News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Was den OEPS an der Virtual Dressage Tour wirklich ärgert …
10.11.2018 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Petr Blaha

Der Österreichische Pferdesportverband hat diese Woche ein bemerkenswertes Statement auf seiner Website veröffentlicht, in dem er kategorisch mitteilt, dass er die heuer ins Leben gerufene ,Virtual Dressage Tour' (kurz VDT) „strikt" ablehnt. Aber warum? Ein Kommentar von Leo Pingitzer.

 

Die ,Virtual Dressage Tour' bietet die Möglichkeit, Dressuraufgaben zuhause am heimatlichen Viereck zu reiten, auf Video aufzunehmen und dieses durch eine Fachjury beurteilen zu lassen – ohne dass man auf ein Turnier fahren muss. Es soll eine Ergänzung bzw. Vorstufe – kein Ersatz! – zum Turniersport sein und bietet insbesondere Einsteigern, Freizeitreitern und Reitbeteiligungen einen Leistungsvergleich ohne Stress, Transport und hohen Kosten: eine wunderbare, smarte und innovative Idee, die auch ProPferd in einem ausführlichen Beitrag vorgestellt hat und die bei vielen in der Szene auch sehr gut ankommt.

Gänzlich anderer Meinung ist, wie wir nun lesen, der OEPS. Der bezeichnet in einem offiziellen Statement die ,Virtual Dressage Tour' als „nicht regelkonform" und wendet sich entschieden gegen das neue Format. Nur: Die Argumente, die er dabei ins Treffen führt, sind nicht wirklich überzeugend, wie eine kurze Analyse ergibt. So lehnt der OEPS die VDT u. a. deshalb ab, weil ...

– „die Inhalte der Ausschreibungen den Vorschriften der Österreichischen Turnierordnung (ÖTO) bzw. den Richtlinien des OEPS widersprechen"; Der VDT-Veranstalter hat nie etwas Anderes behauptet – eben deshalb ist die ,Virtual Dressage Tour’ auch keine Alternative oder Konkurrenz, sondern allenfalls eine Ergänzung bzw. Vorstufe zum regulären Turniersport.

– „tierschutzrechtliche Komponenten wegen der fehlenden Pferde-, Pferdepass-, Impf- und Dopingkontrollen nicht gewährleistet bzw. überprüfbar sind"; Da die Ritte im heimatlichen Stall bzw. Verein stattfinden, sind natürlich auch sämtliche turnierbezogenen Kontrollen bzw. Impfvorschriften überflüssig bzw. gar nicht möglich. Jeder Reiter bzw. Pferdebesitzer ist selbstverständlich für das Wohlergehen seines Pferdes selbst verantwortlich.

– „die Beurteilung von nicht ausgebildeten und vom OEPS anerkannten Richtern/innen durchgeführt werden, sondern von Personen, die keine Richterbefugnis haben, überhaupt anonym bleiben und auch deren Qualifikationen nicht nachvollziehbar sind"; Auch das hat der VDT-Veranstalter nie anders dargestellt. Lt. dessen Auskunft erfolgt die Beurteilung durch Experten aus dem Ausbildungsbereich, sprich: durch Trainer und/oder erfahrene Turnierreiter, die diese Idee unterstützen und durch ihre Beurteilungen und ihr Feedback zu einem allgemein besseren Reitniveau beitragen möchten. Dass dies anonym erfolgt, kann man kritisieren, es gibt aber auch gute Argumente dafür. Entscheidend ist die Qualität der Protokolle und Empfehlungen – und nicht, von wem diese stammen.

– „ein „echtes“ Ergebnis unwahrscheinlich ist, da die Ritte nicht wettbewerbsmäßig unter gleichen Bedingungen durchgeführt werden und Qualifikationen der Reiter (Lizenzstufen) kaum berücksichtigt werden"; Es geht bei der VDT eben nicht vorrangig um ,wettbewerbsmäßige' Bedingungen oder um das Erobern einer Platzierung, sondern um eine ehrliche Standortbestimmung und ein Feedback durch Dritte. Eine Differenzierung hinsichtlich der Teilnehmer-Qualifikation erfolgt sehr wohl  – und zwar in fünf Stufen von ,Easy’ bis ,Professional’.

