Studie: Schlafmangel kann die Gesundheit von Pferden zerstören 27.11.2018 / News
Nur im Liegen können Pferde ihr Bedürfnis nach dem lebenswichtigen REM-Schlaf ausreichend decken – daher ist es so wichtig, dass Pferde sich zum Schlafen niederlegen, so die Wissenschaftler. / Symbolfoto: Martin Haller
Deutsche Wissenschaftler konnten in einer Studie nachweisen, welch dramatische Auswirkungen Schlafmangel – insbesondere das Fehlen des lebenswichtigen REM-Schlafs – auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Pferden haben kann.
Schlaf ist für Pferde ebenso lebenswichtig wie für alle anderen Spezies auch – und obwohl hinsichtlich der komplexen Mechanismen und Funktionen des Schlafs nach wie vor viele Fragen offen sind, ist unbestritten, dass länger andauernder Schlafentzug zu körperlichen Beeinträchtigungen, Gedächtnisverlust und im Extremfall sogar zum Tod führen kann.
Wie jüngste Forschungen mit mobilen Polysomnographen gezeigt haben, ist es auch für Pferde essentiell, dass sie sämtliche Schlafphasen – also einen kompletten Schlafzyklus – durchlaufen können, um sich nicht nur körperlich, sondern vor allem auch geistig zu erholen und zu regenerieren. Von entscheidender Bedeutung ist dabei insbesondere die sogenannte REM-Phase (REM = rapid eye movement), also jene Phase des Tiefschlafs, die wie beim Menschen durch rasche Augenbewegungen gekennzeichnet ist und gleichsam die tiefste, erholsamste und daher auch wichtigste Phase des Schlafes darstellt. Nur in dieser Phase tritt eine vollständige Muskelentspannung ein – daher ist es für einen tiefen REM-Schlaf auch entscheidend, dass sich das Pferd hinlegt, um sich optimal zu erholen.
Welch weitreichende Konsequenzen es haben kann, wenn Pferde – aufgrund welcher Umstände auch immer – sich nicht hinlegen können bzw. wollen, das konnten Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München nun in einer Studie aufzeigen: Wenn sich Pferde nicht zum Schlafen hinlegen, führt dies zu einem REM-Schlaf-Mangel – der dramatische Auswirkungen haben kann: Die Pferde werden dann im Stehen vom REM-Schlaf überwältigt, der eine ,überfallsartige’ Entspannung der Muskulatur herbeiführt und bewirkt, dass die Pferde buchstäblich im Stehen kollabieren. Diese Zusammenbrüche können schwere Verletzungen und der andauernde REM-Schlafmangel ernsthafte Verhaltensstörungen nach sich ziehen.
Für ihre Untersuchung kontaktierten die Wissenschaftler die Besitzer von Pferden, die immer wieder derartige Zusammenbrüchen erlitten, mit einem detaillierten Fragebogen. Insgesamt 177 Besitzer füllten diesen komplett aus – aus diesen wurde schließlich eine Untersuchungsgruppe von 36 Pferden ausgewählt, deren Lebensumstände – insbesondere Haltungsform, Tagesmanagement und medizinische Behandlungen – umfassend dokumentiert wurden. Diese Pferde wurden auch durch klinische Tests, Beobachtungen und polysomnographische Messungen untersucht, um exakte Daten zur Bestimmung ihres Schlafverhaltens zu bekommen.
Die Auswertung der Fragebögen ergab bei diesen Pferden eine deutliche Verbindung zwischen einer Änderung der Haltung und den ersten aufgetretenen Zusammenbrüchen. Diese Zusammenbrüche führten bei 90,2 % der Pferde auch zu Verletzungen, insbesondere der Karpal- und Fesselgelenke, häufig traten aber auch Kopfverletzungen oder Verletzungen der Sprunggelenke auf. Bei 24,9 % der Pferde – also fast einem Viertel – wurden auch Verhaltensstörungen wie Weben und Koppen registriert.
