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Mein Abenteuer bei den Highland Ponys der Insel Rum
29.01.2019 / News

Die Highland Ponys der Insel Rum werden für ganz spezielle Transport-Aufgaben herangezogen – mit eigens angepassten Tragesätteln.
Die Highland Ponys der Insel Rum werden für ganz spezielle Transport-Aufgaben herangezogen – mit eigens angepassten Tragesätteln. / Foto: Iona Wener
Wer einmal Schottland besucht hat, kann gar nicht genug davon bekommen – und auf der Insel Rum ist Schottland besonders schön und ursprünglich.
Wer einmal Schottland besucht hat, kann gar nicht genug davon bekommen – und auf der Insel Rum ist Schottland besonders schön und ursprünglich. / Foto: Iona Wener
Wild-romantisch und rau ist die Landschaft der Insel Rum.
Wild-romantisch und rau ist die Landschaft der Insel Rum. / Foto: Iona Wener
Die Haut eines erlegten Tieres gewöhnt die Ponys an den Geruch, der mit dem Tragen des toten Wilds verbunden ist.
Die Haut eines erlegten Tieres gewöhnt die Ponys an den Geruch, der mit dem Tragen des toten Wilds verbunden ist. / Foto: Iona Wener
Auch in schwierigen oder komplizierten Situationen müssen die Ponys Nervenstärke und Trittsicherheit bewahren.
Auch in schwierigen oder komplizierten Situationen müssen die Ponys Nervenstärke und Trittsicherheit bewahren. / Foto: Iona Wener
Die Ponys müssen während ihrer Ausbildung alles kennenlernen – auch das problemlose Überqueren von größeren und kleineren Brücken.
Die Ponys müssen während ihrer Ausbildung alles kennenlernen – auch das problemlose Überqueren von größeren und kleineren Brücken. / Foto: Iona Wener

ProPferd-Autorin Iona Wener hat zwei Wochen auf der schottischen Insel Rum verbracht und dabei auch die berühmten Highland Ponys der Insel kennengelernt, die hier seit Jahrhunderten zuhause sind und auch eine spezielle Transport-Aufgabe verrichten. Ein Reisebericht.

 

Wer Schottland kennt, der weiß, wie beeindruckend schön dieses Land sein kann – und nirgendwo kann man diese Schönheit unmittelbarer und unverfälschter erfahren als auf der Insel Rum an der schottischen Westküste, die neben den Inseln Eigg, Muck und Canna zu den sogenannten Small Isles („Kleine Inseln“) gehört und rund 105 Quadratkilometer groß ist. Die Insel ist Jahr für Jahr das Ziel Tausender Touristen und betört diese nicht nur mit ihrer wild-romantischen Landschaft, sondern auch mit einer einzigartigen Pflanzen- und Tierwelt, zu der auch die von vielen Legenden umwobenen Highland Ponys der Insel gehören, die Rum-Ponies. Tatsächlich befindet sich hier die älteste Highland Pony Zucht Schottlands – und das machte sie für mich zu einem unwiderstehlichen Reiseziel.

Einst beheimatete die Insel rund 450 Einwohner, bis diese im Zuge der sogenannten „Highland Clearances“ in den Jahren 1826/27 die Insel und somit ihre Heimat verlassen mussten. Einer der Gründe für diese „Räumungen“ war die Einführung der flächendeckenden Schafzucht in den schottischen Highlands. Rum wurde zu einer einzigen riesigen Schafweide mit rund 8.000 Tieren. Menschen hingegen war der Zutritt zur Insel verwehrt, was ihr den Namen „the forbidden Island“ („die verbotene Insel“) einbrachte. Über die folgenden Jahre wechselte die Insel immer wieder ihren Besitzer, bis sie schlussendlich im Jahr 1957 vom Rat für Naturschutz, heute bekannt als Scottish Natural Heritage oder kurz SNH für 23.000 Pfund erworben und in ein Naturschutzgebiet umgewandelt wurde. Heute leben auf Rum noch etwa 22 Menschen zusammen mit einer enormen Vielfalt an Tieren und auch einer kleinen Herde der berühmten Rum Ponys. Seit 2009/10 existiert ein sogenannter „Community Trust“, der für die eigenständige Verwaltung der Insel sorgt, während sich  SNH dazu verpflichtet hat die Ursprünglichkeit dieser besonderen Pony Rasse, die sowohl das Land, als auch das Leben vieler Highland Bewohner entscheidend beeinflusst hat, zu bewahren und in Ehren zu halten.
 
