OÖ Verwaltungsgericht hebt Bescheid für Wolf-Vergrämungen auf 23.11.2018 / News
Die in OÖ bewilligten Vergrämungsmaßnahmen gegen Wölfe waren nicht ausreichend begründet, urteilte das OÖ Verwaltungsgericht. / Symbolfoto: Fotolia/jimcumming88
Die von der OÖ Landesregierung Ende August bewilligten Maßnahmen zur Vergrämung von Wölfen wurden nach der Beschwerde von Umwelt- und Tierschützern nun vom OÖ Landesverwaltungsgericht aufgehoben.
Die Marktgemeinde Liebenau hatte Ende August bei der Oö. Landesregierung einen Antrag auf Bewilligung von Vergrämungsmaßnahmen gegen Wölfe gestellt. Hintergrund waren vermehrte „Sichtungen" und „Vorfälle“ im Zusammenhang mit dem Wolf. Die OÖ Landesregierung bewilligte daraufhin unter Bedingungen, Befristungen und Auflagen die Vergrämung des Wolfes per Bescheid vom 29. August 2018. Für die Vergrämung konnten u.a. Schreckschussmunition und Signalpatronen von dazu berechtigten Jägerinnen und Jägern sowie Licht oder Lärm von betroffenen Grundstückseigentümern eingesetzt werden. Zu gewährleisten war, dass das Leben oder die Gesundheit der beschossenen Wölfe nicht gefährdet würde. Überdies war jeder Einsatz zu protokollieren. Die Maßnahmen wurden bis zum 31.12.2019 befristet (siehe auch unseren ausführlichen Artikel dazu). Bereits zuvor hatte die NÖ Landesregierung derartige Vergrämungen in einigen niederösterreichischen Gemeinden erlaubt.
Gegen diesen Bescheid erhoben Umwelt- bzw. Tierschutzorganisationen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und beantragten die Aufhebung. Im Wesentlichen wurde darin vorgebracht, dass die Voraussetzungen für die Ausnahmebewilligung nicht vorliegen würden, dem Bescheid mangelnde Erhebungen der Behörde sowie fehlendes Datenmaterial zugrunde lägen und fehlende Maßnahmen zum Monitoring und Reporting vorgesehen wären.
Diesen Argumenten folgte nun das OÖ Landesverwaltungsgericht weitgehend – und hob den Bescheid wegen Mangelhaftigkeit auf. In einer Mitteilung des Gerichts heißt es dazu: „Das behördliche Ermittlungsverfahren war für die Bewilligung von Vergrämungsmaßnahmen nicht ausreichend. Genaue Angaben über Zeitpunkte und Ort der Sichtung, Abstand zu bewohnten Gebäuden, etc. wurden nicht erhoben. Auch die Stellungnahme des Wolfsbeauftragten weist auf die fehlenden Daten und Feststellungen hin und enthält lediglich eine vage Einschätzung. Weiters wurde pauschal allen Grundstückseigentümern der Gemeinde die Möglichkeit eingeräumt, den Wolf zu vergrämen. Die Sache war daher zur Durchführung weiterer Ermittlungen und einer neuerlichen Entscheidung über den Antrag der Marktgemeinde Liebenau an die Oö. Landesregierung zurückzuverweisen."
Eine Stellungnahme der OÖ Landesregierung zu diesem Urteil liegt bislang noch nicht vor.
Der genaue Wortlaut der Entscheidung kann hier abgerufen werden.
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Neue Wolfsrisse in NÖ, Wolf von Pferdekoppel vergrämt 05.10.2018 / News
Der Wolf breitet sich weiter in Niederösterreich aus – und ist neuerlich vor den Toren Wiens aufgetaucht. / Foto: Fotolia-VK
Ein Wolf hat in der Gemeinde St. Andrä-Wördern im Bezirk Tulln fünf Ziegen und zwei Schafe gerissen, in Klosterneuburg besteht ebenfalls der Verdacht auf eine Wolfsattacke, hier sind sieben Schafe ums Leben gekommen. Die NÖ Landesregierung hat die erste erfolgreiche Vergrämung eines Wolfs gemeldet.