Die Zahl der Zusammenbrüche hing signfikant vom Liegeverhalten der Pferde ab: Pferde, die sich zum Schlafen niederlegten, zeigten deutlich weniger Zusammenbrüche, während Pferde mit Zusammenbrüchen deutlich weniger Zeit in REM-Schlafphasen verbrachten als Pferde ohne Zusammenbrüche. Die Dauer ihrer REM-Schlafphasen war zudem kürzer, trat häufiger im Stehen auf und waren überwiegend in einem engen zeitlichen Kontext mit den Zusammenbrüchen.
Auch hinsichtlich der Ursachen – also bei der näheren Erforschung, was genau die Pferde am Niederlegen hindert und so den REM-Schlafmangel auslöst – konnten die Wissenschaftler wertvolle Aufschlüsse liefern: Bei 33,3 % der Fälle waren die Liegeflächen zu klein, bei 50 % der Fälle bestand ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen einem bestimmten Ereignis – etwa einem Stallwechsel oder einer Erkrankung – und dem Beginn der Zusammenbrüche. Acht Pferde zeigten seitdem ein deutlich geändertes Verhalten, dämmerten im Halbschlaf dahin oder waren zeitweise hysterisch. Zwei Jahre nach dieser Erhebung waren sieben dieser Pferde nicht mehr am Leben – sie mussten eingeschläfert werden aufgrund von Verletzungen oder der Verhaltens-Anomalien, die durch die Zusammenbrüche bzw. den REM-Schlafmangel verursacht worden waren.
Die Wissenschaftler zusammenfassend: „Angesichts der Bedeutung des Schlafes führt der REM-Schlafmangel zu Verhaltensänderungen und verursacht Zusammenbrüche, die zu schweren Verletzungen führen können. Im Rahmen der Therapie sollten einerseits die Gründe aufgedeckt werden, die dazu führen, dass sich Pferde nicht oder nur widerwillig hinlegen, aber auch zugrundeliegende Erkrankungen behandelt, die veränderten Umweltfaktoren wiederhergestellt und die Haltung verbessert werden.“
Die Studie „Equine recumbent sleep deprivation: effects on mental and physical health“ von C. Fuchs, L.C. Kiefner, S. Reese, M. Erhard und A.C. Wöhr wurde im Rahmen der 14. Jahrestagung der ,Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften' (ISES) von 21.–24. September 2018 in Rom vorgestellt.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...1) adolf.lepka@aon.at: Ein toller Artikel, aber trotzdem haben wir die Beobachtung gemacht, dass trotz des Angebotes an toll eingestreuten Liegeflächen (3 Unterstände - baulich getrennt) nur immer die Eine Verwendung findet, die von den ranghohen Pferden benützt werden. Auch wenn die rangniederen Pferde dann warten müssen, oder gar nicht zum liegen kommen.
Woran kann das liegen?
Wir meinen, dass dies auch mit dem Herdenverhalten zu tun hat. Und daher die bauliche Entfernung der Liegestätten auch einen Einfluss hat.
Ein rangniederes Pferd legt sich nicht alleine in einen Stall ohne Schutz!!! Mittwoch, 28. November 2018 Weitere Artikel zu diesem Thema:17.11.2015 - Studie: Wieviel Liegefläche brauchen Pferde?
Studie: Wieviel Liegefläche brauchen Pferde? 17.11.2015 / News
Um gesund und leistungsfähig zu bleiben, müssen sich Pferde hinlegen können. / Foto: Archiv
Schweizer Forscher haben untersucht, welchen Einfluss die Größe der Liegefläche und die Beschaffenheit des Untergrunds auf das Liegeverhalten von Pferden in Gruppenhaltung haben – und ob die gesetzlichen Mindestmaße dafür ausreichend sind.