– „die erzielten Ergebnisse für eine Lizenzhöherreihung der ReiterInnen nicht herangezogen werden können, daher hierfür wertlos sind"; Auch das wurde von den VDT-Veranstaltern nie behauptet – diese haben stets klargestellt, dass ihr Angebot keine Verbands-Mitgliedschaft, keine Turnierpferderegistrierung etc. voraussetzt und die Ergebnisse daher selbstverständlich auch nicht für das OEPS-Lizenzsystem anrechenbar sind, worauf in den Teilnahmebedingungen auch explizit hingewiesen wird.

– „die „Virtual Dressage Tour“ irrtümlich mit einem Turnier oder einer „turnierähnlichen Veranstaltung“ des OEPS verwechselt werden kann". Ganz ehrlich: Der einzige, der hier etwas hartnäckig verwechselt, ist der OEPS ...

Auf den Punkt gebracht: Keines dieser Argumente kann man den Veranstaltern der VDT wirklich zum Vorwurf machen. Man fragt sich, welches Problem der OEPS mit der ,Virtual Dressage Tour' hat und was hinter seiner vehementen Ablehnung wirklich steckt? Sind es tatsächlich, wie auch der OEPS anführt, die „zahlreichen Proteste aus der Veranstalter- und Reiterszene an den OEPS"? Das ist jedenfalls nicht auszuschließen. Die Stimmung unter den Veranstaltern ist – wie ProPferd schon mehrmals dargelegt hat – tatsächlich schlecht, und das mit gutem Grund: Die Turnierszene stagniert seit Jahren, vor allem im Springen sind die Zahlen alarmierend. 2017 gab es lt. OEPS-Statistik nur noch 62.211 Turnierstarts in dieser Sparte – nachdem es im Jahr 2008 noch 85.218 waren, ein Rückgang von mehr als 25 % innerhalb von zehn Jahren. Es wäre nicht verwunderlich, wenn angesichts solcher Zahlen die Stimmung gereizt ist ...

Dabei hat sich der OEPS – wie er auch offen zugibt – selbst aus dem Spiel genommen und die „von den Veranstaltern der ,Virtual Dressage Tour' angestrebte Zusammenarbeit mit dem OEPS" von sich aus abgelehnt. Das bestätigen auch die VDT-Veranstalter auf Nachfrage: Es habe im April eine entsprechende Sitzung gegeben – und wollte dort die ,Virtual Dressage Tour' gemeinsam mit dem OEPS auf die Beine stellen: Die Beurteilung der Ritte sollte durch offizielle OEPS-Richter erfolgen, die Teilnahme wäre nur für OEPS-Vereinsmitglieder möglich gewesen und hätte dem Verband so auch zusätzliche Mitglieder bringen können. Das wollte man nicht – nun hat man den Salat.

Der wahre Grund für die so vehemente Ablehnung der ,Virtual Dressage Tour' liegt  – so darf vermutet werden – ganz woanders: Der OEPS verdient an der VDT nichts – und das ist natürlich aus seiner Sicht in hohem Maße ärgerlich. Doch es kommt noch schlimmer: Der OEPS hat bei der VDT auch nichts mitzureden – und er hat auch, wie es aussieht, kein wirkungsvolles Instrument, um seine Interessen durchzusetzen, und das ist für einen so mächtigen und machtbewussten Sportmonopolisten eine schmachvolle Erfahrung, die er erst verarbeiten muss. Und diese Schmach ist – so darf weiter vermutet werden – auch der wahre Grund für den nun erfolgten medialen Rundumschlag gegen die VDT: Der OEPS hat schlicht seinem Ärger Luft gemacht – was auch völlig in Ordnung ist, solange man dabei ehrlich bleibt und sich redlicher Argumente bedient.

