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Kann Schnee den Wasserbedarf eines Pferdes decken?
13.02.2019 / News

Pferde mögen Schnee – doch wieviel ihres täglichen Wasserbedarfs können sie dadurch abdecken?
Pferde mögen Schnee – doch wieviel ihres täglichen Wasserbedarfs können sie dadurch abdecken? / Symbolfoto: Irene Gams

Pferde lieben Schnee und lecken und fressen ihn auch gerne, wie man auf vielen winterlichen Weiden beobachten kann. Aber wieviel ihres täglichen Wasserbedarfs können Pferde durch Schnee abdecken? Norwegische Forscher haben darauf eine interessante Antwort gefunden.

 

Seine Pferde auch im Winter immer ausreichend mit Wasser zu versorgen, kann für Pferdehalter eine beträchtliche Herausforderung sein – vor allem dann, wenn die Temperaturen längere Zeit deutlich unter den Gefrierpunkt sinken und die Pferde einen Großteil des Tages im Freien verbringen. Dann ist es selbst mit allerlei Tricks und Kniffen (z. B. mit schwimmenden Plastik- oder Tennisbällen) nur noch schwer möglich, die Tränken offen und eisfrei zu halten.

Pferde, die auf einer verschneiten Weide gehalten werden, kann man dann häufig dabei beobachten, wie sie ihre Nase immer wieder tief in den Schnee stecken und diesen intensiv lecken und auch fressen – und so einen Teil ihres Wasserbedarfs decken. Die Frage ist jedoch, ob sie tatsächlich genug lecken und fressen können, um ihren Organismus  ausreichend mit Wasser zu versorgen und nicht zu dehydrieren? Wie ist das also wirklich mit den Pferden und dem Schnee?

Eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf diese Frage ist grundsätzlich schwer zu geben – denn man müsste, streng genommen, die Pferde ohne sonstige Wasserversorgung mehrere Tage lang auf einer schneebedeckten Weide oder Koppel halten, um herauszufinden, ob sie durch den Schnee genug Flüssigkeit zu sich nehmen, um ihren Bedarf zu decken – und das wäre ethisch kaum zu verantworten. Und doch gibt es glücklicherweise eine Forschungsarbeit zu diesem Thema, in der genau das passiert ist – wenngleich unbeabsichtigt und in ganz anderem Zusammenhang.

Norwegische Wissenschaftler führten Anfang der 2000er Jahre ein umfangreiches Experiment durch, das insgesamt auf drei Jahre angelegt und an dem eine Herde von insgesamt 40 Islandpferden beteiligt war. Hauptziel des Experiments war es herauszufinden, welchen Einfluss extrem strenge winterliche Bedingungen und insbesondere auch niedrige Temperaturen darauf haben, ob und wie intensiv Pferde einen frei zugänglichen, schützenden Unterstand aufsuchen bzw. nützen. Als Teil dieses Experiments wurden den Pferden während des ganzen Jahres Blut in regelmäßigen Intervallen abgenommen, wodurch die Forscher auch die wesentlichen Parameter für den Flüssigkeitshaushalt vergleichen konnten.

Im Dezember 2002 passierte es, dass aufgrund von unerwarteten extremen Wetterbedingungen die einzige natürliche Wasserquelle der Pferde völlig zufor – und neun Tage lang kein adäquater Ersatz möglich war. In diesem Zeitraum erhielten die Pferde zwar weiterhin ihr Futter in Form von Grassilage  (ad libitum) – ihre einzige zusätzliche Flüssigkeitsquelle war aber die rund 20 cm dicke Schneedecke auf der 10 ha großen Weidefläche, auf der sie untergebracht waren. Nach neun Tagen konnte man schließlich die Wasserversorgung wiederherstellen – und die Forscher nutzten die einmalige Gelegenheit, bei den Pferden Blutproben zu entnehmen und diese mit den zu anderen Jahreszeiten entnommenen Proben zu vergleichen.

Interessant war vor allem die sogenannte ,Osmolalität’ der Blutproben – eine wichtige Messgröße zur Beurteilung des Wasser- und Elektrolythaushalts des Körpers. Überraschenderweise waren sämtliche Parameter im normalen Bereich – der Mittelwert unterschied sich nicht signifikant von Proben, die zuvor von denselben Pferden genommen wurden. Die Wissenschaftler hatten eigentlich einen Anstieg der osmotischen Konzentration während der ,wasserlosen’ Tage erwartet, doch das war nicht der Fall. Auch der allgemeine Zustand der Pferde war absolut normal – es gab keinerlei Anzeichen von Dehydrierung oder sonstige Mangelerscheinungen. Selbst am angebotenen Trinkwasser zeigten sie nach neun Tagen nur äußerst geringes Interesse – einige Pferde tranken gar nicht und andere nur sehr wenig.

Das durchaus überraschende Resümee der Wissenschaftler: „Das alles deutet darauf hin, dass Pferde, die mit Grassilage gefüttert werden und Schnee gewohnt sind, mehrere Tage lang ihr Trinkwasser durch Schnee ersetzen können, ohne dass ihr körperlicher Zustand oder ihr Wohlbefinden dadurch beeinträchtigt wäre.“ Ihre Ergebnisse veröffentlichen die norwegischen Forscher im Jahr 2005 in ihrer vielbeachteten Studie „Is Snow a sufficient Source of Water for Horses kept Outdoors in Winter? A Case Report".

Die Ernährungs-Spezialistin Dr. Claire Thunes hat in einem Beitrag auf dem Portal TheHorse.com jedoch auf einige wichtige Punkte hingewiesen, die zu beachten sind, wenn man diese Schlussfolgerungen auch auf andere Pferde übertragen möchte, die unter ähnlichen, aber nicht identen Bedingungen gehalten werden:

– Zum einen hatte die in dem Experiment gefütterte Grassilage nur einen Trockensubstanzgehalt von etwas mehr als 30 %, während normales Heu einen Trockensubstanzgehalt von mehr als 80 % hätte. Silage ist also sehr ,nass' und liefert dem Pferd daher mehr Feuchtigkeit als trockenes Heu.

– Pferdehalter mit Erfahrung in der Silage-Fütterung weisen darauf hin, dass Pferde unter normalen Bedingungen noch ca. 15 bis 30 l Wasser pro Tag zusätzlich verbrauchen. Dies deutet darauf hin, dass Silage allein nicht genügt, um die Pferde ausreichend mit Wasser zu versorgen – und im Experiment der norwegischen Forscher daher Schnee eine sehr wesentliche Flüssigkeitsquelle gewesen sein muss. Die Menge an Wasser, die in Form von Schnee aufgenommen werden musste, ist wahrscheinlich bei silagegefütterten Pferden geringer als bei heugefütterten – und es ist daher möglich, dass auch Schnee allein bei letzteren nicht in der Lage ist, den Wasserbedarf vollständig abzudecken.

– Ein weiterer wichtiger Punkt: Die in der norwegischen Studie teilnehmenden Pferde waren es gewohnt, in schneereichen Bedingungen zu leben und Schnee zu fressen. Islandpferde sind robust und an kalte Winter gewohnt. Ein Pferd, das an solche Bedingungen nicht ähnlich gut angepasst ist und auch nicht gewöhnt ist, Schnee zu fressen, verbraucht möglicherweise nicht genug, um seinen Wasserbedarf vollständig zu decken.

– Eine nicht zu unterschätzende Gefahr ist auch der Umstand, dass der aufgenommene Schnee mit Sand und Schmutz verunreinigt sein könnte, was möglicherweise Sandkoliken begünstigen kann.

Auf die Versorgung mit frischem, sauberem Wasser zu verzichten, nur weil die Koppel schneebedeckt ist, ist daher keine gute Idee, so Dr. Claire Thunes abschließend. Das unbeabsichtigte Experiment der norwegischen Wissenschaftler hat jedoch gezeigt, dass Pferde, die an winterliche Bedingungen und an Schnee gewöhnt sind, diesen auch als Flüssigkeitsquelle nützen können – und zwar mehrere Tage lang, ohne dass dies ihrer Gesundheit oder ihrem Wohlbefinden schadet.

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