Der Wolf nähert sich Wien – was für manche wie eine Drohung klingt, ist nach jüngsten Informationen der NÖ Landesregierung mittlerweile Realität: Wie die Abteilung für Forstwirtschaft bekanntgab, handelt es sich beim Fall des vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Risses von fünf Ziegen und zwei Schafen in Hadersfeld, Gemeinde St. Andrä-Wördern (Bezirk Tulln) definitiv um eine Wolfsattacke, das haben die Ergebnisse der von der Veterinärmedizinischen Universität vorgenommenen DNA-Probe bestätigt. Die Ergebnisse zeigen, dass es sich um einen Wolf handelte, der aus der italienischen bzw. Westalpen-Population stammt. Weitere Genotypisierungen sollen zeigen, ob das Individuum bereits bekannt ist – und möglicherweise mit jenem Wolf ident ist, der im Juni in einem Pferdebetrieb in Mauerbach drei Schafe getötet hatte (siehe unseren ausführlichen Bericht dazu).
Neue Verdachtsfälle in Klosterneuburg und Bad Großpertholz
Dass der Wolf endgültig vor den Toren Wiens angekommen ist, legt auch ein weiterer Verdachtsfall nahe, der derzeit untersucht wird: In einem gezäunten Gehege in Kritzendorf, Stadtgemeinde Klosterneuburg (Bezirk Tulln), sind insgesamt sieben Schafe (fünf Lämmer und zwei Mutterschafe) gerissen wurden. Experten der Veterinärmedizinischen Universität sind bereits dabei, DNA-Proben zu analysieren, um einwandfrei festzustellen, ob es sich dabei tatsächlich um Wölfe gehandelt hat. Ebenfalls untersucht wird ein Verdachtsfall in der Marktgemeinde Bad Großpertholz (Bezirk Gmünd), bei dem in einem Gehege mehrere Mufflons gerissen wurden. Ein Ergebnis liegt in beiden Fällen noch nicht vor.
Erste erfolgreiche Vergrämung
Zudem bestätigte die NÖ Landesregierung auch die erste gelungene Vergrämung eines Wolfes gemäß eines hiefür ausgestellten Bescheides: Der Wolf wurde im Nahebereich einer Pferdekoppel mittels Gummigeschoss erfolgreich in die Flucht geschlagen. Die Maßnahme gilt unter Experten als umstritten und wurde erst am 20. September dieses Jahres durch eine Änderung des NÖ Jagdgesetzes ermöglicht: Seither können die Bezirkshauptmannschaften Jagdausübungsberechtigten Aufträge für eine raschere und effektivere Regulierung der Wolfsbestände und den Umgang mit Problemwölfen erteilen: Diese reichen von der Vergrämung (z. B. durch Schreckschussmunition, Gummigeschosse, Signalpatronen etc.) über Fang und Betäubung bis hin zum Abschuss von gefährlich gewordenen Wölfen. Taucht ein sogenannter „Problemwolf“ – etwa in der Nähe von Siedlungen oder landwirtschaftlichen Betrieben – auf, muss das der Gemeinde gemeldet werden. Danach landet der Fall bei der Bezirksverwaltung, sprich: den Bezirkshauptmannschaften, die durch ein Expertengremium festlegen, wie weiter mit dem Tier verfahren werden soll und welche Maßnahmen zur Anwendung kommen (siehe auch unseren ausführlichen Artikel dazu).
Auch Pferde und Fohlen gefährdet
Der Vormarsch des Wolfes in NÖ sei kein Zufall, sondern auf die in NÖ vergleichsweise günstigen Verbreitungsbedingungen zurückzuführen, wie Daniel Heindl von der NÖ Landwirtschaftskammer und Vorsitzender der ARGE Wolf gegenüber dem ,Kurier’ bestätigte: „Es ist Wunschdenken, dass sich Wölfe nur in Nationalparks aufhalten. Wölfe können gut in Kulturlandschaften leben und sich fortpflanzen, auch in dicht bewohnten Gebieten. Sie brauchen nur Rückzugsorte für die Aufzucht der Welpen, mit allem anderen können die Tiere gut umgehen und damit leben.“ Der Wienerwald mit seinen vielen Wäldern, der Bezirk Tulln oder gar der Nationalpark Donau-Auen würden dafür gute Voraussetzungen bieten, so Heindl weiter. Im Großraum Wien seien nach seiner Einschätzung nicht nur Schafe potenzielle Opfer, sondern auch Pferde und insbesondere Fohlen gefährdet.