Damit aber tut sich der OEPS offensichtlich schwer – und hat sich sogar dazu verstiegen, die ,Virtual Dressage Tour' als „nicht pferdegerecht" zu bezeichnen (so lautete die Artikel-Überschrift in der ersten Fassung, die später korrigiert wurde, jedoch ohne Anmerkung oder Entschuldigung). Noch immer wird behauptet, dass das Wohl der Pferde „dort nicht garantiert werden" könne – was völlig absurd und unakzeptabel ist: Auch auf einem Turnier kann der OEPS zwar vieles vorschreiben, aber nichts garantieren – dazu müsste er wohl pro Teilnehmer einen Steward abstellen, der ständig auf ihn und seine Pferde aufpasst. Und es würde auch keine Doping- und sonstigen Vergehen geben, die natürlich trotz aller Kontrollen und Bemühungen immer wieder vorkommen können. Im Leben gibt es eben keine Garantien, und schon gar nicht auf einem Turnier – den VDT-Veranstaltern vorzuwerfen, dass sie das Pferdewohl nicht garantieren können, ist schlicht und einfach unfair und wäre im Fußball ein böses Foul.

Dass dies auch von den allermeisten Reiterinnen und Reitern so gesehen wird, zeigen die bisherigen Reaktionen in den sozialen Medien auf das OEPS-Statement. Wieso es nicht pferdegerecht sein soll, wenn man seinem Pferd den ganzen Turnier- und Transportstress erspart und seine Prüfung zuhause am Viereck vor der Videokamera absolviert, will niemand so richtig verstehen – für die allermeisten ist im Gegenteil die VDT sogar eine besonders pferdefreundliche Variante, ein fachliches Feedback und weitere Tipps für ihr Training zu bekommen. Um im vorhin zitierten Bild zu bleiben, hat sich der OEPS mit seinem apodiktischen Statement vermutlich ein Eigentor geschossen – und ungewollt  Werbung für die ,Virtual Dressage Tour' gemacht. Das zeigen nicht nur viele Postings und Kommentare, sondern auch die Zugriffe auf die VDT-Website, die lt. Auskunft der Betreiber „durch die Decke" gegangen sind. Man habe heuer bereits Teilnehmer aus acht Nationen bei der ,Virtual Dressage Tour' begrüßen können – und sei gerade dabei, die gesamte Website auch in englischer Sprache anzubieten.

Wie es aussieht, haben die Initiatoren der ,Virtual Dressage Tour' eine wirklich gute, smarte und zeitgemäße Idee gehabt, die ihren Weg machen wird – auch wenn es dem OEPS nicht passt. Wie sagte doch einst der große Victor Hugo: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist." Mögen sich die wackeren VDT-Veranstalter an diesem starken Satz auch in stürmischen Zeiten festhalten, meint
Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
2) Moonlight59: ... und wirklich ärgerlich ist es auch, dass man die Bewerter nicht kennt, daher auch nicht beeinflussen oder anfüttern könnte - sofern das jemals irgendwer beabsichtigt hätte. Man könnte trefflich auf vielerlei Art und Weise schummeln, aber eben - WOZU? Wenn es keine höheren Weihen in der Lizenz-Hierarchie bringt, keine langweiligen Siegerehrungen und peinlichen Ehrenrunden... nur nützliches Feedback, sachliche Anregungen und das Bewusstsein, dass man um der Kunst Willen geritten sei? Das kann, nein, das DARF nicht genug sein! Ohne einen Staubfänger aus Buntmetall als Lohn der Angst, der bald in die Schachtel am Dachboden wandert; ohne die unverbindlichen G satzeln im Protokoll, aus denen man kaum schlauer wird; ohne die enormen Ausgaben für jede Kleinigkeit und ein paar Hundert Kilometer Fahrt, den ganzen Papierkram und Formalismus und die gestressten Veranstalter und Pferde... Nein - ohne all das ist doch der ganze Reitsport, die Pferdeausbildung wirklich nicht denkbar, fast sinnlos - oder sehe ich das falsch?
Montag, 31. Dezember 2018
1) Kaninchen: Was für eine super Alternative gegen die so kostenreichen Turniere. Zu Aussagen von Profis, wer sich Turnierreiten nicht leisten kann, hat auf einem Turnierviereck nichts verloren... Na dann, VDT: zeigt, dass es auch anders funktionieren kann. Viel Erfolg!!!
Samstag, 10. November 2018
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen