Lehrvideo: Wo das Zaumzeug Schmerzen verursacht – und wie man sie vermeidet 17.01.2019 / News
Der empfindliche Infraorbital-Nerv kann durch zu eng sitzendes Zaumzeug beeinträchtigt werden. / Quelle: Equitopia/Screenshot Lehrvideo Das sensible Gaumengewebe kann zwischen den Oberkiefer-Zähnen und dem Nasenriemen eingequetscht und verletzt werden. / Quelle: Equitopia/Screenshot Lehrvideo
Die Plattform ,Equitopia’ hat ein Lehrvideo veröffentlicht, in dem die besonders sensiblen Bereiche des Pferdekopfes vorgestellt werden, in denen das Zaumzeug Schmerzen verursachen kann.
Für das Lehrvideo hat sich ,Equitopia’-Gründerin Caroline Hegarty wieder hochkarätige Unterstützung geholt – nämlich den Zaumzeug-Experten William Micklem und die Tierärztin Dr. Monica Aleman von der Universität Kalifornien in Davis (USA). Im Zentrum steht eine detaillierte Analyse der Anatomie des Pferdekopfes – und die vielfältigen negativen Auswirkungen, die durch falsche oder falsch sitzende Ausrüstung verursacht werden können und bei Pferden zu Schmerzen und Unbehagen führen. Das muss nicht sein, so die zentrale Botschaft des Videos.
William Micklem: „Es ist nicht wahr, dass die meisten Pferde wild sind. Die meisten Pferde sind fügsam und sehr willig, mit dem Menschen zusammenzuarbeiten. Es gibt einen Grund, warum sich viele Pferde schlecht benehmen – nämlich weil sie Unbehagen oder Schmerzen haben. Und der häufigste Grund für dieses Unbehagen und diese Schmerzen ist das Kopfzeug des Pferdes, das Zaumzeug, der Nasenriemen und das Gebiss. Eine unheilvolle Rolle spielt auch diese Einstellung, dass wir die Pferde unterwerfen müssen, dass wir Unterordnung brauchen – ich dagegen würde viel eher den Begriff Akzeptanz verwenden.“
Im Lehrvideo werden insgesamt fünf Bereiche bzw. Areale für Unbehagen und Schmerzen am Pferdekopf angesprochen und analysiert, nämlich:
– das Genick (the poll), von dem eine Vielzahl von Nerven ausgehen und das daher besonders empfindlich für Druck ist, der von einer unpassenden Zäumung ausgehen kann;
– der Kiefer (the jaw), der durch seine anatomischen Eigenheiten ebenfalls für Probleme sorgen kann: So ist der Oberkiefer deutlich breiter als der Unterkiefer, weshalb das sensible Gaumengewebe zwischen den Zähne des Oberkiefers und dem Nasenriemen eingequetscht und verletzt werden kann
– der Infraorbital-Nerv (the infraorbital nerve), der durch zwei Öffnungen an der Vorderfläche des Oberkieferknochens austritt und die gesamte untere Gesichts- bzw. Nüsternregion umfasst. Konstanter Druck, der hier etwa durch einen zu eng verschnallten Nasenriemen ausgeübt wird, kann zu Taubheitsgefühl und Schmerzen führen;
– das Nasenbein (the nasal bones), das ein sehr dünner, freiliegender Knochen ist und das etwa durch besonders tiefliegende Nasenriemen, wie sie neuerdings immer öfter zu sehen sind, beeinträchtigt und sogar gebrochen werden kann
– die Laden (the bars of the mouth) bzw. die Unterkieferäste, die nur von einer dünnen, sehr empfindlichen Gewebeschicht überzogen und daher dem Druck einer Trense weitgehend ungeschützt preisgegeben sind.
Im Video werden die anatomischen Eigenheiten jedes einzelnen Areals besprochen – und die fatalen Auswirkungen vor Augen geführt, die eine falsche bzw. falsch sitzende Ausrüstung haben kann. Genau an diesen fünf ,neuralgischen Punkten’ des Pferdekopfes orientiert sich auch die von William Micklem entwickelte und auch nach ihm benannte Zäumung – das Micklem Bridle, das im letzten Teil des Videos detailliert vorgestellt wird. „Es geht um eine andere Denkweise. Traditionen können geändert und Pferde menschlicher behandelt werden“, so William Micklem.
Die Plattform ,Equitopia’ wurde gegründet, um auf verständliche, praxisnahe Art und Weise aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse rund um das Pferd und seine Verhaltensweisen zu vermitteln – mit dem Ziel, das Wohlbefinden und damit auch die Leistungsfähigkeit von Reitpferden zu verbessern.