Reise nach Rum
Im September 2018 hatte ich die Möglichkeit, zwei Wochen auf der Insel Rum zu verbringen und dabei auch die berühmten Ponys kennenzulernen – für mich ein absoluter Traum! Was hätte es nach einem anstrengenden letzten Schuljahr, voller Prüfungen und Herumsitzen Schöneres geben können? Tschüss Deutschland, hallo Schottland hieß es also nun für mich. Ich machte mich von Fort William mit dem Zug auf Richtung Mallaig. Vielen wird diese Strecke durch den berühmten Loch Shiel und über das Glenfinnan-Viaduct aus den Harry Potter Filmen sehr gut bekannt vorkommen, und so wie es Harry Potter auf dem Weg nach Hogwarts vorgekommen sein muss, wurde mir schnell bewusst, dass auch ich mich auf einer magische Reise befand. Für mich ging es zwar nicht nach Hogwarts, sondern zu den Wurzeln der ersten Highland Bewohner und ihren Highland Ponys.

Leider war meine Überfahrt mit der Fähre alles andere als magisch – Schottland begrüßte mich mit herbem Charme, den man in diesem Fall auch als ungemütlich, kalt und nass beschreiben kann. Als ich schließlich am Hafen von Rum angelangt war, wurde es mir allerdings sogleich warm ums Herz, denn die Sonne schien und vor mir lag eine beeindruckend schöne Insel. Empfangen wurde ich von Lesley, der SNH Arbeiterin Vorort, die sich sowohl um alle freiwilligen Arbeiter, so wie mich, als auch um die 20 Ponys auf der Insel kümmert, empfangen. Sie zeigte mir die wichtigsten Plätze in dem kleine Dorf das sich am Rande des Kinloch Bay befindet. Anschließend brachte mich zu meiner Unterkunft. Für die nächsten zwei Wochen würde ich mir, zusammen mit allen anderen freiwilligen Arbeitern ein schönes Cottage teilen. Die Zeit, bis ich die Ponys kennenlernen würde, überbrückte ich mit langen Spaziergängen durch die schöne Landschaft der Insel. Als zwei Tage nach mir Heather und Julie ankamen, stand dem Kennenlernen der Ponys nichts mehr im Wege.

Ponys mit Geschichte
Wer schon einmal etwas von den Rum Ponys gehört hat, weiß, dass sie bekannt für ihre einzigartigen und durchaus speziellen Fellfarben sind. So war auch ich sehr gespannt, diese besonderen Ponys einmal live und in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben. Und ich wurde nicht enttäuscht: Über Jahrhunderte geprägt von dieser urtümlichen, wilden Landschaft, trägt jedes Highland Pony ein Stück Schottlands in sich. Die Ponyherde taucht erstmals 1772 in Urkunden auf und wurde in einem Dokument aus dem Jahr 1775 als „sehr klein, aber von herausragender Schönheit“ beschrieben – eine Charakterisierung, die ich voll und ganz unterschreiben kann: Mit ihren weichen Nüstern, dem dichten Fell und dem sanften Blick in ihren Augen bilden sie einen reizvollen Kontrast zu ihrer rauen Umgebung, in der sie seit Jahrhunderten Generationen leben. Die Highland-Ponys der Insel Rum sind mit einem Stockmaß von durchschnittlich ca. 130 cm tatsächlich klein und von interessanter Farbzeichnung, mit einem Aalstrich am Rücken und Zebrastreifen an den Vorderbeinen, was Spekulationen genährt hat, dass sie möglicherweise von alten, nordeuropäischen Pferdeschlägen abstammen. Auch ein Einfluss von importierten Pferden aus dem westlichen Mittelmeerraum ist nicht auszuschließen – gänzlich geklärt ist diese Frage aber nicht.

Besondere Transport-Aufgaben
Die Highland Ponys auf der Isle of Rum werden heute wie damals als Tragtiere eingesetzt, denn sie gelangen an Orte, die mit Fahrzeugen nur schwer erreichbar sind. Was sie so besonders und weltweit wohl einzigartig macht, ist der Umstand, dass die Ponys wie in alten Zeiten für das Tragen von erlegtem Wild verwendet werden, denn die riesigen Wildbestände auf der Insel müssen – mangels natürlicher Feinde – von der Naturschutzbehörde reguliert werden, was unter strengen Richtlinien durch geprüfte Jagdhüter bzw. unter deren Aufsicht geschieht. Für den Transport der erlegten Tiere – die bis zu 100 kg schwer sein können – in ein Kühlhaus auf der Insel verwendet man die stämmigen, kräftigen Highland Ponys, die für ihre Tätigkeit als „Deer-Stalking Ponys“ nicht nur speziell ausgebildet, sondern auch ausgerüstet werden.

