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Ist das Pferd wirklich der Klimakiller unter den Haustieren?
03.01.2019 / News

Sind die friedlich grasenden Vierbeiner wirklich Klimakiller? Wir haben da so unsere Zweifel ...
Sind die friedlich grasenden Vierbeiner wirklich Klimakiller? Wir haben da so unsere Zweifel ... / Symbolfoto: Martin Haller

Nach einem Bericht der ,Süddeutschen Zeitung’ ist das Pferd der größte Klimasünder unter den Haustieren und hinterlässt einen gewaltigen ökologischen Hufabdruck: Die Haltung eines Pferdes verursache eine ebenso große jährliche Umweltbelastung wie eine 21.500 km lange Autobahnfahrt. Aber kann das stimmen? Ein Kommentar von Leo Pingitzer.

 

„Das Pferd als Klimasünder“ – mit diesem launigen Titel hat die ,Süddeutsche Zeitung’ das neue Jahr eröffnet und damit wohl sämtlichen Pferdebesitzern einen riesigen Schrecken und vielleicht auch ein schlechtes Gewissen eingejagt. Der Artikel bezieht sich auf die Ergebnisse einer Schweizer Studie, in der erstmals die Ökobilanz von Haus- und Heimtieren näher untersucht wurde – zweifellos ein ehrenwertes und auch wichtiges Unterfangen, denn Haustiere sind für immer mehr Menschen unverzichtbare, geliebte Freizeitpartner und in entwickelten Gesellschaften mittlerweile so zahlreich, dass ihre Haltung zweifellos auch aus Sicht der Umwelt relevant und untersuchenswert erscheint. Das Beratungsunternehmen ,ESU-Services’, das die Studie durchgeführt hat, führt dazu aus: „In der vorliegenden Ökobilanz, die im Rahmen eines Praktikums erarbeitet wurde, wurden sechs in der Schweiz häufig gehaltene Tierarten untersucht: das Pferd, der Hund, die Katze, das Kaninchen, der Ziervogel und der Zierfisch. In der Datenerhebung werden alle relevanten Einflüsse auf die Umwelt erfasst. Darunter fallen Fütterung, Behausung, Fäkalien, Fahrten mit dem Pkw und sonstige Anschaffungen, die durch das Haustier begründet sind. Bewertet wurden die relevanten Umweltaspekte mittels zweier Methoden, der Methode der ökologischen Knappheit 2013 (Umweltbelastungspunkte) und des Klimaänderungspotentials.“

Das zentrale Ergebnis der Untersuchung: Das Pferd hat als Haustier die bei weitem ,schlechteste’ Ökobilanz und belastet die Umwelt deutlich stärker als Hund, Katze & Co. Die Haltung eines Pferdes kann fast 30 % (also etwa 7,8 Millionen UBP = Umweltbelastungspunkte) der jährlichen Umweltbelastung einer in der Schweiz lebenden Person (die im Durchschnitt bei ca. 21 Millionen UBP liegt) ausmachen – bei einem Hund beträgt dieser Anteil hingegen nur ca. 6 % (= 1,3 Mio. UBP), bei einer Katze gar nur 2 % (= 0,51 Mio. UBP).

Generell hat sich gezeigt, dass die Belastungen mit der Grösse des Haustieres (und dem damit verbundenen größeren Futterbedarf) zunehmen: „Je grösser und schwerer das Tier desto höher sind die verursachten Umweltbelastungen. Andere Aspekte, wie die Behausung, können je nach Tierart stark variieren.“ Der wichtigste Faktor ist dabei die Fütterung – diese verursacht beim Pferd rund 75 % der Belastung, wobei ca. 60 % auf Raufutter wie Stroh und Heu entfallen, weitere Futtermittel (z. B. Kraftfutter) machen ca. 14 % aus. Die Umweltbelastungen eines Pferdes nehmen weiter zu, wenn man mit ihm auch noch auf Turniere fährt – auf der andere Seite lassen sie sich auch deutlich verringern, wenn man z. B. Hobelspäne anstelle von Stroh als Einstreu verwendet – dann fällt die Ökobilanz um fast ein Drittel besser aus.