Hier das interessante und sehenswerte Interview (in englischer Sprache, aber dennoch sehr anschaulich und gut verständlich) …
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:21.06.2018 - Lehrvideo: Subtile Anzeichen von Lahmheit erkennen
Lehrvideo: Subtile Anzeichen von Lahmheit erkennen 21.06.2018 / News
Ein deutliches Zeichen von Lahmheit ist eine asymmetrische Kopfhaltung beim Vortraben (hier nach unten zeigend) – doch andere, subtilere Signale sind wesentlich schwieriger zu erkennen, wie das Lehrvideo verrät. / Foto: Screenshot Youtube-Video
Viele Reitpferde leiden unter Lahmheiten oder Gang-Anomalien aufgrund von Schmerzen – doch diese werden im Alltag vielfach übersehen oder auf andere Faktoren zurückgeführt. Ein eindrucksvolles Lehrvideo möchte Reiter und Pferdebesitzer auf das Problem hinweisen und über die Ursachen aufklären.
Auf die hochkarätige Lehrvideos haben wir bereits in einem anderen Beitrag hingewiesen. Den Auftakt der bahnbrechenden Video-Serie bildet die Folge „Recognizing Subtle Lameness“ (Subtile Anzeichen von Lahmheit erkennen), in dem es ebenfalls darum geht, frühzeitig Schmerzanzeichen bzw. Schmerzäußerungen beim Pferd zu erkennen, in diesem Fall bezogen auf das Gangbild und die Bewegungen des Pferdes – also Lahmheiten im weitesten Sinn des Wortes. Verhaltens- und Lahmheits-Spezialistin Dr. Sue Dyson weiß aus ihrer täglichen Praxis, dass Reiter, Pferdebesitzer und Trainer bei Problemen meist das Pferd selbst verantwortlich machen: „Jeder glaubt, es muss irgendein Verhaltensproblem oder ein Problem beim Training sein. Dass Schmerzen die Ursache dafür sein könnten, warum das Pferd irgendetwas nicht machen will, ist meist das letzte, woran die Leute denken.“
Dabei dürfte Schmerz der mit Abstand häufigste Grund dafür sein, dass Pferde – vielfach versteckt – Lahmheits-Symptome in unterschiedlicher Intensität zeigen. Dr. Sue Dyson verweist dabei auf eine unter ihrer Leitung erstellte Studie, bei der 506 Sportpferde, die von ihren Besitzern normal gearbeitet wurden und nach deren Ansicht keinerlei Beeinträchtigung oder Lahmheit zeigten, einer eingehenden Analyse durch Experten unterzogen – und das Ergebnis war erschreckend: 47 % dieser Pferde zeigten entweder Anzeichen von Lahmheit oder anderer Gang-Anomalien wie z. B. eine auffallende Steifheit bzw. Verhaltenheit im Galopp. Dr. Sue Dyson: „Einige davon waren zwar nur geringgradig – doch andere waren ziemlich offensichtlich.“
Das bestätigt auch Anne Bondi, die Gründerin des ,Saddle Research Trust’: Sie sehe auf jeglichem Niveau – bei Anfängern ebenso wie bei Amateuren, aber auch bei professionellen Sportreitern auf hochkarätigen Events Pferde, die mit Problemen kämpfen – und die Reiter bemerken das einfach nicht bzw. verlassen sich auf die Kommandos und Instruktionen ihres Trainers. Und die sagen meist „Mach einfach weiter, du musst das durcharbeiten („working through it“) – ohne sich selbst die Frage zu stellen: Was ist ,das’ überhaupt?