Nach Darstellung des ,Kurier’ hat es in diesem Jahr bereits 55 Wolfsrisse in Niederösterreich gegeben – die meisten davon im Waldviertel, einen in Waidhofen/Ybbs sowie drei im Großraum Wien (Mauerbach, St. Andrä-Wördern sowie die aktuellen Verdachtsfälle in Klosterneuburg).
21.09.2018 - Neues NÖ Jagdgesetz ermöglicht Abschuss von Problemwölfen
Neues NÖ Jagdgesetz ermöglicht Abschuss von Problemwölfen 21.09.2018 / News
In Niederösterreich leben derzeit ca. 20 bis 30 Wölfe in zwei Rudeln – die Tendenz ist steigend ... / Symbolfoto: Fotolia/jimcumming88
Der NÖ Landtag hat gestern eine Änderung des Jagdgesetzes beschlossen, mit der die rechtlichen Voraussetzungen für einen besseren Schutz vor Wölfen geschaffen wurden – von der Vergrämung bis zum Abschuss von Problemtieren.
Der NÖ Landtag hat am Donnerstag (20. Sep.) die Änderung des Jagdgesetzes beschlossen, die eine effizientere Regulierung der rasch wachsenden Wolfpopulation in NÖ gewährleisten soll. Der im Landwirtschaftsausschuss erarbeitete Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ mit großer Mehrheit beschlossen – Grüne und NEOS stimmten dagegen.
Geändert wurde der Paragraf 100a des NÖ Jagdgesetzes, wodurch künftig die Bezirkshauptmannschaften Jagdausübungsberechtigten Aufträge für eine raschere und effektivere Regulierung der Wolfsbestände und den Umgang mit Problemwölfen erteilen können: Diese können von der Vergrämung (z. B. durch Schreckschussmunition, Gummigeschosse, Signalpatronen etc.) über Fang und Betäubung bis hin zum Abschuss von gefährlich gewordenen Wölfen reichen. Taucht ein sogenannter „Problemwolf“ – etwa in der Nähe von Siedlungen oder landwirtschaftlichen Betrieben – auf, muss das der Gemeinde gemeldet werden. Danach landet der Fall bei der Bezirksverwaltung, sprich: den Bezirkshauptmannschaften, die durch ein Expertengremium festlegen, wie weiter mit dem Tier verfahren werden soll und welche Maßnahmen zur Anwendung kommen. Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf von der ÖVP stellte im Vorfeld klar, dass der Abschuss – wie schon bisher – nur als „letztes Mittel“ zum Einsatz kommen könne und von einer generellen Ermächtigung zur sogenannten „Entnahme“ nicht die Rede sein kann.
Schon im Vorfeld des Beschlusses, aber auch in der gestrigen Debatte kam es zu heftigen Meinungsdifferenzen zwischen Gegnern und Befürwortern der Neuregelung. Dr. Helga Krismer-Huber von den Grünen sagte, sie finde es bezeichnend, dass im NÖ Jagdgesetz die Jäger den Wolf abschießen sollen. Es gebe deutsche Bundesländer, die das im Naturschutzgesetz regelten. Mit der heutigen Entscheidung tue man den Jägern in Niederösterreich nichts Gutes. Man polarisiere hier ganz bewusst und schüre hier Ängste. Die Wölfe durchstreiften, ob man wolle oder nicht, Niederösterreich. Man werde sich überlegen müssen, wie Mensch, Tier, Landwirtschaft und Jagd miteinander auskämen. Man habe heute eine Situation, dass Landwirte überrascht seien und wenig Unterstützung bekommen hätten. Die Entscheidung heute sei aus ihrer Sicht eine falsche Entscheidung.