Unterm Strich bleibt dennoch ein für Pferdebesitzer ernüchterndes Resümee: „Der durchschnittliche Schweizer Konsum an Produkten (Nahrungsmittel, Textilien, Geräte, usw.) und Dienstleistungen (Reisen, Veranstaltungen, öffentliches Versorgungsnetz, usw.) belastet die Umwelt. Die Haltung eines Tieres kann, gerade bei grossen Tieren wie dem Pferd, einen relevanten Einfluss auf diese individuell verursachte Umweltbelastung haben." Haben Pferdehalter also tatsächlich Grund für ein schlechtes Gewissen? Individuell betrachtet trifft das wohl zu, wenn man den Ergebnissen der Studie Glauben schenkt. Immerhin merken die Autoren an, dass mit Blick auf die gesamte Schweiz die Haustierhaltung nur von „untergeordneter Bedeutung" ist: „Sie macht nur etwa 1,2 % der gesamten Umweltbelastungen aus, die durch den Schweizer Konsum verursacht werden."

Dem einzelnen Pferdebesitzer hilft dies aber nur wenig – er muss mit der Tatsache bzw. dem Vorwurf leben, durch die Haltung eines Pferdes seine persönliche Ökobilanz gravierend zu verschlechtern und sich unter allen Haustieren dasjenige ausgesucht zu haben, das den größten ökologischen Pfoten- bzw. Hufabdruck hinterlässt: kein schöner Gedanke! Und er müsste – konsequent zu Ende gedacht – bei Diskussionen um Umweltschutz und Ökologie eigentlich mit schuldbewusst gesenktem Haupt den Saal verlassen ...

Aber: Stimmt denn dieser Vorwurf tatsächlich – oder wurde in der Schweizer Studie nicht doch irgendetwas, womöglich Entscheidendes, übersehen? Offen gesagt hege ich genau diesen Verdacht: Der friedlich grasende Vierbeiner auf der Koppel, der nie einen Turnierplatz gesehen hat, soll in Wahrheit ein verkappter Klima-Schurke sein, der meine Ökobilanz verhagelt? Ganz ehrlich: Da kann irgendetwas nicht stimmen! Und es stimmt auch etwas nicht.

Befasst man sich etwas näher mit der Problematik, so kam bereits einmal eine Tierart in den Verdacht, ein Klima-Killer zu sein – nämlich Kühe. Diese produzieren beim Verdauen ihrer pflanzlichen Nahrung im Magen erhebliche Mengen Methan, das bis zu 25-mal klimschädlicher ist als CO2. Wenn ein Hausrind also täglich geschätzte 150 bis 250 l Methan ausstösst und es weltweit ca. 1,5 Milliarden Rinder gibt, so ergibt sich ein beträchtlicher Beitrag der Kuh zum globalen Klimawandel – nach Daten des deutschen Umwelt-Bundesamtes sollen Landwirtschaft und Viehzucht zusammengenommen für immerhin etwa sieben Prozent der Emissionen verantwortlich sein.

Zum Glück meldeten sich in der damaligen Debatte auch andere Stimmen zu Wort – die auf eine gewichtige Schwachstelle in dieser Argumentation hinwiesen: Denn die Kuh produziert eben nicht nur Emissionen in Form von Methan, sondern ist – jedenfalls bei natürlicher, nachhaltiger Weidehaltung – Teil eines funktionierenden Ökosystems, in dem sie zur Erhaltung großer Weideflächen als Futtergrundlage und Lebensraum beiträgt. Das von den Kühen genutzte und erhaltene Grünland schützt nicht nur vor Erosion, sondern ist auch ein enorm leistungsfähiger Kohlenstoff-Speicher, der das Weltklima positiv beeeinflusst und dem Treibhauseffekt entgegenwirkt. Und diesen effizienten CO2-Speicher ,Weideland' gäbe es nicht – oder nur in drastisch geringerem Ausmaß – ohne Weidetiere wie Kühe, Schafe, Ziegen und natürlich auch Pferde. Weide und Weidetier sind ein seit Jahrtausenden eingespieltes ökologisches Dream-Team, das einander braucht und bedingt – und gewaltige Mengen Kohlenstoff in Form von Humus im Boden speichert. (Ein Effekt, der sich jedoch bei ,industrieller Landwirtschaft', welche die Kühe in betonierte Ställe stellt und mit Mais und Soja mästet, ins Gegenteil verkehrt.)

Das alles kann man in dem wichtigen und überaus empfehlenswerten Buch der Tierärztin und Wissenschaftlerin Dr. Anita Idel „Die Kuh ist kein Klimakiller!" nachlesen – und ihr zentrales Argument ist auch die große Lücke der eingangs erwähnten Schweizer Studie: Diese vergisst nämlich, den positiven Beitrag des Weidetieres Pferd auf das Weltklima mitzuberechnen, nämlich die Erhaltung großer Grünland- und Weideflächen, die ansonsten entweder als Ackerland oder als Bauland ,verwertet' und dadurch ihre Funktion als CO2-Speicher verlieren würden. Dauergründland ist lt. Dr. Anita Idel „der größte landgestützte Kohlenstoffspeicher im EU-Raum". Geht eine Tonne Humus verloren, werden rund 1,8 Tonnen CO2 freigesetzt.

