme auf – wieso lässt sich nicht für Wiens Fiakerpferde eine ähnliche Variante entwickeln, die im Frühsommer aufgebaut und im Herbst wieder entfernt werden könnte?

Das sind – um etwas pointiert zu sagen – die ,Hausaufgaben', welche die Fiaker und natürlich auch die Stadt Wien zu erledigen haben. Wiens Fiaker werden nur dann eine Zukunft haben, wenn das Wohl des Pferdes im Zentrum steht und man alles Mögliche für seine Gesundheit und Sicherheit getan hat. Ein Hauptproblem bei alledem: Die Fiaker sind seit Jahren in der Defensive – und haben es bislang nicht geschafft, die zweifellos vorhandenen positiven Veränderungen der letzten Jahre auch in der Öffentlichkeit offensiv zu vermitteln. Sie sind zweifellos Wiener Originale – stolz und selbstbewusst, bisweilen schwer zugänglich, von rauhem Charme und scharfer Zunge – und als solche auch ein Stück altes Wien, das gerade in Gefahr gerät, aus der Zeit zu fallen, weil sich die Zeiten geändert haben. Das wäre schade und ein Verlust für Wien – es ist zu hoffen, dass es nicht soweit kommt,

meint Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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