Franz Mold von der ÖVP verteidigte hingegen die Gesetzesänderung, mit der man auf die zunehmende Ausbreitung des Wolfes in NÖ reagieren musste. Der Wolf komme mittlerweile ganz nahe an Häusern und Siedlungen, Schafe seien gerissen worden. Der Wolf sei eine Gefahr für die Menschen in der Region und eine Gefahr für die Landwirtschaft, und der Wolf sei auch ein Schaden für den Tourismus in der Region. Die Tierart sei nicht vom Aussterben bedroht. Daher müsse es legitim sein, dass zur Abwendung von Schäden der Bestand reguliert werden könne. Der Schutz der Menschen müsse Priorität haben. Es müssten jetzt Maßnahmen ergriffen werden. Es gehe nicht um einen Freibrief zum Schießen, sondern es gehe um einen Kriterienkatalog, wann welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, so Mold.
Reserviert reagierten die Vertreter der Jägerschaft auf den Beschluss – man fürchtet, dass im Falle des Abschusses eines Wolfes das Image der gesamten Jägerschaft leiden könnte: „Es ist niemand scharf darauf, auf Wolfsjagd zu gehen, aber wenn wir den Behördenauftrag bekommen, werden wir diesem selbstverständlich nachkommen“, sagt der stellvertretende nö. Landesjägermeister, Werner Spinka gegenüber dem ,Kurier’. Jedenfalls habe der Landesjagdverband sich von der Behörde absolute Anonymität für denjenigen garantieren lassen, der einen Wolf erlegt: „Es kann nicht sein, dass dann ein Jäger in der Öffentlichkeit am Pranger steht“, so Spinka.
In Niederösterreich gibt es nach Expertenschätzungen derzeit ca. 20 bis 30 Wölfe, die in zwei Rudeln auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig sowie im niederösterreich-oberösterreichisch-tschechischen Grenzraum leben. Im August 2016 war der erste Wolfsnachwuchs seit mehr als 100 Jahren auf dem 15.000 Hektar großen Areal des Truppenübungsplatzes in Allentsteig gesichtet worden. Das zweite Rudel wurde erst vor wenigen Wochen durch Aufnahmen von Wildkameras entdeckt. Für besonderes Aufsehen sorgte im Juni 2018 eine Wolfsattacke in einem Pferdebetrieb in Mauerbach, bei der drei Schafe getötet wurden (siehe unseren ausführlichen Bericht dazu).
14.09.2018 - Wolf soll Pferd angegriffen und verletzt haben
Wolf soll Pferd angegriffen und verletzt haben 14.09.2018 / News
Ein Wolf soll auf einer Weide im Bremer Stadtteil Oberneuland eine Stute angefallen haben. / Symbolfoto: Fotolia-VK
Ein Vorfall in Bremen sorgt derzeit für Unruhe unter Pferdefreunden und Anwohnern: Auf einer Weide in Oberneuland soll eine Stute von einem Wolf attackiert und verletzt worden sein.
Auf einer Weide im Bremer Stadteil Oberneuland soll ein Wolf eine Warmblut-Stute angegriffen und dabei schwer verletzt haben – das berichtet der ,Weser-Kurier' in seiner Online-Ausgabe. Ein Ehepaar, das einen Reiterhof in Grasberg betreibt, hat bei einem Kontrollgang am Abend den Wolf auf frischer Tat ertappt: Laut schreiend seien sie auf das Tier zugelaufen, um es von der Koppel zu vertreiben – doch für eines ihrer Pferde war es bereits zu spät: Eine Stute war am Hinterlauf im Bereich des Sprunggelenks gebissen und schwer verletzt worden, zwei Sehnen wurden durchtrennt. Ob die Stute jemals wieder im Schulbetrieb eingesetzt werden kann, sei derzeit ungewiss, der Tierarzt müsse regelmäßig kommen, um die Wunde zu versorgen.