Wie für den Menschen ist auch für Pferde ausreichender Schlaf lebenswichtig. Pferde können zwar auch im Stehen „dösen", sich dabei entspannen und die Muskulatur lockern – doch ist diese Phase des Ausruhens (in der Fachsprache ,Schildern' genannt) nur eine Vorstufe des eigentlichen Tiefschlafs, in der sich die Pferde zwar körperlich, nicht aber geistig regenerieren können. Und für diesen erholsamen Tiefschlaf mit seiner REM-Phase müssen sich Pferde hinlegen – nur dann können sie nachhaltig regenerieren, gesund und leistungsfähig bleiben: Die Möglichkeit zum Hinlegen ist somit für das Wohl eines Pferdes essentiell – doch Pferde sind diesbezüglich höchst sensible und anspruchsvolle Wesen, die sich nur unter bestimmten Voraussetzungen hinlegen. Neben der Art und Beschaffenheit des Untergrunds – Pferde bevorzugen einen trockenen und verformbaren Untergrund – ist auch die Größe der zur Verfügung stehenden Liegefläche ein wichtiger Einflussfaktor, ebenso die Position in der Rangordnung der Gruppe.
Ein Schweizer Forscherteam rund um Christina Rufener – Masterstudentin an der Einheit für Ethologie und Tierwohl der ETH Zürich, wo die Studie in Kollaboration mit dem Schweizer Nationalgestüt Agroscope durchgeführt wurde – hat untersucht, ob die dafür im Schweizer Tierschutzgesetz vorgesehenen Mindestflächen ausreichend dimensioniert sind, um „das Tierwohl im Hinblick auf das Liegeverhalten" zu gewährleisten. Ergänzend wurde auch untersucht, ob sich das Liegeverhalten durch den Einsatz von Gummimatten – anstelle einer Einstreu – verändert und dadurch auch das Pferdewohl in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird.
Insgesamt wurden 38 Pferde in 8 Gruppen auf 5 Praxisbetrieben sowie dem Schweizer Nationalgestüt in die Untersuchung einbezogen. Jede Gruppe wurde für jeweils 11 Tage unter 4 verschiedenen Varianten gehalten:
- T0: Keine Einstreu, 1.5 x Mindestfläche Gummimatten
- T0.5: 0.5 x Mindestfläche eingestreut, 1 x Mindestfläche Gummimatten
- T1 1: x Mindestfläche eingestreut, 0.5 x Mindestfläche Gummimatten
- T1.5: 1.5 x Mindestfläche eingestreut, keine Gummimatten
Für jedes einzelne Pferd wurden die Anzahl Liegeperioden, die Gesamtliegedauer, der Anteil in Seitenlage, der Anteil anwesender Gruppenmitglieder beim Abliegen und der Anteil unfreiwillig beendeter Liegeperioden aufgezeichnet. Die Datenerfassung erfolgte nach jeweils acht Tage dauernder Eingewöhnung in den letzten 72 h jeder Variante. Des weiteren wurde in jeder Gruppe auch die Rangordnung bestimmt.
Die Ergebnisse zeigten ein eindeutiges Bild: Die Pferde lagen umso länger und häufiger, je grösser die eingestreute Fläche war, wobei sich diese Steigerung von Variante 1 × zu 1.5 × abflachte. Auf Gummimatten lagen Pferde generell nur äußerst selten, häufiger jedoch rangniedere Pferde. Der Anteil in Seitenlage war höher, je grösser die eingestreute Fläche war. Zudem war in Variante 1.5 × der Anteil anwesender Gruppenmitglieder höher und der Anteil unfreiwillig beendeter Liegeperioden für die rangtiefen Tiere deutlich geringer.
Die Forscher abschließend: „Die Studie zeigt, dass Pferde bevorzugt auf Einstreu abliegen und harte Gummimatten keine adäquate Unterlage sind. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestliegefläche scheint angemessen zu sein, jedoch waren Unterschiede zwischen einzelnen Individuen sehr gross. Der Einbezug sozialer Parameter wie dem Anteil unfreiwillig beendeter Liegesequenzen zeigte zudem, dass eine Vergrösserung der eingestreuten Mindestfläche insbesondere für die rangtiefe Pferde einen positiven Effekt haben kann. Aus diesem Grund sind die Mindestmasse bezüglich der eingestreuten Liegefläche für Gruppenhaltungen als angemessen, aber nicht optimal zu beurteilen."
Die Mindestmaße für die Liegefläche sind im „Tierschutz-Kontrollhandbuch. Technische Weisungen über den baulichen und qualitativen Tierschutz Pferde" des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) nachzulesen. Die Mindestliegefläche pro Pferd in einem Mehrraumlaufstall ist abhängig vom Stockmaß des Pferdes und beträgt zwischen 4 m2 (für Pferde mit einem Stockmaß unter 120 cm) und 8 m2 (für Pferde mit einem Stockmaß über 175 cm).
Die Studie „Variation der eingestreuten Fläche im Liegebereich: Auswirkungen auf das Liegeverhalten von Pferden in Gruppenhaltung" von C. Rufener, A. Patt, I. Bachmann, J.-B. Burla und E. Hillmann wurde im Rahmen des Jubiläums ,10 Jahre Netzwerk Pferdeforschung Schweiz' am 16. April 2015 in Avenches vorgestellt und auch in der Zeitschrift ,Agroscope Science' Nr. 19/2015 veröffentlicht.
15.03.2016 - So wichtig ist Schlaf für Pferde
So wichtig ist Schlaf für Pferde 15.03.2016 / Wissen
Lebenswichtiger Schlaf: Ein Schlafdefizit kann weitreichende Folgen für die physische und psychische Gesundheit eines Pferdes haben. / Foto: Martin Haller In der Brust-Bauch-Lage der sogenannten Schlummer-Phase sind Pferde jederzeit fluchtbereit. / Foto: Archiv Fohlen benötigen viel Schlaf, um groß und stark zu werden – die Mutter hält dabei Wache. / Foto: Archiv
Schlaf ist nicht nur für uns Menschen, sondern auch für Pferde wichtig. Pferde schlafen aber nur unter bestimmten Voraussetzungen wirklich tief und erholsam – ProPferd-Autorin Sylke Schulte hat die wichtigsten zusammengestellt.
Pferde schlafen im Stehen; Pferde haben keinen Schlafrhythmus; Pferde schlafen nie wirklich – viele Gerüchte und Mutmaßungen kursieren über das Schlafverhalten der Pferde, dabei ist es weitgehend – wie fast alle seine Verhaltensweisen – durch seine Natur als Herden- und Fluchttier erklärbar. Pferde sind Herdentiere, die in freier Wildbahn im Verbund umherziehen auf der Suche nach Nahrung.
Da sie lediglich über sehr begrenzte Möglichkeiten verfügen, sich gegenüber ihren Feinden zu verteidigen, hat die Natur sie mit hochleistungsfähigen Sinnesorganen ausgestattet, die sie bei drohender Gefahr sofort in Alarmbereitschaft versetzen und auf eine plötzliche Flucht vorbereiten. In der Natur verbringen Pferde außerdem über die Hälfte des Tages mit der Nahrungsaufnahme. Den Großteil der verbleibenden Zeit – rund sieben bis neun Stunden am Tag – verbringen die Pferde zumeist ruhend, in der einen oder anderen Form.
Schlafforschung bei Pferden
Dr. Anna-Caroline Wöhr von der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München beschäftigt sich seit fünf Jahren intensiv mit dem Schlafverhalten von Vierbeinern, das bisher hauptsächlich durch Beobachtungen untersucht wurde, was zu sehr subjektiven Ergebnissen führte. „Objektive Messungen, wie sie in der Humanmedizin im Schlaflabor verwendet werden, erhält man durch sogenannte polysomnographische Untersuchungen, die aber bei Pferden bislang auf Grund des hohen technischen Aufwandes nur unzureichend möglich waren und sich auf Aufzeichnungen während der Narkose oder invasiv mittels implantierter Elektroden am fixierten Tier beschränkten. Durch die Einführung mobiler Polysomnographen und kabelloser Datenübertragung stehen nun Geräte zur Verfügung, mit deren Hilfe nicht-invasive Schlafuntersuchungen prinzipiell auch bei Tieren möglich sind und verschiedene Schlafstadien bestimmt werden können, da sie eine Untersuchung in der gewohnten Umgebung ermöglichen.“
Drei Ruhephasen
Leider lassen die neuen Untersuchungen noch keine konkreten Angaben zu, um das Schlafverhalten von Pferden eindeutig charakterisieren und interpretieren zu können. Dennoch haben die bisherigen Forschungen zumindest einiges Wissen über den Schlaf von Pferden zutage gefördert.
Üblicherweise unterscheidet man drei verschiedene Ruhephasen, je nach neurophysiologischer Intensität: „Dösen“ oder in der Fachsprache auch „Schildern“ genannt, „Schlummern“ und „Tiefschlaf“, wobei die unterschiedlichen Stadien nicht immer klar voneinander abgrenzbar sind, weshalb sich in der Fachliteratur durchaus auch noch feinere Differenzierungen finden. Diese Ruhe- oder Schlafphasen werden über den ganzen Tag verteilt und dauern im Schnitt jeweils etwa 20 Minuten.
Phase 1: Dösen
Beim sogenannten Schildern stehen die Pferde entspannt, oft mit halb geschlossenen Augen, hängender Unterlippe und locker nach außen gestellten Ohren, wobei sie meist ein Hinterbein im Wechsel entlasten. Aufgrund einiger anatomischer Besonderheiten ist es Pferden möglich, Muskelpartien zu lockern und sich zu erholen, ohne sich dabei hinlegen zu müssen. Diese Fähigkeit ermöglicht es ihnen, unmittelbar auf Außenreize zu reagieren und ohne Verzögerung vor Feinden zu flüchten – eine Art der Entspannung, die für Fluchttiere überlebensnotwendig sein kann. 70–80 Prozent der Ruhephasen verbringen die Pferde in dieser Stellung.
Phase 2: Schlummern
Im Unterschied zum Dösen, legen sich die Pferde beim Schlummern in die Brust-Bauch-Lage – die Beine unter dem Körper angewinkelt, der Kopf wird getragen oder abgestützt. Das meist völlig ausbleibende Ohrenspiel ist ein Hinweis auf die Tiefenentspanntheit beim Schlummern. Trotzdem sind die Pferde in der Lage, beim ersten Anzeichen von Gefahr innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder auf den Beinen und damit fluchtbereit zu sein – ein Grund warum ältere Pferde oder tragende Stuten das Hinlegen oft vermeiden, brauchen sie oftmals doch eine bedeutend längere Zeit, um „wieder auf die Beine zu kommen“. Diese Art der Entspannung kommt dem eigentlichen Schlafen bereits näher, Reflexe wie Schweif- oder Kopfschlagen zur Abwehr von Plagegeistern wie Fliegen, sind kaum noch erkennbar.
Phase 3: Tiefschlaf
Für den Tiefschlaf, den nur Pferde wagen, die sich in ihrer Umgebung hundertprozentig sicher fühlen, legt sich das Pferd flach auf den Boden und scheint in diesem Stadium wie weggetreten. Kopf, Hals und Rumpf ruhen dabei am Boden. Atmung und Herzschlag werden wie beim Menschen langsamer, die Augen sind geschlossen. Wie lange ein Pferd in dieser Position verharrt, hängt auch von seinem Gewicht ab, da im Liegen die Schwerkraft Atmung und Blutzirkulation beeinflusst. Am häufigsten konnten Tiefschlafphasen zwischen Mitternacht und den frühen Morgenstunden beobachtet werden. Das Aufwachen und Orientieren dauert während dieser Phase ein paar Sekunden länger, die dem Pferd in freier Natur im Ernstfall allerdings das Leben kosten könnten. Aus diesem Grund verharren Pferde auch selten lange in dieser Position. In diesem Zustand gibt das Pferd manchmal Laute von sich, zuckt mit den Ohren, Beinen oder Augenliedern – Zeichen für lebhafte Träume von Wettrennen auf grünen Wiesen? Diplom Pferdepsychologin und Verhaltenstherapeutin Daniela Bühler zum Thema träumende Pferde: „Es gilt nicht als gesichert, ob Pferde träumen – man geht allerdings davon aus, dass es mit einiger Wahrscheinlichkeit etwa wie bei Menschen abläuft.“ Gerade bei Fohlen sind Bewegungen der Gliedmaßen im Tiefschlaf häufig zu beobachten – was in der Tat auf eine Verarbeitung der vielen neuen und aufregenden Reize und Informationen hindeutet.
