News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Studie: Schlafmangel kann die Gesundheit von Pferden zerstören
27.11.2018 / News

Nur im Liegen können Pferde ihr Bedürfnis nach dem lebenswichtigen REM-Schlaf ausreichend decken – daher ist es so wichtig, dass Pferde sich zum Schlafen niederlegen, so die Wissenschaftler.
Nur im Liegen können Pferde ihr Bedürfnis nach dem lebenswichtigen REM-Schlaf ausreichend decken – daher ist es so wichtig, dass Pferde sich zum Schlafen niederlegen, so die Wissenschaftler. / Symbolfoto: Martin Haller

Deutsche Wissenschaftler konnten in einer Studie nachweisen, welch dramatische Auswirkungen Schlafmangel – insbesondere das Fehlen des lebenswichtigen REM-Schlafs – auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Pferden haben kann.

 

Schlaf ist für Pferde ebenso lebenswichtig wie für alle anderen Spezies auch – und obwohl hinsichtlich der komplexen Mechanismen und Funktionen des Schlafs nach wie vor viele Fragen offen sind, ist unbestritten, dass länger andauernder Schlafentzug zu körperlichen Beeinträchtigungen, Gedächtnisverlust und im Extremfall sogar zum Tod führen kann.

Wie jüngste Forschungen mit mobilen Polysomnographen gezeigt haben, ist es auch für Pferde essentiell, dass sie sämtliche Schlafphasen – also einen kompletten Schlafzyklus – durchlaufen können, um sich nicht nur körperlich, sondern vor allem auch geistig zu erholen und zu regenerieren. Von entscheidender Bedeutung ist dabei insbesondere die sogenannte REM-Phase (REM = rapid eye movement), also jene Phase des Tiefschlafs, die wie beim Menschen durch rasche Augenbewegungen gekennzeichnet ist und gleichsam die tiefste, erholsamste und daher auch wichtigste Phase des Schlafes darstellt. Nur in dieser Phase tritt eine vollständige Muskelentspannung ein – daher ist es für einen tiefen REM-Schlaf auch entscheidend, dass sich das Pferd hinlegt, um sich optimal zu erholen.

Welch weitreichende Konsequenzen es haben kann, wenn Pferde – aufgrund welcher Umstände auch immer – sich nicht hinlegen können bzw. wollen, das konnten Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München nun in einer Studie aufzeigen: Wenn sich Pferde nicht zum Schlafen hinlegen, führt dies zu einem REM-Schlaf-Mangel – der dramatische Auswirkungen haben kann: Die Pferde werden dann im Stehen vom REM-Schlaf überwältigt, der eine ,überfallsartige’ Entspannung der Muskulatur herbeiführt und bewirkt, dass die Pferde buchstäblich im Stehen kollabieren. Diese Zusammenbrüche können schwere Verletzungen und der andauernde REM-Schlafmangel ernsthafte Verhaltensstörungen nach sich ziehen.

Für ihre Untersuchung kontaktierten die Wissenschaftler die Besitzer von Pferden, die immer wieder derartige Zusammenbrüchen erlitten, mit einem detaillierten Fragebogen. Insgesamt 177 Besitzer füllten diesen komplett aus – aus diesen wurde schließlich eine Untersuchungsgruppe von 36 Pferden ausgewählt, deren Lebensumstände – insbesondere Haltungsform, Tagesmanagement und medizinische Behandlungen – umfassend dokumentiert wurden. Diese Pferde wurden auch durch klinische Tests, Beobachtungen und polysomnographische Messungen untersucht, um exakte Daten zur Bestimmung ihres Schlafverhaltens zu bekommen.

Die Auswertung der Fragebögen ergab bei diesen Pferden eine deutliche Verbindung zwischen einer Änderung der Haltung und den ersten aufgetretenen Zusammenbrüchen. Diese Zusammenbrüche führten bei 90,2 % der Pferde auch zu Verletzungen, insbesondere der Karpal- und Fesselgelenke, häufig traten aber auch Kopfverletzungen oder Verletzungen der Sprunggelenke auf. Bei 24,9 % der Pferde – also fast einem Viertel – wurden auch Verhaltensstörungen wie Weben und Koppen registriert.

Die Zahl der Zusammenbrüche hing signfikant vom Liegeverhalten der Pferde ab: Pferde, die sich zum Schlafen niederlegten, zeigten deutlich weniger Zusammenbrüche, während Pferde mit Zusammenbrüchen deutlich weniger Zeit in REM-Schlafphasen verbrachten als Pferde ohne Zusammenbrüche. Die Dauer ihrer REM-Schlafphasen war zudem kürzer, trat häufiger im Stehen auf und waren überwiegend in einem engen zeitlichen Kontext mit den Zusammenbrüchen.

Auch hinsichtlich der Ursachen – also bei der näheren Erforschung, was genau die Pferde am Niederlegen hindert und so den REM-Schlafmangel auslöst – konnten die Wissenschaftler wertvolle Aufschlüsse liefern: Bei 33,3 % der Fälle waren die Liegeflächen zu klein, bei 50 % der Fälle bestand ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen einem bestimmten Ereignis – etwa einem Stallwechsel oder einer Erkrankung – und dem Beginn der Zusammenbrüche. Acht Pferde zeigten seitdem ein deutlich geändertes Verhalten, dämmerten im Halbschlaf dahin oder waren zeitweise hysterisch. Zwei Jahre nach dieser Erhebung waren sieben dieser Pferde nicht mehr am Leben – sie mussten eingeschläfert werden aufgrund von Verletzungen oder der Verhaltens-Anomalien, die durch die Zusammenbrüche bzw. den REM-Schlafmangel verursacht worden waren.

Die Wissenschaftler zusammenfassend: „Angesichts der Bedeutung des Schlafes führt der REM-Schlafmangel zu Verhaltensänderungen und verursacht Zusammenbrüche, die zu schweren Verletzungen führen können. Im Rahmen der Therapie sollten einerseits die Gründe aufgedeckt werden, die dazu führen, dass sich Pferde nicht oder nur widerwillig hinlegen, aber auch zugrundeliegende Erkrankungen behandelt, die veränderten Umweltfaktoren wiederhergestellt und die Haltung verbessert werden.“

Die Studie „Equine recumbent sleep deprivation: effects on mental and physical health“ von C. Fuchs, L.C. Kiefner, S. Reese, M. Erhard und A.C. Wöhr wurde im Rahmen der 14. Jahrestagung der ,Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften' (ISES) von 21.–24. September 2018 in Rom vorgestellt.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
1) adolf.lepka@aon.at: Ein toller Artikel, aber trotzdem haben wir die Beobachtung gemacht, dass trotz des Angebotes an toll eingestreuten Liegeflächen (3 Unterstände - baulich getrennt) nur immer die Eine Verwendung findet, die von den ranghohen Pferden benützt werden. Auch wenn die rangniederen Pferde dann warten müssen, oder gar nicht zum liegen kommen.
Woran kann das liegen?
Wir meinen, dass dies auch mit dem Herdenverhalten zu tun hat. Und daher die bauliche Entfernung der Liegestätten auch einen Einfluss hat.
Ein rangniederes Pferd legt sich nicht alleine in einen Stall ohne Schutz!!!
Mittwoch, 28. November 2018

Weitere Artikel zu diesem Thema:

17.11.2015 - Studie: Wieviel Liegefläche brauchen Pferde?15.03.2016 - So wichtig ist Schlaf für Pferde
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen