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Neue Tierhalter-Haftung: Das Tiroler Kuh-Urteil ändert auch für Pferdehalter einiges
10.04.2019 / News

Das Tiroler „Kuh-Urteil" wird auch für Pferdehalter manches verändern ...
Das Tiroler „Kuh-Urteil" wird auch für Pferdehalter manches verändern ... / Symbolfoto: Archiv Martin Haller

Nach der allgemeinen Empörung über das sogenannte „Kuh-Urteil“ in Tirol hat das Umweltministerium nun einen Gesetzes-Vorschlag für die Neuregelung der Tierhalter-Haftung vorgelegt. Erstmals wird dabei die „Eigenverantwortung“ von dritten Personen in das Gesetz aufgenommen – und das wird auch Pferdehalter betreffen.


Auslöser der geplanten Gesetzesänderung war der Zivilprozess gegen einen Tiroler Almbauern, dessen Kuhherde am 28. Juli 2014 im Tiroler Pinnistal eine 45-jährige deutsche Urlauberin zu Tode getrampelt hatte, die bei einer Wanderung mit ihrer Familie und ihrem Hund unterwegs gewesen war. Nach jahrelangem Rechtsstreit und einem umfangreichen Beweisverfahren mit 32 Zeugen, Durchführung eines Augenscheins und zwei Sachverständigen-Gutachten erging am 20. Februar 2019 das Urteil: Der  Landwirt war zivilrechtlich in 1. Instanz zu einer Geldstrafe von 490.000,– Euro (Sofortzahlungen sowie monatliche Renten für den Ehegatten und den Sohn) verurteilt worden, darüberhinaus wurde die Haftung für künftige Folgen aus dem Unfall festgestellt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Bauer ist in Berufung gegangen.

Das Erkenntnis des Landesgerichts Innsbruck hatte einen landesweiten – auch medialen – Aufschrei und heftige Diskussionen zur Folge: Bei Landwirten sorgte es für Verunsicherung und Unverständnis – sie warnten vor einem „Ende der Almwirtschaft“, nachdem das Gericht den Bauern in der Pflicht gesehen hatte, die Alm an der stark frequentierten Stelle einzuzäunen. Dies wäre realitätsfremd und technisch undurchführbar, hieß es – und könne letztlich sogar zu einer Aufgabe der meisten Almen und einer Sperrung zahlreicher Almwege führen. Das wiederum löste Panik bei Tourismus-Vertretern aus, die vor Einbrüchen im Sommertourismus warnten und darauf hinwiesen, dass gerade die typische alpine Almwirtschaft ein unverzichtbarer Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt wäre, der nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe.

Damit war endgültig auch die Politik auf den Plan berufen – Bundeskanzler Sebastian Kurz nahm sich des Themas persönlich an und präsentierte Mitte März einen „Aktionsplan für sichere Almen“, um das Problem in den Griff zu bekommen und für einen Interessen- und Risikoausgleich unter den betroffenen Gruppen zu sorgen. Wesentlichstes Ziel: Nicht nur die Bauern, sondern auch die Wanderer sollen in die Verantwortung genommen werden, wenn sie auf Almen unterwegs sind – auch eine Gesetzesänderung im Bereich der Tierhalterhaftung des ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) werde dies unterstreichen. Darüberhinaus soll bis Mitte April ein Verhaltenskodex ausgearbeitet werden und genau regeln, wie sich Wanderer im alpinen Raum generell zu verhalten haben, um Gefahren und Konflikte zu vermeiden.

Seit wenigen Tagen liegt nun der wichtigste Teil dieses Aktionsplans vor – nämlich die Änderung der bestehenden Tierhalterhaftung lt. AGBG. Diese ist auch Pferdehaltern bestens bekannt und besagt, dass derjenige für einen durch ein Tier verursachten Schaden verantwortlich ist „der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat.“ Nun wird in einem weiteren Absatz festgehalten, der Halter könne bei der Verwahrung der Tiere „auf anerkannte Standards der Viehhaltung zurückgreifen" und habe „die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Vermeidung solcher Gefahren zu ergreifen". Zugleich wird eine „erwartbare Eigenverantwortung der Almbesucher" genannt, die sich „nach den durch die Alm- und Weidetierhaltung drohenden Gefahren, der Verkehrsübung und anwendbaren Verhaltensregeln" richte.