Ruhelose Pferde?
Angesichts der Tatsache, dass auf unseren heimischen Weiden eher selten natürliche Fressfeinde gesichtet werden, die den Pferden tatsächlich gefährlich werden könnten, mag man sich fragen, warum Pferde auch nach Jahrhunderte währender Domestizierung durch den Menschen nicht die Ruhe finden, „sich einmal ordentlich auszuschlafen“. Doch das Motto „Allzeit bereit“ hat sich im Laufe der equinen Evolution bewährt und den Pferden das Überleben gesichert. Dennoch ist Schlaf auch für Pferde überaus wichtig, da er, wie beim Menschen, unter anderem wichtige restorative Funktionen erfüllt. Doch warum wird dann nicht immer in der maximalen Tiefe geschlafen? Dr. Wöhr erklärt: „Dies liegt zum Einen daran, dass die weniger intensiven Stadien ‚durchschlafen‘ werden müssen, um in den Tiefschlaf zu gelangen. Die verschiedenen Funktionen des Schlafes finden dann in den verschiedenen Stadien der Schlafzyklen statt, so dass alle Stufen nötig sind. Hinzu kommt, dass die höhere Vigilanz (Aufmerksamkeitsleistung, Anm.) des flachen Schlafes das Tier vor Fressfeinden schützt.“ Körperlich regenerieren können Pferde auch im Stehen, lediglich die REM-Phase zur geistigen Regeneration findet nach Dr. Wöhr vermutlich vorwiegend im Liegen statt.
Schlafrhythmus und Ruhezeiten
Hauptruhephasen sind vor allem morgens, mittags und nachts, wobei jedes Pferd einen eigenen, individuellen Schlafrhythmus hat, der natürlich vom Verhalten der anderen Mitglieder der Herde beeinflusst wird. Auch andere Faktoren, wie das Alter und Geschlecht des Pferdes, Temperatur, Jahreszeit, Nahrungsangebot und Rang in der Herde können entscheidenden Einfluss auf das Ruheverhalten des Pferdes haben. Eine nicht zu unterschätzende Rolle in Bezug auf die Ruhephasen des Pferdes spielt zweifellos der Mensch. Wir bestimmen nicht nur die Haltungsbedingungen und das Nahrungsangebot unserer Pferde sondern auch ihren Tagesrhythmus – und beeinflussen das Leben unserer Vierbeiner dadurch maßgeblich. Jeder, der sein Pferd schon einmal zu einer für das Pferd völlig unüblichen Tages- oder Nachtzeit zu einer extra Trainingseinheit oder einem Ausritt überreden wollte, dürfte dabei zumindest mildes Erstaunen geerntet haben – bei sprichwörtlichen Gewohnheitstieren vielleicht sogar auf strikte Arbeitsverweigerung gestoßen sein. Auch da scheinen die lieben Pferde uns Menschen ähnlich zu sein...
Schlaf ist wichtig!
Jeder Halter sollte seinem Pferd ausreichend Ruhe- und Schlafphasen gönnen, denn auch Pferde werden nicht gerne aus dem Schlaf gerissen. Ein Schlafdefizit kann weitreichende Folgen für die physische und psychische Pferdegesundheit haben. Daniela Bühler erklärt: „Hinweise auf ein Schlafdefizit des Pferdes können zum Beispiel stumpfes Fell, ein nach Innen gekehrter Blick, ein Schwanken beim Dösen und Gleichgewichtsprobleme sein.“ Ein langfristiges Schlafdefizit führt auch beim Pferd nicht nur zu einem deutlichen Leistungsabfall, sondern kann auch zu schweren Verhaltensauffälligkeiten und letztendlich zu einer verkürzten Lebenserwartung führen. Für ihre Ruhephasen bevorzugen Pferde leicht erhöhte und übersichtliche Orte mit möglichst uneingeschränkter Sicht, um Feinde frühzeitig zu bemerken. Dabei orientieren sich die rangniederen Tiere an den ranghöheren. Legt sich das ranghöchste Pferd schlafen, folgen die anderen meist innerhalb einiger Minuten. Mindestens ein Herdenmitglied bleibt jedoch immer stehen und hält Wache.