Während meines zweiwöchigen Aufenthalts hatte ich u. a. auch die Aufgabe, mit den jungen oder unerfahrenen Ponys zu arbeiten und bei ihrem Training als künftige Deer-Stalking Ponys mitzuhelfen. In diesem Fall waren es die beiden Stuten Bonnie und Fraoch (gälisch für Heather), die an die Arbeit herangeführt werden sollten. Dazu gehört u. a. die langsame Gewöhnung der Ponys an den Geruch von Blut bzw. von totem Tier, was für die meisten Ponys eine erhebliche Hürde darstellt und über die Haut eines frisch erlegten Hirsches geschieht. Es war interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die beiden Ponys darauf reagierten: Fraoch schien kein Problem damit zu haben, Bonnie hingegen war weniger begeistert. Die Ponys müssen aber lernen, auch dann ruhig und verlässlich stehenzubleiben, wenn sie von diesen Gerüchen umgeben sind – eine lebenswichtige Lektion, denn ein Pony, das beim Beladen mit einem 100 kg schweren Hirsch unruhig oder gar panisch wird, gefährdet nicht nur sich, sondern auch andere Menschen und Tiere.

Die Kunst des „Deer Stalking“
Lernen mussten wir auch, den Deer-Stalking Sattel korrekt aufzulegen und zu gurten – eine gar nicht so einfache Übung. Anschließend sollten wir immer eine Runde spazieren gehen, einfach um Bonnie und Fraoch die Chance zu geben, sich sowohl an uns als auch an das Gewicht am Rücken zu gewöhnen. Diese Prozedur wiederholten wir die folgenden drei Tage – und jeden Tag machten die beiden Fortschritte. Spannend wurde es, als wir das erste Mal das gesamten Deer-Stalking Team, mitsamt unseren beiden relativ unerfahrenen Ponys begleiten durften. Unser Weg führte uns bei strahlendem Sonnenschein weit hinauf in die Berge, sicher geleitet wurden wir von den beiden Ghillies (gälisch für Junge) Ross und Bex mit ihren erfahrenen Ponys Shuggy und Angus. Wir blieben in ständigem Funkkontakt mit den Stalkern und warteten darauf, gerufen zu werden, um einen erlegten Hirsch aufzuladen. An diesem Tag gingen wir jedoch leer aus und mussten uns ohne Hirsch wieder auf den langen Weg Richtung Tal begeben (was mir gar nicht unrecht war …). 

Während Bonnie und Fraoch am folgenden Tag eine wohlverdiente Pause genossen, ging es für uns nach Harris, an das andere Ende der Insel. In Harris leben alle OAP’s (Old Aged Ponys) zusammen mit den Jährlingen. Auf diese Art, lernen die Jährlinge das wichtigste um den harschen Bedingungen trotzen zu können. Damit sie jedoch nicht den Kontakt zu den Menschen verlieren, werden sie jeden zweiten Tag besucht. So kam es, dass wir jeden zweiten Tag nach Harris hinüberfuhren, die Kleinen aufhalfterten, sie bürsteten, auf kleine Spaziergänge mitnahmen und unser Herz ganz an die beiden kleinen Ponys verloren. Die Ausflüge nach Harris waren ohne Zweifel eine unserer Lieblingsbeschäftigungen, aber wie es so oft ist, kann nicht alles immer schön sein, denn am Ende unserer ersten Woche, mussten alle schweren Herzens Abschied von Duke, einem der besten Working-Ponys nehmen. Er hatte innerhalb eines Jahres rapide an Kondition verloren und litt unter starken Stoffwechselproblemen. Um ihm weitere Schmerzen zu ersparen, wurde die schwere Entscheidung getroffen, ihn in Würde gehen zu lassen.

Das Wochenende stand uns zur freien Verfügung und wir nutzen es alle um einen Ausflug an den Strand von Kilmory zu unternehmen. Ein kleiner Tipp: Wer Hirsche einmal hautnah und in sehr großen (wirklich sehr großen) Zahlen sehen möchte, sollte sich nach Kilmory begeben: Ich jedenfalls habe selten so viele Hirsche an einem Ort gesehen. Sie scheinen zu wissen, dass sie in Kilmory sicher sind, da dies der einzige Ort auf der Insel ist, an dem sie nicht gejagt werden dürfen. Das restliche Wochenende nutzten wir, um Energie für die kommende Woche zu tanken.

