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Harsche Kritik an der FN: Verurteilter Sex-Täter darf weiter auf Turnieren starten
08.12.2018 / News

Über ein Jahr hinweg hatte der Reitlehrer das damals 13 Jahre alte Mädchen sexuell bedrängt und missbraucht.
Über ein Jahr hinweg hatte der Reitlehrer das damals 13 Jahre alte Mädchen sexuell bedrängt und missbraucht. / Symbolfoto: Archiv

Die deutsche FN steht in der öffentlichen Kritik, nachdem ein Beitrag des WDR enthüllt hat, dass ein wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen verurteilter Reitlehrer bereits nach einem Jahr Haft wieder Freigang erhielt und auf Turnieren starten konnte. Der Verband ist nun um Schadensbegrenzung bemüht.

 

Scheinheiligkeit und Feigheit sind es, die der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in einem aktuellen Beitrag des WDR vorgeworfen werden – und dass dessen verbale Verurteilung jeglicher sexualisierter Gewalt im Zusammenhang mit einem ,Spiegel’-Bericht Anfang September nichts anderes als ein leeres Lippenbekenntnis war: „Worte ohne Wert“ – so lautet auch der Titel der verstörenden WDR-Reportage, die seit ihrer Ausstrahlung am 5. Dezember für heftige Diskussionen sorgt.

Geschildert wird darin der Fall eines Reitlehrers, der eigentlich als abgeschlossen und erledigt galt – der aber angesichts der jüngsten Entwicklungen neuerliche Brisanz erhält und die FN in Erklärungsnot bringt. Der Reitlehrer war im Mai des Vorjahres rechtskräftig zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden, nachdem er über ein Jahr hinweg eine damals 13-jährige Reitschülerin mehrmals sexuell missbraucht hatte. Das Mädchen schwieg aus Angst und aus Scham – nur durch Zufall kamen die Vorfälle ans Licht und erschütterten die ganze Familie zutiefst: „Für mich hat sich das so angefühlt, als wenn ich mit 100 km/h gegen eine Betonwand gefahren bin. Das Leben, was wir bis dahin hatten, war innerhalb von einem Moment komplett vorbei“, so Mutter gegenüber dem WDR. Die Familie erstattete Anzeige gegen den Reitlehrer – um das Geschehen zu verarbeiten und auch andere Kinder vor dem Sexualtäter zu schützen.

Nach der rechtskräftigen Verurteilung des Reitlehrers hoffte die Familie, mit dem traumatischen Geschehen abschließen zu können: „Das war im Grunde eine Genugtuung, dass der Weg, den wir gegangen sind, nicht umsonst war. Es ist einfach Gerechtigkeit passiert“, so die Mutter des Mädchens. Doch die Vergangenheit holte die gepeinigte Familie rasch wieder ein: Bereits ein Jahr nach der Verurteilung durfte der Täter tagsüber die Haftanstalt wieder unter Auflagen verlassen und startete sogar wieder auf Turnieren, wie der WDR berichtete. Die Familie des Mädchens „fiel aus allen Wolken“, wie die Mutter fassungslos meinte: „Da fragt man sich doch: Was hab ich da getan? Wofür hab ich das getan? Dafür, dass der zwölf Monate sitzt und dann nachher wieder so weitermacht wie bisher? Das kann nicht sein!“

Das Gericht sei, so der WDR weiter, damals von der Annahme ausgegangen, dass der Verurteilte nie wieder im Reitsport Fuß fassen könnte – eine fatale Fehleinschätzung, wie sich nun zeigt. „Ich empfinde das als himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass so ein 16-jähriges Mädchen, das so gekämpft hat dafür, Recht zu bekommen, jetzt aufpassen muss, auf welchem Turnier sie startet und reitet, nur um diesem Menschen nicht mehr begegnen zu müssen. Das kann nicht richtig sein – und das kann auch der Dachverband und die FN nicht als richtig empfinden“, so die empörte Mutter des Mädchens.

Tatsächlich tut sich dieser im Umgang mit dem Fall seltsam schwer: Man entzog nach dem Urteil dem Mann zwar die Trainerlizenz, nicht aber die Turnierlizenz, weshalb es auch möglich war, dass der Mann auf seinem Freigang wieder bei Reitturnieren teilnehmen konnte. Für einen Entzug der Reitlizenz fehle die Rechtsgrundlage, hieß es noch vor kurzem. Die FN-Disziplinarkommission habe in einem Gespräch zu dieser Angelegenheit laut Sportdirektor Dennis Peiler „ganz klar signalisiert", dass der Entzug der Jahresturnierlizenz rechtswidrig wäre und „keine Aussicht auf Erfolg" habe. Gegenüber dem WDR bestritt die Disziplinarkommission jedoch diese Darstellung – man habe vielmehr bei der Unterredung angeregt, dem verurteilten Reitlehrer die Verlängerung der Jahresturnierlizenz zu verweigern.

So ist seitens des Verbandes jedoch nichts passiert – obwohl man seit über vier Monaten von der Turnierteilnahme des Straftäters informiert war und auch die Familie die FN schriftlich ersucht hatte, ihm die Jahreslizenz zu entziehen, so der WDR. „Ich empfinde das tatsächlich so, dass unsere Tochter für ihren Mut und den Weg, den sie gegangen ist, bestraft wird – weil sie zurückstecken muss und der Täter so weitermachen kann wie bisher, zumindest was das Reiten angeht“, so die Mutter des Opfers.

Für den WDR geht es mittlerweile auch um die Glaubwürdigkeit der FN – der zwar medienwirksam den Kampf gegen sexualisierte Gewalt im Reitsport auf seine Fahnen geheftet hat, aber in diesem konkreten Fall dem Opfer seine Unterstützung auf beschämende Weise versagt. Das sieht auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, so: Die FN müsse als Verband „ein ganz klares Signal setzen, dass nicht toleriert wird, dass ein verurteilter Sexualstraftäter an solchen Turnieren teilnimmt – und ich würde vorschlagen, die Turnierlizenz zu versagen und es zur Not auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen zu lassen“, so Rörig. Wichtig sei die Haltung „pro Kind und gegen Gewalt im Sport.“

Erst durch die Nachfrage des WDR und der Familie hat die FN schließlich doch noch reagiert und schriftlich zugesagt, ein Verfahren zum Lizenzentzug gegen den verurteilten Reitlehrer einzuleiten. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende, wie es am Ende des Beitrags heißt: Die Familie des Mädchens „kämpft weiter für ihr Recht, für Wahrheit, gegen Lüge – und gegen Worte ohne Wert von Sportfunktionären, die am Ende doch Täter schützen und nicht die Kinder", so das beklemmende Resümee ...

Den kompletten Beitrag ,Worte ohne Wert“ kann man hier in der WDR-Mediathek ansehen.

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