,Das’ sind in vielen Fällen Schmerzen als darunterliegende Ursache – die sich sogar noch verschlimmern, wenn man sie einfach übergeht und mit den Lektionen weitermacht. Umso wichtiger wäre, sie als solche zu erkennen – doch genau das bereitet vielen Pferdeleuten große Probleme: Subtile, versteckte Schmerz-Symptome sind in der Tat schwer zu identifizieren, und zwar aus einem einfachen Grund: Das Pferd ist, wie Tierärztin Karin Leibbrandt erklärt, von seiner gesamten Evolution her ein Beutetier und möchte daher keine Krankheiten oder Schwäche zeigen, die es zu einem bevorzugten Beuteobjekt machen würden: „Ein Pferd möchte niemals Schmerz zeigen, weil es in freier Natur von anderen Raubtieren gejagt wird, etwa von Löwen – und natürlich möchte ein Pferd einem Löwen nicht zeigen, dass es Schmerzen hat. Daher müssen wir wirklich sehr gute Beobachter sein, um diese entdecken zu können. Zudem sind Pferde sehr gut darin, derartige Schmerzen zu kompensieren“, so Karin Leibbrandt weiter. „Wenn einem Pferd das linke Vorderbein wehtut, wird es sein Gewicht vermehrt auf das rechte Vorderbein verlagern, nur um sein Handicap zu kompensieren, es wird seine Rückentätigkeit verändern und den Schmerz in gewisser Weise gleichmäßig auf alle anderen Körperteile verteilen.“
Wie Dr. Sue Dyson weiter ausführt, sind die offensichtlichen, deutlich erkennbaren Lahmheiten meist das Endstadium einer negativen Entwicklung, dem lange Schonhaltungen und Kompensationen vorausgegangen sind. Das eigentliche Ziel für jeden Reiter und Pferdebesitzer müsse es daher sein, bereits frühzeitig versteckte bzw. subtile Anzeichen von Lahmheit zu erkennen. Eine detaillierte Schilderung – untermauert durch aussagekräftiges Bildmaterial – bildet daher auch das Hauptstück dieses Lehrvideos. Die Liste dieser ,subtilen’ Signale einer Lahmheit ist lang und vielfältig, wie Dr. Sue Dyson bestätigt: So können etwa plötzliche Veränderungen im Bewegungstempo – das Pferd wird plötzlich schnell oder verlangsamt seine Bewegung unvermittelt, das Pferd ist unwillig, hat Schwierigkeiten beim Reiten von Wendungen – oft in eine spezifische Richtung (also nach rechts oder links), Schwierigkeiten bei bestimmten Bewegungen, etwa bei Galoppwechseln, Schwierigkeiten beim Wechsel in eine andere Gangart, etwa beim angaloppieren; das Pferd geht deutlich auf der Vorhand und zeigt zuwenig Hinterhandaktivität, es macht sich im Rücken fest etc. Viele schmerzgeplagte Pferde zeigen auch Anlehnungsprobleme: Der Reiter spürt, dass die Zügelspannung nicht gleichmäßig ist, das Pferd scheint den Kontakt zur Reiterhand vermeiden zu wollen – oder hängt sich nur an einer Seite in den Zügel. Auch wenn das Pferd seinen Kopf ständig hochnimmt oder Kopf und Genick zur Seite nimmt, kann dies auf darunterliegende Schmerzen zurückzuführen sein.
Die plastische und kenntnisreiche Beschreibung der diversen Lahmheits-Symptome durch Dr. Sue Dyson ist eindrucksvoll – die dazu gezeigten Bilder und Video-Sequenzen sind es ebenso und machen dieses Video zu einer enorm lehrreichen, bisweilen auch bedrückenden Erfahrung. Unter den Kommentaren des Youtube-Videos ist etwa zu lesen: „Nachdem ich dieses Video gesehen habe, muss ich erkennen, dass mein Foxtrotter wahrscheinlich lahm ist. Mein Quarter Horse ist es ohne Zweifel. (…) Das Video ist traurig, aber es öffnet einem die Augen.“
Mehr ist dazu kaum zu sagen – ansehen lohnt sich!
08.06.2018 - Lehrvideo: So erkennen Sie Schmerzen im Gesichtsausdruck eines Pferdes
Lehrvideo: So erkennen Sie Schmerzen im Gesichtsausdruck eines Pferdes 08.06.2018 / News
Schmerzen äußern sich frühzeitig im Gesichtsausdruck eines Pferdes – noch bevor eindeutige Verhaltensweisen wie Kopfschlagen, Buckeln oder Lahmheit zu beobachten sind. / Foto: Screenshot Youtube-Video
Eine Serie von Lehrvideos möchte mithelfen, dass Reiter und Pferdebesitzer frühzeitig Schmerzverhalten und Schmerzausdruck bei Pferden erkennen und damit ihr Wohlbefinden verbessern können.
„Wir sind es schuldig, ihnen zuzuhören“ – das ist die zentrale Botschaft hinter einer Reihe von Lehrvideos, die von der Plattform ,Equitopia’ seit April dieses Jahres produziert werden und die in der britischen Pferdeszene derzeit Furore machen. Hochkarätige Experten wie Dr. Sue Dyson, Vorstand für klinische Orthopädie beim Animal Health Trust (AHT) sowie die Verhaltens-Spezialistin Dr. Jeannine Berger vermitteln darin auf verständliche, praxisnahe Art und Weise aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse rund um das Pferd und seine Verhaltensweisen – mit dem Ziel, das Wohlbefinden und damit auch die Leistungsfähigkeit von Reitpferden zu verbessern.
