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Zu schwere Reiter können Lahmheit und Schmerzen beim Pferd verursachen
03.04.2019 / News

Je nach ihrem Körpergewicht wurden die Reiter als leicht (60,8 kg Körpergewicht), normalgewichtig (77,8 kg), schwer (91 kg) und sehr schwer (142,1 kg) eingestuft.
Je nach ihrem Körpergewicht wurden die Reiter als leicht (60,8 kg Körpergewicht), normalgewichtig (77,8 kg), schwer (91 kg) und sehr schwer (142,1 kg) eingestuft. / Foto: S. Dyson et.al.
Die unterschiedliche Körpergrösse hatte erheblichen Einfluss auf den Sitz des jeweiligen Reiters, wie diese Aufnahmen zeigen.
Die unterschiedliche Körpergrösse hatte erheblichen Einfluss auf den Sitz des jeweiligen Reiters, wie diese Aufnahmen zeigen. / Foto: S. Dyson et.al.

Zu schwere Reiter können das Wohlbefinden des Pferdes beeinträchtigen und sogar Lahmheiten auslösen – das ist das Ergebnis einer aktuellen britischen Studie. Und eine schlecht sitzende Ausrüstung kann diese negativen Effekte verstärken.

 

Das Thema bewegt Pferdefreunde bereits seit vielen Jahren, und das mit steigender Intensität: Einem allgemeinen gesellschaftlichen Trend folgend werden auch ReiterInnen immer schwerer – und damit eine immer größere Belastung für ihre Pferde. Ein zu hohes Reitergewicht kann aber ab einem bestimmten Punkt das Wohlbefinden des Pferdes negativ beeinträchtigen und daher, überspitzt gesagt, zu einem Fall für das Tierschutzgesetz werden, befürchten Experten. Aus diesem Grund wird das Problem sehr ernst genommen – und auch die Forschungen in dieser Richtung werden mit Vehemenz vorangetrieben.

Zu den führenden Spezialistinnen in diesem Bereich zählt die angesehene britische Orthopädin Dr. Sue Dyson, die sich seit Jahren mit dem Problem des Reitergewichts beschäftigt und auch die aktuelle Studie „The influence of rider:horse bodyweight ratio and rider‐horse‐saddle fit on equine gait and behaviour: A pilot study" geleitet hat, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse könnten erneut für einige Aufregung sorgen – denn sie bestätigen eine ,negative Korrelation’ zwischen dem Reitergewicht und dem Wohlbefinden des Pferdes: Zu schwere Reiter können nicht nur die Leistung, sondern auch das Wohlbefinden eines Pferdes negativ beeinflussen und sogar zu vorübergehender Lahmheit führen.

Im Rahmen der Untersuchung wurden die Bewegungen sowie das Verhalten von insgesamt sechs Pferden untersucht, die von vier Reitern in bestimmten Lektionen geritten wurden, die in etwa das gleiche reiterliche Können hatten, aber unterschiedlich schwer und groß waren. Je nach ihrem Körpergewicht wurden die Reiter als leicht (60,8 kg Körpergewicht), normalgewichtig (77,8 kg) , schwer (91 kg) und sehr schwer (142,1 kg) eingestuft. Auch ihr Body Mass Index (BMI) – also das Verhältnis von Körpergröße zu Körpergewicht – wurde ermittelt, dieser lag bei 23,2/28,0/26,3/46,9. Die Relation zum Körpergewicht des Pferdes betrug beim leichten Reiter zwischen 10,0 und 11,7 %, beim normalgewichtigen zwischen 12,8 und 15,0 %, beim schweren zwischen 15,3 und 17,9 % und beim sehr schweren zwischen 23,6 und 27,5 %.

Jedes der sechs Pferde wurde vom leichten und normalgewichtigen Reiter zweimal und vom schweren Reiter einmal geritten. Der sehr schwere Reiter ritt fünf der Pferde einmal und eines davon ein zweites Mal. Zu absolvieren war dabei jeweils eine 30-minütige Dressuraufgabe mit unterschiedlichen Lektionen, überwiegend in Trab und Galopp. Dabei wurden bei jedem Pferd-Reiter-Paar nicht nur Gang und Verhalten des Pferdes beobachtet und analysiert, sondern auch die Kräfte unter dem Sattel, das Vorhandensein von Rückenschmerzen, Veränderungen der Rückentätigkeit, die Herz- und Atemfrequenz, der Cortisolspiegel im Speichel sowie die Blinzelrate bewertet.

Ein Reittest wurde abgebrochen, wenn die Wissenschaftler Anzeichen von Lahmheit beim Pferd bemerkten – und zwar in einer Ausprägung von Stufe 3 oder darüber auf einer insgesamt 8-stufigen Bewertungsskala an einem Bein bzw. von Stufe zwei oder darüber auf zwei Beinen – oder wenn das Pferd 10 oder mehr von insgesamt 24 Schmerzmerkmalen in seinem Verhalten zeigte. Die Pferde wurden 45 bis 60 Minuten nach jedem abgebrochenen Test nochmals an der Hand vorgeführt, um ihren Zustand erneut zu überprüfen und zu beurteilen.

Studienleiterin Dr. Sue Dyson und ihre Kollegen berichteten, dass alle 13 Dressurtests, die von dem schweren und sehr schweren Reiter durchgeführt wurden, abgebrochen werden mussten – 12 aufgrund von Lahmheit und einer aufgrund von Schmerzsignalen im Verhalten. Hingegen musste nur einer der 12 Dressurtests, die vom normalgewichtigen Reiter durchgeführt wurden, wegen Lahmheit abgebrochen werden – und der leichte Reiter absolvierte als einziger sämtliche Tests ohne Abbruch bzw. Beanstandung.