Hier der vollständige Passus lt. dem vorliegenden Begutachtungsentwurf (neue Bestimmung in Fettdruck):

§ 1320. (1) Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.

(2) In der Alm- und Weidewirtschaft kann der Halter bei Beurteilung der Frage, welche Verwahrung erforderlich ist, auf anerkannte Standards der Viehhaltung zurückgreifen. Sonst hat er die im Hinblick auf die ihm bekannte Gefährlichkeit der Tiere, die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Vermeidung solcher Gefahren und die erwartbare Eigenverantwortung anderer Personen gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Die erwartbare Eigenverantwortung der Besucher von Almen und Weiden richtet sich nach den durch die Alm- und Weidetierhaltung drohenden Gefahren, der Verkehrsübung und anwendbaren Verhaltensregeln.“

Ob und was sich durch diese neu eingeführte Bestimmung konkret für Pferdehalter ändern würde, haben wir den Tiroler Rechtsanwalt und gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Peter Lechner gefragt. Während sich bei der Verwahrung durch den Hinweis auf „anerkannte Standards der Viehhaltung" für Pferdehalter nichts ändert (Pferde gelten nicht als ,Vieh'), wird bezüglich der allgemeinen Tierhalterhaftung sehr wohl eine Neuregelung eingeführt, von der auch Pferdehalter betroffen sind. Der zentrale Punkt aus seiner Sicht sei die neu ins Gesetz aufgenommene „Eigenverantwortung“ der Besucher von Almen und Weiden, wodurch sich sehr wohl eine Einschränkung der bisher sehr strengen Tierhalterhaftung ergebe, so Dr. Lechner: „Dieses Beurteilungskriterium war im bisherigen Gesetzestext nicht enthalten. Abgestellt war nämlich bis dato lediglich auf die Tiergefahr und die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung durch den Halter, nicht aber auf das zu erwartende Verhalten anderer Personen. Durch die vorgesehen Ergänzung ist daher erstmals nicht nur auf das Verschulden des Tierhalters bei der Beurteilung der Haftung abzustellen, sondern auch eine Einschränkung dahingehend normiert, dass der Tierhalter die „erwartbare Eigenverantwortung“ der Besucher von Almen und Weiden für die Beurteilung der gebotenen Maßnahmen einkalkulieren darf. Diese „erwartbare Eigenverantwortung wird auf die drohenden Gefahren, die Verkehrsübung und die anwendbaren Verhaltensregeln“ abgestellt. Mit diesem Entwurf ist daher jedenfalls – allerdings nur für die Almen- und Weidewirtschaft – mit Sicherheit eine Einschränkung der Tierhalterhaftung zu erwarten, weil damit erstmals nicht nur auf die objektive Sorgfaltspflicht des Tierhalters, sondern auch auf das Kriterium des zu erwartenden Verhaltens der Besucher von Almen und Weiden abgestellt wird.“

Beim vieldiskutierten „Kuh-Urteil“, so Dr. Lechner weiter, wurde die Haftung des Landwirts bzw. Tierhalters nämlich „alleine auf die nach Auffassung des Erstgerichts mangelnde Sorgfaltspflicht des Almbauern abgestellt und ein nicht zu erwartendes Verhalten der zu Tode gekommenen Besucherin nicht geprüft und daher auch nicht in die Bewertung miteinbezogen. Die Hundehalterin hatte den Vorfall dadurch mitverursacht, dass sie ihren Hund nicht freigelassen hat. Durch die nunmehr im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens auch zu überprüfende Eigenverantwortung ist zu erwarten, dass ein derartiges Verhalten, wie dies bei der Hundehalterin festgestellt wurde, zumindest zu einer Haftungseinschränkung des Tierhalters führen wird, weil gerade dieses Verhalten der Besucherin nicht zu erwarten war, nachdem kundgemachte Verhaltensregeln dieses als verpönt bezeichnen.“ Folgerichtig könnte, so Dr. Lechner, ein unübliches, nicht zu erwartendes Verhalten sogar „ein Haftungsausschlussgrund“ werden – doch darüber werde letztlich erst die künftige Rechtssprechung entscheiden.

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