Zentraler Ansatzpunkt in den vier Lehrvideos ist das frühzeitige Erkennen von Schmerzen – sei es im Verhalten, beim Reiten oder auch im Gesichtsausdruck von Pferden. „Pferde versuchen uns zu sagen, wenn es ihnen schlecht geht. Wenn sie das während des Reitens tun, denken wir oft reflexartig, dass das Pferd unfolgsam oder schlecht gelaunt ist, dass es ein Verhaltensproblem hat oder dass wir es sind, die es nicht richtig reiten. Doch sehr oft versucht uns das Pferd einfach zu sagen, dass es Schmerzen hat – und das sollten wir rechtzeitig erkennen und alle nötigen Schritte unternehmen, diesen Zustand zu ändern“, so Dr. Sue Dyson in dem Video „Schmerzen im Gesichtsausdruck eines Pferdes erkennen“ (Recognising Facial Expressions of a Horse in Pain).
In ihrer tierärztlichen und ihrer wissenschaftlichen Arbeit haben Dr. Sue Dyson und Dr. Jeannine Berger die Beobachtung gemacht, dass sich Schmerzen sehr frühzeitig im Gesichtsausdruck eines Pferdes zeigen – und zwar noch bevor eindeutiges Schmerzverhalten wie Kopfschlagen, Buckeln oder Lahmheit auftritt. Wenn dem aber so ist, dann könnten Reiter und Pferdebesitzer aber dazu angeleitet werden, diesen ,schmerzbezogenen Gesichtsausdruck’ rechtzeitig zu erkennen – und eine Lahmheit schon in einem frühen Stadium zu diagnostizieren, bevor noch mehr gesundheitlicher Schaden beim Pferd entsteht.
Für diesen Zweck haben Dr. Sue Dyson und Dr. Jeannine Berger ein sogenanntes ,Ethogramm’ entwickelt, sprich: einen Katalog von Verhaltensweisen bzw. Indikatoren, mit dessen Hilfe Pferdebesitzer sich ein besseres und objektiveres Bild über den ,Schmerzzustand’ eines Pferdes machen können. Dr. Jeannine Berger: „Wir haben in zahlreichen Studien Hunderte von Pferden untersucht und uns detailliert die Unterschiede im Gesichtsausdruck von lahmen und von gesunden Pferden angesehen. Dabei konnten wir eine klare Verbindung zwischen bestimmten Merkmalen im Gesichtsausdruck und der Lahmheit, also dem Schmerzempfinden von Pferden entdecken. Pferde mit Schmerzen haben nachweislich einen anderen Gesichtsausdruck als gesunde, schmerzfreie Pferde.“
Diese werden im Lehrvideo anschaulich demonstriert. Wichtige Indikatoren sind etwa die Ohren, die ständig oder zeitweise nach hinten gerichtet sind. Ein zuverlässiger Anzeiger sind aber auch die Augen: Schmerzgeplagte Pferde haben häufig „diesen finsteren, intensiven, starrenden Blick“, wie Dr. Dyson beschreibt, auch eine ungewöhnliche Spannung im Augenbereich, zeitweise geschlossene Augen oder häufiges Blinzeln können auf Schmerzen hinweisen. Auch das Maul zeigt Veränderungen, es steht häufig offen, das Pferd entblößt seine Zähne oder zeigt seine Zunge. Die Nüstern können gebläht sein, wobei sich eine scharfe Falte zwischen den Nüstern abzeichnet. Ein weiterer Indikator für Schmerzverhalten kann auch eine Kopfhaltung deutlich hinter der Senkrechten sein – oder wenn Pferde den Kopf wiederholt auf eine Seite drehen.
„Es ist wichtig zu wissen“, so erklärt das Lehrvideo, „dass es niemals nur ein einziges abnormales Element im Gesichtsausdruck eines Pferdes ist, sondern dass es stets mehrere Signale gemeinsam sind, die darunterliegende Schmerzen anzeigen.“ Dies könnten etwa rückwärtsgerichtete Ohren, angespannte Augenwinkel, geweitete Nüstern und ein geöffnetes Maul sein.
All diese Verhaltensänderungen werden im Video auf eindrucksvolle Weise gezeigt – und das ist zweifellos seine große Stärke: Die Fotos und Video-Sequenzen, die aus zahllosen Verhaltens-Tests, Studien und Untersuchungen stammen, sagen mehr als tausend Worte, sind anschaulicher und aussagekräftiger als ellenlange Texte und Beschreibungen – und zweifellos am besten geeignet, das Auge von Reitern und Pferdebesitzern zu schulen, damit diese frühzeitig Schmerzen und schmerzbezogene Verhaltensweisen bei ihren Pferden erkennen und deren Ursachen bekämpfen können.
Hier das eindrucksvolle Video – anschauen lohnt sich!
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