Beim erneuten Vorführen an der Hand nach den Testabbrüchen zeigten die Pferde keine Lahmheitsanzeichen mehr und bewegten sich auch nach Abschluss der Studie unter dem Sattel einwandfrei – die festgestellten Lahmheitseffekte waren also nur vorübergehend und wurden eher durch das Körpergewicht als durch den BMI (Body Mass Index) verursacht, so die Wissenschaftler, denn in der Untersuchung hatten der normalgewichtige und der schwere Reiter nahezu idente BMIs, nach denen beide als übergewichtig einzustufen waren – doch beim normalgewichtigen Reiter musste nur ein einziger der 12 Reittest abgebrochen werden, während der schwere Reiter sämtliche seiner sechs Tests abbrechen musste. Das Reitergewicht scheint also in diesem Kontext deutlich relevanter zu sein, so die Forscher.

Die Studie untersuchte zudem auch die Frage nach der Körpergröße und dem Sitz des Sattels. Der Besitzer eines der Testpferde hatte tatsächlich ein ähnliches Gewicht wie der schwere Reiter, auch das Pferd-Reiter-Gewichtsverhältnis war nahezu ident – die beiden unterschieden sich aber signifikant hinsichtlich der Körpergröße (157,0 bzw. 185,5 cm). Dieser beträchtliche Größenunterschied hatte enorme Auswirkungen nicht nur auf den Sitz des Sattels für den Reiter, sondern auch auf dessen Position und Gewichtsverteilung. Der größere Reiter saß deutlich weiter hinten, belastete die Rückseite des Sattels stärker und hatte größere Probleme, im Gleichgewicht zu reiten, seine Fersen waren vor der vertikalen Linie von Schulter und Hüfte.

Aufgrund der z. T. sehr unterschiedlichen Körperproportionen der vier Testreiter wäre es vermutlich erforderlich gewesen, für jedes Pferd mehrere Sättel zu verwenden, um auch eine optimale Passform für den Reiter zu erzielen – doch davon habe man Abstand genommen, so die Wissenschaftler: „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, keine unterschiedlichen Sättel für jeden Reiter zu verwenden, da dies einen anderen variablen Faktor dargestellt hätte. Außerdem würde der Einsatz von reiterspezifischen Sätteln nicht jener Situation entsprechen, die in vielen Reitschulen herrscht und in denen normalerweise jedes Pferd seinen eigenen, passenden Sattel hat.“

Die Sattelanpassung war somit nicht bei allen Pferd-Reiter-Kombinationen ideal, und das ist auch eine der wesentlichen Einschränkungen ihrer Untersuchung, wie die Wissenschaftler zugeben, ebenso wie die weitgehend subjektiven Kriterien beim Abbruch eines Reittests. Die Ergebnisse lieferten dennoch einige interessante Aufschlüsse über das komplexe Zusammenspiel von Reitergewicht und -größe, der Reittechnik und der passenden Ausrüstung, so das Resümee: „Zusammenfassend haben wir eindeutig nachteilige Auswirkungen einer unpassenden Reitergröße auf die Bewegung und das Verhalten von Pferden nachgewiesen. Die Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass jeder schädliche Einfluss einer Ausrüstung, die nicht ideal an Pferd und Reiter angepasst wurde, durch größere bzw. schwerere Reiter verstärkt werden kann. Die Ergebnisse dieser Studie bedeuten nicht, dass schwere oder große Reiter nicht reiten sollten – sie sollten jedoch darauf achten, dass sie ein Pferd angemessener Größe und Fitness reiten und einen Sattel vewenden, der sowohl für das Pferd als auch für den Reiter geeignet und passend ist.“

Wie die Forscher betonen, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um zu bestimmen, ob die Fitness eines Pferdes, ein kräftiges Fundament, die Rasse, die Gewöhnung an größere Gewichte und eine bessere Anpassung des Sattels auch das Gewicht erhöhen, das ein einzelnes Pferd tragen kann. Wie es schon im Titel der Untersuchung heißt: Es war eine Pilot-Studie – der sicherlich noch viele weitere Arbeiten und Projekte folgen werden.

Die Studie „The influence of rider:horse bodyweight ratio and rider‐horse‐saddle fit on equine gait and behaviour: A pilot study" von S. Dyson, A. D. Ellis, R. Mackechnie‐Guire, J. Douglas, A. Bondi und P. Harris ist am 31. März 2019 erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

Kommentare

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1) Susanne Ortner: Ich hab jetzt lange überlegt, aber das muss ich jetzt kommentieren: die interessanten Ergebnisse der Studie einmal außen vor, aber: einen Menschen mit 142 (hundert zweiundvierzig Kilo!!!) auf ein Pferd zu setzen ist Tierquälerei, auch wenn derjenige reiten kann, wie der 1. Oberbereiter der Spanischen. Das ist nicht ein sehr schwerer Reiter, das ist ein ZU schwerer Reiter! Es ist traurig, dass es dafür eine wissenschaftliche Studie braucht, um nachzuweisen, dass dadurch gesundheitliche Schäden beim Pferd verursacht werden. Ein verantwortungsbewusster Pferdefreund würde sich mit diesem Gewicht nicht auf ein Pferd setzen, sondern sich anders mit dem geliebten Tier beschäftigen. Da gibt es mittlerweile schon sehr viele Möglichkeiten.
Freitag, 5. April 2019
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