Man sollte also vorsichtig sein, nach der Kuh nun dem Pferd den Schwarzen Peter als ,Klima-Sünder' oder gar ,Klima-Killer' zuzuspielen – denn eine umfassende, sinnvolle Öko-Bilanzierung darf nicht nur die Belastungen und Negativa unserer Haustiere zusammenfassen, wie das die Schweizer Studie tut, sondern müsste auch die positiven Beiträge einberechnen. Und so betrachtet würden weder Kühe noch Pferde das Prädikat ,Klimakiller' oder ,Klimasünder' verdienen.

Ganz zu schweigen von einem weiteren wichtigen Punkt, der am Ende auch der ,Süddeutschen Zeitung' aufgefallen ist: „Was eine Ökobilanz jedoch nicht erfassen kann, sind die vielfältigen, mitunter ebenfalls ökologisch relevanten Vorteile, welche mit der Haltung eines Haustieres einhergehen können: die regelmäßige Bewegung des Halters an der frischen Luft oder eine Senkung des Blutdrucks sowie der Herzfrequenz dank der beruhigenden Wirkung tierischer Lebensbegleiter."

Mit anderen Worten: Tiere machen unser Leben reicher und lebenswerter – und verbessern damit jedenfalls die ,Öko-Bilanz' unseres eigenen Lebens beträchtlich, meint Ihr

Leo Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

Kommentare

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2) Karin Tobollik: Ich möchte nur einen Punkt aus dem Artikel aufgreifen. Thema: Stroh als Einstreu. Stroh ist ein Abfallprodukt bei der Getreideproduktion. Wenn man es nicht als Einstreu verwendet, sondern unterpfllügt braucht es beim verrotten fast genauso viel CO2, wie später beim Verrotten auf dem misthaufen. Wie rechne ich das in die CO2 Bilanz hinein, zur Getreideproduktion 100 % oder 50% zum Getreide und 50 % zum Pferd?

Donnerstag, 12. Januar 2023
1) horse-peter: Sehr geehrter Herr Pingitzer,

wenn ich in dem Artikel in der Süddeutschen das Zitat Aber werden anstelle von Stroh als Streu lokale Hobelspäne verwendet, sinkt die Umweltbelastung immerhin um fast 30 Prozent. lese, dann weiß ich, dass ich diese Studie nicht lesen muss. Denn sie wurde offensichtlich von Leuten gemacht, die keinen blassen Dunst von Landwirtschaft, Landschaftspflege und Ökologie haben.
Wenn – neben den von Ihnen zu Recht angeführten Argumenten - zudem die Pferdebesitzer ihre Pferde nicht nur für Freizeit, Hobby und Sport, sondern auch für die täglich anfallenden Arbeiten nutzen würden, die zur Pferdehaltung gehören (Reitplatz und Wiese abziehen, Heu machen, Mist ausbringen, Wasserfass fahren, Zaun auf- und abbauen etc.), anstatt dies mit einem Trecker oder Quad zu verrichten, oder auch für die Erledigung „häuslicher“ Aufgaben (zum Bäcker oder Metzger reiten/fahren, anstatt den Porsche zu bemühen, den Wocheneinkauf mit der Kutsche erledigen, die Kinder damit zur Schule bringen, oder was sonst vor Ort möglich ist), dann sähe die Sache nochmals ganz anders aus! Dabei geht es keinesfalls darum, „auf Nostalgie zu machen“! Wie Sie sich u.a. auf den Internetseiten der österreichischen ÖIPK (www.pferdekraft.at), der Deutschen IGZ (www.ig-zugpferde.de), der europäischen Dachvereinigung FECTU (www.fectu.org) oder auch hier (www.modern-horse-power.org) überzeugen können, ist der Einsatz von Arbeitspferden in Kombination mit moderner Gerätetechnik hochmodern und absolut nachhaltig! Portale wie das Ihre sowie die zahllosen Pferdezeitschriften könnten hier wichtige Hilfestellung leisten, indem sie über die Möglichkeiten des modernen Pferdeeinsatzes berichten und diesen bewerben.
Zur Vertiefung des Themas: https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2017061352613/5/DissertationPeterHerold.pdf

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Peter Herold
Montag, 7. Januar 2019
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