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Erster Fall von Weidemyopathie bei neugeborenem Fohlen nachgewiesen
30.10.2018 / News

Tschechische Wissenschaftler haben den ersten Fall einer Erkrankung an atypischer Weidemyopathie bei einem neugeborenen Fohlen nachgewiesen.
Tschechische Wissenschaftler haben den ersten Fall einer Erkrankung an atypischer Weidemyopathie bei einem neugeborenen Fohlen nachgewiesen. / Symbolfoto: Irene Gams

Tschechische Wissenschaftler haben den rätselhaften Tod eines neugeborenen Fohlens untersucht – und als Todesursache die atypische Weidemyopathie nachgewiesen. Unklar ist noch, auf genau welche Weise das Fohlen erkranken konnte.

 

Die sogenannte ,atypische Weidemyopathie’ verursacht Jahr für Jahr eine beträchtliche Zahl von Todesfällen in Europa – erst vor wenigen Tagen bestätigte die Landesveterinärdirektion Salzburg, dass insgesamt 15 Pferde in Salzburg durch die schwere Erkrankung zu Tode gekommen sind (siehe unseren Bericht dazu). Die Ursache für diese lange Zeit rätselhafte Muskelerkrankung wurde erst im Jahr 2012 durch Wissenschaftler der Universität von Minnesota in St. Paul (USA) entdeckt: Auslöser ist eine abnormale Aminosäure namens Hypoglycin A bzw. deren Metaboliten (Stoffwechselprodukte) MCPA. Hypoglycin A – kurz HGA genannt – kommt in den Samen des Eschen-Ahorns (Acer Negundo) vor und führt zu einer massiven Schädigung der aeroben Muskelfasern, die in der Mehrzahl der Fälle tödlich endet – man geht von einer Todesrate zwischen 70 und 90 % aus. Wie man wenig später herausfand, findet sich der Giftstoff HGA auch in den Samen und den Sprösslingen des Bergahorns (Acer pseudoplatanus), der in Europa weit verbreitet ist.

Tschechische Wissenschaftler haben vor wenigen Tagen eine Studie veröffentlicht, in der erstmals ein Fall von atypischer Weidemyopathie bei einem neugeborenen Haflinger-Fohlen beschrieben wurde. Das Stutfohlen war voll ausgetragen worden und kam zum errechneten Geburtszeitpunkt zur Welt. Es stand auf, trank bei seiner Mutter und zeigte nach Auskunft seines Besitzers keinerlei abnormales Verhalten oder Symptome einer Beeinträchtigung. Etwa sechs Stunden nach der Geburt waren jedoch Anzeichen von Niedergeschlagenheit und Schwäche zu beobachten, weshalb der Tierarzt gerufen wurde. Aufgrund des Verdachts einer Vergiftung wurde dem Besitzer der Transport des Fohlens in eine Pferdeklinik empfohlen, was dieser jedoch aus finanziellen Gründen ablehnte. Eine Blutprobe wurde entnommen und für eine umfassende Analyse ins Labor gebracht. 12 Stunden nach der Geburt konnte das Stutfohlen nicht mehr auf eigenen Beinen stehen und musste mit der Flasche gefüttert werden. Weil sich sein Zustand dramatisch verschlechterte, wurde es nach 16 Stunden eingeschläfert.

Wie sich bei einer späteren Rekonstruktion bzw. einer nachträglichen Analyse des Falles herausstellte, war bei der Mutter des Fohlens im 6. Trächtigkeitsmonat eine leichte Form der atypischen Weidemyopathie mit schwachen klinischen Symptomen festgestellt worden, die es jedoch gut überstanden hatte. Zum Zeitpunkt der Geburt graste die Stute auf einer Weide in der Nähe von Bergahorn-Bäumen, war jedoch frei von klinischen Anzeichen der Erkrankung. Die Analyse des Blutes des Fohlens zeigte tatsächlich erhöhte Konzentrationen von Acylcarnitinen und MCPA-Carnitin, wie sie für Pferde, die an atypischer Weidemyopathie erkrankt sind, typisch und charakteristisch sind.

Noch ist unklar, auf genau welchem Weg sich das Fohlen die Krankheit zugezogen hat. Nach Angaben der Wissenschaftler kommen dafür zwei mögliche Theorien in Betracht: Entweder ist 1) der Wirkstoff Hypoglyzin A bzw. seine in der Plazenta der Stute akkumulierten Stoffwechselprodukte (Metaboliten) noch im Mutterleib in den Fötus gelangt oder es wurden 2) diese Verbindungen erst nach der Geburt über die Muttermilch auf das Fohlen übertragen. Welche der beiden Theorien zutrifft, müssen weitere Untersuchungen klären, so die Forscher abschließend: „Dies ist unseres Wissens der erste gemeldete Fall von atypischer Weidemyopathie bei einem neugeborenen Fohlen. Weitere Studien, die sich mit der Ausscheidung von HGA- und MCPA-Verbindungen in das Kolostrum oder dessen Transport durch die Plazenta befassen, sind erforderlich, um die Ursachenkette, die zu dieser Erkrankung geführt hat, zu verifizieren.“

Die Untersuchung „Newborn foal with atypical myopathy“ von Radana Karlíková, Jitka Široká, Marek Mech, David Friedecký, Hana Janečková, Lucie Mádrová, Františka Hrdinová, Zuzana Drábková, Olga Dobešová, Tomáš Adam und Petr Jahn ist am 14. September 2018 im ,Journal of Veterinary Internal Medicine’ erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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