Besonders ärgerlich ist für die beiden Reitstallbetreiber, dass sie den Vorfall nicht als Nutztierschaden geltend machen können, denn dafür ist ein DNA-Nachweis erforderlich, den das Ehepaar nicht vorlegen kann: „Das Wohl des Pferdes war uns am wichtigsten, deshalb haben wir die Wunde so schnell es geht gesäubert. Da hat keiner an DNA gedacht“, so der Pferdebesitzer. Er und seine Frau müssen daher den gesamten Schaden und die Behandlungskosten selbst tragen. Doch das ist nicht das einzige, was sie stört: Sie fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen, die gemeint hatten, dass der Wolf eben in die Natur gehöre; dass die Kinder abends nun nicht mehr alleine auf die Weide gehen können, weil es zu gefährlich ist, sei hingegen nicht von Interesse. „Damit müssten wir uns abfinden, hat man uns gesagt“, so die Pferdebesitzerin. Auf Kinder und Nutztiere würde keine Rücksicht genommen. „Ich bin der Meinung, der Wolf gehört hier einfach nicht her, weil die Bevölkerungsdichte viel zu groß ist." Die Tiere zum Schutz nur noch im Stall einzusperren, sei jedenfalls keine Dauerlösung.
Bereits im Juni waren in Oberneuland zwei Schafe getötet und ein weiteres schwer verletzt worden – wie eine DNA-Analyse bestätigte, sind die Tiere einem Wolfsangriff zum Opfer gefallen. Seit diesem Vorfall war es zwar ruhig – doch die neuerliche Attacke hat die Diskussionen um ein strengeres Wolfsmanagement wieder befeuert, Landwirte und Anwohner sind beunruhigt und verunsichert. Die Wölfe stammen mit hoher Sicherheit aus dem angrenzenden Niedersachsen, in dem sich der Wolf weiter ausbreitet und in dem nach jüngsten Berichten bereits 18 Rudel ansässig sein sollen. Die Abwanderung dieser Wölfe in dichtbesiedelte Bremer Gebiete müsse effektiver eingedämmt werden, meinte auch Henrich Klugkist, Sprecher des Bremer Senats für Bau und Umwelt, nach dem Angriff in Oberneuland.
07.09.2018 - Neues Wolfsrudel gesichtet: Land OÖ erlaubt Vergrämungsmaßnahmen
Neues Wolfsrudel gesichtet: Land OÖ erlaubt Vergrämungsmaßnahmen 07.09.2018 / News
Der Wolf breitet sich weiter in Österreich aus – im Grenzgebiet von NÖ und OÖ hat sich ein zweites Rudel angesiedelt. / Symbolfoto: Fotolia/VK
Österreich hat ein neues Wolfsrudel – dies bestätigen DNA-Analysen und aktuelle Aufnahmen einer Wildkamera in Karlstift im Bezirk Gmünd. Das Land OÖ hat in einer angrenzenden Gemeinde nun offiziell Vergrämungsmaßnahmen gestattet.
Es ist eine Nachricht, die Landwirte und Pferdehalter wohl mit Besorgnis hören: In Österreich gibt es nun – nach dem bereits bekannten Rudel auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig – eine weitere Wolfsfamilie, die sich im Grenzgebiet Oberösterreich – Niederösterreich – Tschechien angesiedelt hat. Der letzte Beweis dafür waren Fotos einer Wildkamera, die am 26. August auf einem Forstgut in Karlstift (Bezirk Gmünd) aufgenommen wurden und eine Gruppe voninsgesamt fünf Wölfen zeigen. In den letzten Wochen gab es in der Region zudem vermehrt Risse und Sichtungen von Wölfen, wie Wolfsanwalt Georg Rauer dem ,Kurier’ bestätigte. Die Ergebnisse der DNA-Analysen zeigen auch, dass diese Wölfe nicht aus dem Rudel von Allentsteig stammen: Die Elterntiere sind vermutlich aus Deutschland oder Polen eingewandert und haben hier mindestens vier Welpen bekommen, die nun im Grenzgebiet zwischen Ober- und Niederösterreich und dem angrenzen Tschechien umherstreifen.
In einer ersten Reaktion auf diese Entwicklung hat die OÖ Landesregierung in der Gemeinde Liebenau sogenannte ,Vergrämungsmaßnahmen’ erlaubt – in einigen niederösterreichischen Gemeinden ist dies schon länger der Fall. Nähert sich ein Wolf auf 200 Meter einem bewohnten Gebäude, dürfen Mittel wie Gummigeschoße, Schreckschussmunition, Signalpatronen, Licht oder Lärm eingesetzt werden, um Wölfe zu vertreiben – die erstgenannten ausschließlich durch Jagdberechtigte, Licht- und Tonsignale aber auch durch die Bevölkerung bzw. Grundeigentümer, wie Agrarlandesrat Max Hiegelsberger (ÖVP) in einem ORF-Interview erklärte. Jede Maßnahme müsse exakt protokolliert werden, die Ausnahmegenehmigung gilt vorerst bis 31. Dezember 2019.
