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Fall Hefenhofen: Tiequälerei-Skandal hat keine personellen Konsequenzen
02.11.2018 / News

Jahrelang mussten die Tiere am Skandalhof von Ulrich K. unsägliche Leiden über sich ergehen lassen, ohne dass die Behörden effektiv eingegriffen haben.
Jahrelang mussten die Tiere am Skandalhof von Ulrich K. unsägliche Leiden über sich ergehen lassen, ohne dass die Behörden effektiv eingegriffen haben. / Foto: Verein gegen Tierfabriken Schweiz

Am 31. Oktober veröffentlichte die von der Thurgauer Regierung eingesetzte Untersuchungskommission ihren Abschlussbericht zum sogenannten ,Fall Hefenhofen’, dem größten Tierquälerei-Skandal der Schweizer Geschichte. Er bestätigt ein umfassendes Versagen der Behörden, personelle Konsequenzen gibt es aber nicht.

 

Der „Fall Hefenhofen“ – der größte und zweifellos auch spektakulärste Fall von Tierquälerei in der Schweizer Geschichte – hat im Vorjahr europaweit für Aufsehen gesorgt. Nach der Anzeige einer früheren Mitarbeiterin, welche die grauenvollen Vorgänge auf dem Hof des Landwirts Ulrich K. in Hefenhofen dokumentiert und der Polizei zur Kenntnis gebracht hatte, kam es am 7. August 2017 zur behördlichen Zwangsräumung des Anwesens. Mit Unterstützung der Schweizer Armee wurden dem Landwirt 93 Pferde, rund 50 Kühe, 80 Schweine, Ziegen und Schafe sowie 4 Lamas abgenommen. Fünf Tiere müssen eingeschläfert werden, weil sie nicht transportfähig sind, auch ein Drittel der Schweine muss verletzungs- oder krankheitsbedingt geschlachtet werden.

Der aufsehenerregenden Zwangsräumung war ein jahrelanges Katz- und Maus-Spiel Ulrichs K. mit den Behörden vorausgegangen – die dem renitenten, auch vor Drohungen und Gewalt nicht zurückschreckenden Hofbesitzer niemals Herr wurden. Auch die längst überfällige Räumung des Anwesens wäre wohl ohne den großen Druck von Medien, Öffentlichkeit und Tierschutzorganisationen nicht in dieser Form durchgeführt worden. Die Untätigkeit, ja, die Hilflosigkeit der Behörden wurde – neben dem bisweilen barbarischen Treiben des verurteilten Tierquälers – zu einem Hauptkritikpunkt in diesem Fall und war auch der zentrale Gegenstand der Aufarbeitung durch die von der Thurgauer Regierung eingesetzten Untersuchungskommission.

Diese sollte herausfinden, was alles schiefgelaufen war im ,Fall Hefenhofen’ – und vor allem: warum. Dafür leisteten die Kommissionsmitglieder umfangreiche Arbeit. Insgesamt 46 Aktenordner wurden aus den verschiedensten Behörden zusammengetragen, analysiert und aufgearbeitet, dazu gab es 49 ausführliche Befragungen von Behördenvertretern und Privatpersonen – dies alles um herauszufinden, wie es möglich war, dass ein Mann über nahezu 15 Jahre hinweg die Behörden narren, täuschen und einschüchtern und sogar ein rechtskräftiges Tierhalteverbot ignorieren konnte.

Der nunmehr vorgelegte Abschlussbericht bestätigt das Multi-Organ-Versagen des Staates auf breiter Front: „Gesamthaft gab es in diesem Fall eine ganze Reihe von Fehlern taktischer, strategischer und rechtlicher Art“, heißt es darin. „Der Grundfehler bestand darin, dass Differenzen nicht wirklich zu Boden diskutiert und den zuständigen Departementchefs unterbreitet worden waren, sondern die Behörden – trotz verschiedener Koordinationsorgane – in ihren Silos gfangen waren, wodurch ein kritisch-konstruktiver Austausch erschwert wurde. Dem Gesamtregierungsrat war zu wenig bewusst, dass er durchaus Steuerungsmöglichkeiten gehabt hätte.“ Mit anderen Worten: Es mangelte an Koordination und Abstimmung zwischen den involvierten Behörden – und letztlich auch am Willen, von den rechtlich vorhandenen und auch zulässigen Sanktionsmöglichkeiten entschlossen Gebrauch zu machen.