Haltung optimieren
Aus diesen Erkenntnissen lassen sich einige mögliche Optimierungen für die Pferdehaltung ableiten. Grundvoraussetzung für eine vollständige Entspannung bei Pferden ist die Gesellschaft von Artgenossen. Pferde in Einzelhaltung, die nicht einmal Geruchs-, Hör- oder Sichtkontakt zu anderen Pferden haben, also von der Herde isoliert wurden, sind in freier Wildbahn ein leichtes Opfer für Fressfeinde. Als Herdentier verlässt sich das Pferd auf den wachhabenden Kollegen, der frühzeitig vor Gefahr warnen kann. Völlige Sicherheit und Entspannung ist also nur im Herdenverband möglich, wobei bei artgerechter Herdenhaltung die sogenannte Individualdistanz gewährleistet sein muss. Um vollständig entspannen zu können, benötigen Pferde eine Fläche von ungefähr sechs Quadratmetern. Steht diese Fläche nicht zur Verfügung kann es innerhalb der Herde zu Unruhen und Auseinandersetzungen kommen, was wiederum dazu führt, dass rangniedrigere Tiere sich nicht sicher genug fühlen, um sich hinzulegen. Diese Individualdistanz spielt nicht nur bei Herdenhaltung eine Rolle, sondern auch bei konventioneller Boxenhaltung: Auch hier wurde beobachtet, dass Pferde, bei denen diese Distanz unterschritten wurde, sich zum Ruhen selten oder nie hinlegen.
Trockener Untergrund
Für ihre Ruhephasen bevorzugen Pferde außerdem einen trockenen, nicht rutschigen Untergrund, auch dies muss durch regelmäßiges Ausmisten, trockene Einstreu und Abmisten der Weiden gewährleistet sein, um Entspannung zu garantieren. Ruheplätze sollten außerdem unbedingt zugfrei sein. Untersuchungen zeigen, dass, wenn die Einstreu einen Feuchtigkeitsgehalt von 60 % übersteigt, die Liegezeiten der Pferde verkürzt werden. Sind die Boxen nur mit Gummimatten ausgelegt, verkürzt sich die Liegezeit sogar um bis zu 70 % verglichen mit Pferden mit Stroh als Einstreu.
Schlafverhalten beobachten
Jeder Pferdehalter sollte das Schlafverhalten seines Vierbeiners im Auge behalten, um gegebenenfalls die Haltung auch im Hinblick auf das Ruheverhalten seines Pferdes zu optimieren. Die Schlafgewohnheiten unserer Pferde lassen viele Rückschlüsse auf sein Temperament, den Charakter und das Befinden zu. Bleibt das Pferd zum Beispiel liegen, wenn sich Menschen nähern, ist dies entweder für das Fluchttier Pferd der größte Vertrauensbeweis, den es uns entgegenbringen kann – oder ein Hinweis auf Schmerzen. In diesem Fall sollte unbedingt ein Tierarzt konsultiert werden. Daniela Bühler bringt das Thema Pferdezufriedenheit folgendermaßen auf den Punkt.: „Die Haltung ist das zentrale Thema für jeden Pferdebesitzer: Nur Pferde, deren natürlich Bedürfnisse erfüllt sind, sind psychisch ausgeglichen und werden dem Reiter Freude bereiten.“
Sylke Schulte
CHECKLISTE
Anzeichen für zu wenig Schlaf bei Pferden
ο stumpfes Fell
ο nach innen gekehrter Blick
ο Abgeschlagenheit
ο Gleichgewichtsstörungen
ο Leistungsabfall
ο verminderte selektive Aufmerksamkeit
ο Verhaltensauffälligkeiten
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