In den letzten Monaten hatte es in Oberösterreich mehrere Wolfsattacken auf Nutztiere gegeben: Ende Mai riss ein Wolf zwei Schafe in der Gemeinde Weyer (Bezirk Steyr-Land), Ende Juni kamen bei einem weiteren Wolfsangriff drei Schafe in Weitersfelden im Mühlviertel zu Tode.
Dass sich im Norden Österreichs nun ein zweites Wolfsrudel angesiedelt hat, sorgt für neuerliche Diskussionen über den richtigen Umgang mit der Herausforderung Wolf. Der WWF Österreich fordert neuerliche eine Informationsoffensive, um Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung abzubauen – aber auch ein seriöses Wolfsmanagement seitens der zuständigen Stellen. „Jetzt geht es darum, möglichst rasch die richtigen Maßnahmen zu setzen. Besonders wichtig ist ein praxistauglicher, an die Region angepasster Herdenschutz. Vor allem die Weidetierhalter müssen beraten und finanziell unterstützt werden“, sagt WWF-Experte Christian Pichler. „EU-rechtlich ist der Wolf streng geschützt, daher braucht es ein rechtskonformes Wolfsmanagement. Dafür sollten auch die Erfahrungen anderer Länder wie der Schweiz genützt werden.“
„Jeder Hof ist anders, weshalb Herdenschutz bestmöglich an die jeweilige Situation angepasst werden sollte, damit er gut funktioniert. Daher brauchen die Landwirte fachkundige Ansprechpartner und gezielte Unterstützung“, fordert Pichler von der zuständigen Politik. Vorbeugender Herdenschutz ist jedenfalls viel zielführender als eine Reaktion im Nachhinein. Ohne Herdenschutz sind auch Vergrämungen wenig erfolgsversprechend. „Wölfe dürfen gar nicht erst realisieren, dass Weidetiere eine leichte Beute darstellen“, betont Pichler. Im wildreichen Österreich ernähren sich Wölfe ohnehin großteils von Wildtieren. Schafe stellen eine Gelegenheitsbeute dar, wenn die Herden nicht oder nur ungenügend, also mit einem normalen Weidezaun geschützt sind.
Der renommierte Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal erklärt: „Wölfe lernen rasch, zwischen „erlaubter“ (Wild) und „unerlaubter“ (Haus- bzw. Nutztiere) Nahrung zu unterscheiden, wenn sie zum Beispiel ein stromführender Zaun behindert. In Kombination können zusätzlich Herdenschutzhunde helfen.“
Doch derartige Zäune sind nicht nur aufwendig und teuer, sondern auch in ihrer Wirksamkeit umstritten. Das Land OÖ will sich daher zu allfälligen Förderungen oder Zuschüssen für tierhaltende Betriebe noch nicht festlegen. Landesrat Hiegelsberger: „Es gibt jetzt eine Forschungsstelle in Raumberg-Gumpenstein, von der Ministerin eingerichtet. Hier erhoffen wir uns Werte dazu, ob solche nachhaltigen Maßnahmen tatsächlich wirksam sind.“
Sollte dies nicht der Fall sein, ist man notfalls auch zu weitreichenderen Schritten bereit, wie Dr. Helmut Mülleder, leitender Referent für Jagd und Fischerei der Abteilung Land- und Forstwirtschaft, gegenüber dem ORF andeutet: „Wenn das nicht funktioniert auf Dauer, dann wird man auch einen nächsten Schritt – sozusagen bei einem Zwei-Punkte-Programm – weiterverfolgen müssen, das ist eine allfällige Entnahme.“ Sprich: der Abschuss problematisch bzw. auffällig gewordener Wölfe. Dies wäre – auch trotz des hohen Schutzstatus des Wolfes in Europa – gesetzlich dann zulässig, wenn wiederholt Weidetiere trotz sachgemäß angewendeter Vorbeugungsmaßnahmen angegriffen werden, wie auch der WWF bestätigt.