Es gab – so kann man diese zentrale Schlussfolgerung durchaus interpretieren – somit nicht nur ein ,institutionelles’ Versagen, sondern auch ein ,menschliches’ Versagen in dem Sinne, dass leitende Beamte ihre Führungsverantwortung nicht wahrgenommen haben, Entscheidungen verschoben oder abgemildert und so Ulrich K. immer wieder ermöglicht und – wenn auch unbewusst und unabsichtlich – wohl sogar dazu ermutigt haben, mit seinem Treiben fortzufahren. Statt klare Vorgaben zu erteilen und diese strikt durchzusetzen, gingen die Behörden einer offenen Konfrontation stets aus dem Weg, setzten auf Mediation und taten letztlich alles, um eine Eskalation zu vermeiden. Dies hat Hofbesitzer Ulrich K. wohl sehr früh durchschaut und für sich zu nützen gewusst – und die Behörden so jahrelang vor sich hergetrieben.

Dass er dabei weder vor Einschüchterungen, noch vor Drohungen und auch nicht vor roher Gewalt zurückschreckte, kann man im Schlussbericht mehrfach nachlesen. Manche Passage liest sich dabei wie das Skript eines schlechten Horrorfilms, wenn etwa der fatal misslungene Versuch der Behörden geschildert wird, ein verletztes Fohlen direkt auf dem Hof zu beschlagnahmen: „Ihm gelang es, trotz Polizeipräsenz ein Bolzenschussgerät zu behändigen, das Fohlen zu töten, es zu entbluten und mit dem dafür benutzten Messer vor den Amtstierarzt zu treten. Auch der abwesende Chef des Veterinäramts wurde beschimpft und bedroht mit den Worten, er wisse schon, wie er diesen um die Ecke bringen könne, das werde er nicht selber machen, sondern fünf Rumänen 1000 Franken in die Hand drücken. Ausserdem sitze ihm das Messer relativ locker in der Hand. Die Beschlagnahmung des toten Tieres erfolgte dann über die Staatsanwaltschaft, wobei offensichtlich niemand auf Platz wirklich verstand, was die Staatsanwaltschaft angeordnet hatte, weshalb die Beteiligten unverrichteter Dinge den Hof verliessen. Das Polizeijournal schliesst: „Somit verliessen wir den Hof nach 4 Stunden ohne etwas. Den Erhalt des Herausgabebefehls unterzeichnete U.K. mit einem grossen Lachen.

Die Leidtragenden bei all dem waren die zahlreichen Tiere auf Ulrich K. Hof, die in all diesen Jahren unsägliche Leiden über sich ergehen lassen mussten, ohne dass die Behörden effektiv eingegriffen und zu ihrem Schutz gehandelt haben. Dies ist es auch, was Schweizer Tierschützer an dem Fall so empört und bestürzt. Ihre Kritik richtet sich insbesondere gegen den zuständigen Kantonstierarzt Paul Witzig und gegen Regierungsrat Walter Schönholzer – deren Fehler und Versäumnisse der abschließende Untersuchungsbericht detailliert auflistet. Personelle Konsequenzen gibt es jedoch nicht – beide bleiben im Amt, was bei Tierschützern und auch einigen Medien auf völliges Unverständnis stößt. Die von der Thurgauer Regierung angekündigten organisatorischen Verbesserungen – Einführung eines Monitorings über laufende Verwaltungsverfahren, mehr Personal für das Veterinäramt, eine effizientere Kommunikation zwischen den Behörden und eine stärkere Einbeziehung der Medienstelle – werden als nicht ausreichend eingeschätzt.

Besonders pointiert bringt die Kritik der Präsident des Vereins gegen Tierfabriken Schweiz, Dr. Erwin Kessler, zum Ausdruck: „Die von der Regierung angekündigten organisatorischen Verbesserungen sind nichts als ein grosses Blabla und werden nichts bewirken, weil die verantwortlichen unfähigen Personen  (Kantonstierarzt Witzig, Departements-Chef Regierungsrat Schönholzer) weiterhin auf ihren Posten bleiben, gedeckt und beschützt vom geschlossen zusammenklebenden Thurgaue Politfilz. Unfähigkeit kann nicht organisatorisch kompensiert werden. Der Verwaltung standen schon bisher genug Instrumente zur Verfügung, um einen solchen Querulanten in die Schranken zu weisen (so der Schlussbericht); diese wurden aber vorsätzlich nicht genutzt. Nach Hefenhofen geht der Nichtvollzug des Tierschutzgesetzes durch Witzig und Schönholzer weiter, trotz den ,beschlossenen Massnahmen'."

Den vollständigen Abschlussbericht der Untersuchungskommission kann man hier nachlesen.

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