Wieder in die Berge
In der zweiten Woche nahmen wir die Arbeit mit Bonnie und Fraoch wieder auf. Unter anderem stand ein Besuch des Larders, was im Grunde das gleiche wie ein Kühlhaus ist, auf dem Programm. Wird ein Hirsch erlegt und auf ein Pony geladen, muss er anschließend vor dem „Larder“ abgeladen werden. Dabei stellt einmal mehr der starke Geruch eine große Hürde dar, und die Ponys gehen nur ungern nah an das Gebäude heran. Doch wieder war es Fraoch, die uns alle trotz ihrer jungen vier Jahr überraschte. Ohne zu zögern, marschierte sie zur Tür des Kühlhauses, hätte man sie nicht aufgehalten, wäre sie wahrscheinlich schnurstracks hinein gelaufen. Und wieder war es Bonnie, die wir ziemlich lang davon überzeugen mussten, überhaupt in der Nähe der Tür stehen zu bleiben. Fraoch war hingegen die ganze Zeit cool und gelassen – und ich habe mich gefragt, ob dieses Pony überhaupt durch irgendwas aus der Ruhe zu bringen war.

Das Zusammenspiel von Mensch und Pferd
Mitte der Woche ging es für uns und unsere Schützlinge wieder mit in die Berge. Wieder folgten wir Bex und Ross, die diesmal Stroma und Poppy dabei hatten. Der Wind blies uns in starken Böen um die Ohren und brachte uns alle nicht nur einmal ins Wanken. Auf zwei Schritte vorwärts folgte meist ein Schritt rückwärts. Eine der wichtigsten Lektionen, die ich gelernt hatte, war es, gut auf mein Pony acht zu geben und sicherzustellen, dass es einem immer in einer Spur folgt. Wer den richtigen Pfad verlässt oder einen Moment unachtsam ist, läuft Gefahr, sein Pferd in einen Sumpf zu führen, in dem es stecken bleiben kann. Es ist also wichtig, dass die Ponys sich langsam und bedacht bewegen und ruhig abwarten, bis die führende Person den sichersten Weg gefunden hat. Trittsicher zu sein ist hier nicht nur für die Ponys Voraussetzung, sondern auch für die Menschen. Das Zusammenspiel von Mensch und Tier muss problemlos funktionieren, wer sich nicht auf den anderen verlassen kann, wird sich in den Bergen schwer tun und kann unter Umständen auch in lebensbedrohliche Situationen geraten. Wenn mir die Ponys auf Rum etwas gezeigt haben, dann ist es einmal mehr die Einsicht, wie wichtig gegenseitiges Verständnis und Kommunikation in allen Lebenslagen sind. Es war für mich eine unglaublich berührende Erfahrung, wie hingebungsvoll und bedingungslos die Ponys uns allen gefolgt sind. Ihre Sanftmut, Arbeitsbereitschaft und ihr bedingungsloses Vertrauen selbst in komplizierten und ungemütlichen Situationen hat mich zu tiefst beeindruckt und mir wieder einmal vor Augen geführt, weshalb uns mit diesen Tieren ein so starkes Band verbindet.

Die zwei Wochen auf Rum gehören definitiv zu einem der besten Abenteuer, die ich bisher erlebt habe und ich bin mehr als dankbar, so etwas erleben zu dürfen. Ich persönlich hab, umgeben von diesen wunderschönen, sanften Tieren, auf dieser unglaublich schönen Insel mein Paradies auf Erden gefunden. Mein Weg wird mich sicher noch öfters auf die Isle of Rum zu diesen ganz besonderen Highland Ponys führen.
Iona Wener

Tipps & Infos zur Insel Rum
Von Mallaig aus fährt regelmäßig eine Fähre zur Insel Rum. Auf der Insel gibt es diverse Unterkünfte – man kann campen, es gibt ein Bed and Breakfast oder man bucht sich eine kleine Berg- bzw. Wanderhütte, ein sogenanntes Bothy. Da es einen kleinen Laden auf der Insel gibt, kann man sich auch gut selbst versorgen. Und wie es bei den Schotten so üblich ist, wird man überall herzlich und mit viel Gastfreundschaft empfangen!

Nähere Infos dazu findet man hier!

Kommentare

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1) Moonlight59: Eine wunderbare Schilderung der Hebriden-Insel, der Menschen und Ponys. Es ist wichtig, dass man die Landrassen noch praktisch einsetzt, damit sie nicht verschwinden oder ein kurioses Minderheitenprogramm werden. Aus diesem Bericht liest man die Begeisterung der Dame heraus, man riecht das salzige Meer und die Torfmoore. Vor allem aber sieht man auf den Fotos die kräftigen Tiere bei der Arbeit - sie sind noch für etwas gut, und zudem bewahrt man ihre guten Eigenschaften. Danke für den wunderbaren Bericht und darin erkennbare Begeisterung. Immerhin ist der Vorname der Autorin auch der einer berühmten schottischen Insel mit einem uralten Kloster, das ein Zentrum der europäischen Christianisierung war! Man darf also vermuten, dass sie eine persönliche Verbindung zu den Highlands hat...?
Dienstag, 5. Februar 2019
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