04.07.2018 - Wolfsattacke im Aktivstall Mauerbach: Die Angst geht um
Wolfsattacke im Aktivstall Mauerbach: Die Angst geht um 04.07.2018 / News
Ein Wolf hat im niederösterreichischen Mauerbach drei Schafe getötet – unter Landwirten, Züchtern und Pferdebesitzern geht nun die Angst um. / Symbolfoto: Fotolia-VK
Nach einer Wolfsattacke in einem Pferdebetrieb in der Wienerwald-Gemeinde Mauerbach, bei der drei Schafe zu Tode gekommen sind, herrschen bei Landwirten und Anwohnern Verunsicherung und Angst.
Der Aktivstall Mauerbach ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich und bemerkenswert: Er ist das kleine Paradies von Claudia Radbauer, das sie ganz ihren Tieren gewidmet hat, mit denen sie hier lebt. Naturnahe, artgerechte Haltung ist das oberste Credo des Betriebes, alles ist mit Bedacht angelegt, nachhaltig gebaut und ganz auf die Bedürfnisse der Tiere zugeschnitten: Sie züchtet hier nicht nur die seltenen Sorraia-Pferde, von denen es weltweit nur etwa 200 Exemplare gibt, sondern auch Miniatur-Shetland-Ponys von allerbester Qualität. Ein selbst entwickeltes Haltungskonzept nach dem Wildpferde-Modell, kombiniert mit einem Aktivstall und einem Paddock-Trail, ermöglicht den Pferden eine natürliche, artgerechte Lebensweise (siehe unseren ausführlichen Artikel dazu). Auf dem Hof tummeln sich aber auch Sulmtaler Hühner, Altsteirer und Cröllwitzer Puten und seltene Alpine Steinschafe, ebenso wie zahlreiche Insekten- und Vogelarten bis hin zu Fledermäusen. Man kann es nicht anders sagen: Es ist eine Oase der Vielfalt und des Lebens, die hier entstanden ist – eine kleine Arche vor den Toren Wiens.
Doch seit kurzem hat sich ein dunkler Schatten über diese Oase gelegt: Als Claudia Radbauer vor zwei Wochen morgens nach ihren Schafen sehen wollte, fand sie zwei tote Tiere auf der Weide, eines mit einer großen, klaffenden Wunde am Hals, das zweite ohne erkennbare Verletzungen hatte sich vermutlich ,zu Tode erschreckt’. Ein drittes Schaf war ebenfalls verletzt worden und musste wenig später eingeschläfert werden.
DNA-Test bestätigt: Es war ein Wolf
Claudia Radbauer dachte zuerst an die Attacke eines herumstreunenden Hundes, doch ließ sie die Todesfälle durch das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) untersuchen. Seit Montag (2. Juli 2018) liegt das – niederschmetternde – Ergebnis des DNA-Tests vor: Es war ein Wolf, der für den Tod der drei seltenen Steinschafe verantwortlich ist. Claudia Radbauer fiel aus allen Wolken, denn für sie war die Gefahr, die von Wölfen ausgeht, bislang rein theoretisch: „Man hört und liest von Wölfen in Rumänien oder in der Lausitz oder meinetwegen auch im Waldviertel – aber dass der Wolf plötzlich buchstäblich vor den Toren Wiens auftaucht und hier Schafe reißt, damit rechnet man schlicht und einfach nicht.“
Ein Jungtier auf der Suche nach einem Revier
Wie Dr. Georg Rauer, Wolfsbeauftragter vom FIWI, gegenüber dem ORF meinte, handelte es sich vermutlich „um ein junges Einzeltier auf der Suche nach einem Revier und einem Partner“. Dr. Rauer schließt aus, dass es sich dabei um ein Jungtier aus dem Rudel in Allentsteig handeln könnte: „Das können wir jetzt schon ausschließen. Es kommt nun noch die Genotypisierung – und dann können wir schauen, ob es derselbe Wolf wie in Oberösterreich war, der in Weyer Risse verursacht hat, oder ob es vielleicht sogar jener aus Salzburg war, das würde dann in einer Linie liegen.“ Genetisch stamme der Wolf aus einer Population aus den Westalpen, aus der Grenzregion zwischen Italien und der Schweiz – und habe daher schon eine Wanderung über mehrere Hundert Kilometer hinter sich, was bei Wölfen durchaus nicht ungewöhnlich ist.
