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Multitasking-Talent: Pferde können ihre Aufmerksamkeit aufteilen
30.01.2019 / News

Immer auf die Ohren achten: Pferde können ihre Ohren unabhängig voneinander bewegen – und verwenden sie offenbar gezielt dazu, um bei unlösbaren Aufgaben Kontakt mit Menschen aufzunehmen.
Immer auf die Ohren achten: Pferde können ihre Ohren unabhängig voneinander bewegen – und verwenden sie offenbar gezielt dazu, um bei unlösbaren Aufgaben Kontakt mit Menschen aufzunehmen. / Symbolfoto: Irene Gams

Italienische Forscher konnten in Versuchsreihen starke Indizien dafür entdeckten, dass Pferde bei der Lösung von Aufgaben zum sogenannten Multitasking fähig sind – sich also gleichzeitig auf zwei oder mehr Dinge konzentrieren können.

 

Bereits in mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Pferde – wenn sie eine Aufgabe nicht selbstständig lösen können – versuchen, mit anwesenden Menschen Kontakt aufzunehmen und diese durch unterschiedliche Verhaltensweisen und Signale gleichsam um „Hilfe“ ersuchen (siehe u.a. diesen Artikel dazu). Italienische Forscher haben diese erstaunliche soziale und kognitive Fähigkeit von Pferden näher untersucht und wollten im Rahmen diverser Verhaltens-Tests herausfinden, wie genau Pferde versuchen, die menschliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wie die Wissenschaftler herausfanden, spielen dabei die Ohren eine zentrale Rolle – und sie entdeckten starke Indizien dafür, dass Pferde auch in hohem Maße ,multitasking-fähig’ sind, sich also gleichzeitig auf zwei oder mehr Dinge konzentrieren können.

„Pferde sind vollkommen in der Lage, ihre Aufmerksamkeit zu teilen – wir sehen das an der Art und Weise, wie sie ihre Ohren verwenden und damit signalisieren, worauf sie sich gerade konzentrieren", so Dr. Paolo Baragli von der Veterinärmedizinischen Universität Pisa gegenüber dem Portal ,TheHorse.com’. „Sie haben ein großes seitliches Gesichtsfeld und Ohren, die sich um mehr als 180 Grad bewegen lassen. So können sie sich auf den relevanten Stimulus konzentrieren (wie z. B. einen Eimer mit Futter) und gleichzeitig die Ohren völlig unabhängig bewegen, etwa vom Futter zu einem anwesenden Menschen – vermutlich mit dem Ziel, von diesem Hilfe zu erhalten."

Das legen jedenfalls die Testreihen nahe, die Dr. Baragli mit seinen Kollegen mit insgesamt 30 Pferden aus drei unterschiedlichen Reitbetrieben durchgeführt hat. Sie platzierten einen Tisch vor einer Pferdebox und stellten zwei Personen an den gegenüberliegenden Seiten auf. Eine Person war dabei dem Pferd vertraut – die zweite nicht. Eine dritte Person legte anschließend einen Apfel bzw. eine Karotte auf den Tisch und verschwand danach aus dem Blickfeld des Pferdes. Die Forscher filmten und bewerteten die Reaktionen der Pferde bei drei aufeinanderfolgenden Test-Anordnungen:

Test 1: Nichts auf dem Tisch
Test 2: Ein Apfel oder eine Karotte auf dem Tisch in Reichweite des Pferdes
Test 3: Ein Apfel oder eine Karotte auf dem Tisch außerhalb der Reichweite des Pferdes.

Von besonderem Interesse waren für die Wissenschaftler die Verhaltensweisen und Reaktionen der Pferde in Test 3: Wie sich nämlich zeigte, versuchten die Pferde ganz offensichtlich, die Aufmerksamkeit des Menschen zu erregen, indem sie jeweils eines ihrer Ohren zur einen oder anderen Person richteten, ohne jedoch den primären Focus vom Apfel bzw. der Karotte abzuwenden. Der Kopf des Pferdes blieb stets in Richtung des Futters, ebenso eines der Ohren – doch das zweite Ohr wanderte deutlich in Richtung einer der beiden stehenden Personen.

Um sicherzugehen, dass das Pferd seine Ohren nicht aus irgendeinem anderen Grund bewegte – etwa aus Frust darüber, die Karotte nicht erreichen zu können – führten die Wissenschaftler die drei aufeinanderfolgenden Tests mit einer weiteren Gruppe von insgesamt 18 Pferden durch, diesmal aber ohne Menschen am Tisch. Bei diesen Tests bewegten die Pferde ihren Ohren nicht zu den Seiten und zeigten keine Anzeichen einer ,Teilung’ ihrer Aufmerksamkeit, so die Forscher.

Während manche Untersuchungen in der Vergangenheit angedeutet haben, dass Pferde sich nur auf eine Sache konzentrieren können und nicht ,multitasking-fähig’ sind, ist Dr Baragli anderer Meinung – und sieht sich durch die Ergebnisse seiner Studie nun bestätigt: „Geteilte Aufmerksamkeit ist ein vieluntersuchtes Thema, sowohl beim Menschen, als auch bei Tieren. Wir wissen, dass viele Spezies zu einer geteilten Aufmerksamkeit fähig sind – warum sollte das bei Pferden also nicht der Fall sein? Gerade Pferde sind aufgrund ihrer evolutionären Entwicklung ihrer Sinnes- und Gesichtsmerkmale zu geteilter Aufmerksamkeit besonders fähig – und auch in hohem Maße von ihr abhängig, so Dr Baragli abschließend: „Wenn Pferde nicht in der Lage sind, ihre Aufmerksamkeit auf verschiedene Reize in ihrer Umgebung zu richten, warum haben sie dann ein so weites Gesichtsfeld? Ich bin der Meinung, dass sie sich als Beutetiere gleichzeitig auf das konzentrieren müssen, was sie gerade fressen – und ebenso auf andere Reize und Faktoren in ihrem Umfeld. Multitasking ist für ihr Überleben schlichtweg unverzichtbar.“

Die Studie „Could the Visual Differential Attention Be a Referential Gesture? A Study on Horses (Equus caballus) on the Impossible Task Paradigm” von Alessandra Alterisio, Paolo Baragli, Massimo Aria, Biagio D’Aniello und Anna Scandurra ist im Juli 2018 in der Zeitschrift ,Animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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