Dr. Rauer erwartet, dass es künftig noch mehr derartige Vorfälle und auch mehr Begegnungen mit dem Wolf in Österreich geben wird: „Wir gehen davon aus, dass es mehr Wölfe geben wird. Wir sehen die Entwicklung in den Populationen rund um Österreich, die zunimmt, und das heißt, dass mehr von diesen wandernden Individuen kommen werden, und damit ist auch die Chance größer, dass sich irgendwo ein Rudel bilden wird.“
„Wölfe müssen beschossen werden, damit sie scheu werden!"
Genau diese Aussichten beunruhigen immer mehr Landwirte, Züchter und auch Pferdehalter in Österreich, die um das Wohl ihrer Tiere bangen. Nicht zuletzt deshalb fordert Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, angesichts der immer häufigeren Wolfsattacken ein entschlosseneres Vorgehen und insbesondere mehr rechtliche Möglichkeiten – bis hin zum Abschuss. Der rechtliche Schutzstatus der Wölfe müsse so geändert werden, dass nationale Handlungsmöglichkeiten geschaffen werden: „Derzeit fürchten sich die Menschen vor den Wölfen, das ist falsch. Die Sache ist erst in Ordnung, wenn sich die Wölfe vor den Menschen fürchten", fordert er die Erlaubnis zum Abschuss ein. „Wölfe müssen beschossen werden, wir müssen sie so erziehen damit sie scheu werden, nur wenn sie scheu sind, werden sie die Menschen und ihre Siedlungen meiden“, so Schultes.
Wie der WWF in einer Aussendung mitteilte, wären Tötungen bereits jetzt in Einzelfällen möglich, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden: „Dafür brauchen aber keine EU-Gesetze geändert und Wölfe pauschal zum Abschuss freigegeben werden“, so WWF-Artenschutz-Experte Arno Aschauer. Denn nach wie vor ernähren sich Wölfe zu 99 % von Wildtieren, so Aschauer, der Anteil von Weide- bzw. Nutztieren sei verschwindend gering. Im Jahr 2016 gingen bei einem Gesamtbestand von ca. 378.000 Schafen in Österreich lediglich 21 auf das Konto von Wölfen.
Wenig Schutzmöglichkeiten vor dem Wolf
Das alles mag zweifellos stimmen, ist aber für die unmittelbar Betroffenen wie Claudia Radbauer nur ein schwacher Trost: Sie fühlt sich der drohenden Gefahr weitgehend ohnmächtig und schutzlos ausgesetzt: „Die Schutzmöglichkeiten sind einfach sehr begrenzt. Herdenschutzhunde anzuschaffen, das ist bei einer so kleinen Gruppe von Schafen, wie ich sie halte, ein Ding der Unmöglichkeit – und einen massiven Schutzzaun in ausreichender Höhe und mit Strom um alle meine Koppeln kann ich auch nicht bauen. Ich habe jetzt zwar als Vorsichtsmaßnahme die restlichen Schafe näher ans Haus geholt – aber das ist in Wahrheit auch nur eine kurzfristige Lösung. Ich will meine Tiere ja artgerecht und naturnah halten – und kann sie nicht dauerhaft in Hofnähe einsperren. Die Vorstellung, dass der Wolf wieder kommen könnte, ist jedenfalls beängstigend – ich kann nur hoffen, dass er uns künftig fernbleibt.“
In Mauerbach und Umgebung geht die Angst um – ganz besonders bei allen Anrainern und Landwirten in der Nachbarschaft des Aktivstalls. Man ist zutiefst verunsichert und weitgehend ratlos, wie man mit der Wolfsgefahr umgehen soll. Über das ruhige, idyllische, leicht verträumte Paradies vor den Toren Wiens hat sich ein Schatten gelegt …
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