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Hohe Myopathie-Gefahr: Vorsicht vor Ahornkeimlingen auf Pferdeweiden
25.04.2019 / News

Die Gefahr durch giftige Ahornsamen und -keimlinge ist derzeit besonders hoch – auch auf Weiden, die sich fernab von Ahornbäumen befinden.
Die Gefahr durch giftige Ahornsamen und -keimlinge ist derzeit besonders hoch – auch auf Weiden, die sich fernab von Ahornbäumen befinden. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller

Im Monat April wurden über das freiwillige Meldesystem AMAG bereits 60 Fälle von atypischer Weidemyopathie gemeldet. Die Gefahr durch giftige Ahornsamen und -keimlinge ist derzeit besonders hoch – Pferdebesitzern wird zu besonderer Vorsicht geraten.

 

Das von der Universität Lüttich aufgebaute und betreute freiwillige Meldesystem für Myopathie-Fälle AMAG (Atypical Myopathie Alert Group) hat darüber informiert, dass allein im Monat April bislang 60 Krankheitsfälle registriert wurden – 27 in Frankreich, 32 in Belgien sowie ein Fall in Großbritannien. Die Dunkelziffer ist – so muss befürchtet werden – wohl noch deutlich höher, da nur wenige Länder regelmäßig ihre Krankheitsfälle in das AMAG-System melden.

Die Universität Lüttich warnt jedenfalls Pferdebesitzer in ganz Europa, derzeit besonders auf die Gefahren zu achten, die durch Ahornsamen und -keimlinge auf heimischen Pferdeweiden lauern. Durch die heftigen Herbststürme des letzten Jahres sind zahlreiche Weiden stark mit Samen belastet – auch solche, die sich in einiger Entfernung von Ahornbäumen befinden. Diese Samen haben bereits vor einigen Wochen angefangen zu keimen – und stellen für Pferde eine erhebliche Gefahr dar: Denn auch die kleinen Bergahorn-Keimlinge (Acer pseudoplatanus) enthalten das Toxin Hypoglycin A und dürfen von Pferden nicht gefressen werden.

Das Gift führt dazu, dass die Muskelzellen das Fett nicht mehr als Energiesubstrat verwenden können, der Kohlenhydratstoffwechsel bleibt unbeeinflusst. Das Gift beeinträchtigt ebenso, aber in einem geringeren Masse, den Aminosäurestoffwechsel. Diese biochemischen Imbalancen führen zu einer Ansammlung von Abbauprodukten des Energiestoffwechsels (Acylcarnitinen) im Blut. Die am meisten betroffenen Muskeln sind die dauernd arbeitenden: die Haltungs-, Atem- und Herzmuskulatur. Durch den Energiemangel kommt es zu einer Muskeldegradation und damit zur Freisetzung des Muskelfarbstoffs Myoglobin, welcher über den Urin ausgeschieden wird und eine rötliche bis braune Verfärbung des Urins bedingt (Myoglobinurie).

Die Behandlung der Weidemyopathie ist nach wie vor schwierig – ein wirksames Heilmittel gibt es nicht, die Todesrate ist nach wie vor hoch, wie die Universität Lüttich in einer Fakten-Sammlung beschreibt: Vor 2006  verliefen laut klinischen Studien mehr als 85% der Fälle tödlich. Mittlerweile beläuft sich die Mortalitätsrate bei aktuelleren Ausbrüchen auf durchschnittlich 75%., variiert aber stark je nach Region und Ausbruch. Zum Beispiel verlief die Atypische Myopathie im Herbst 2006 in Frankreich bei nur 40% der Fälle tödlich.

Europäische Fallstudien geben Hinweise, dass die Verabreichung von bestimmten Medikamenten, im Besonderen Vitaminen und Antioxydanten, die Überlebenschancen erhöhen kann. In Anbetracht der dennoch hohen Mortalitätsrate soll ein Behandlungsversuch jedoch nur unternommen werden, wenn die Schmerzen kontrollierbar sind.

Normale, stehende Haltung während des Grossteils der Zeit, keine Schwierigkeiten beim Atmen, normale Schleimhaut, normaler Mistabsatz, sowie eine normale Körpertemperatur (37°C bis 38.5°C) sind positive Anzeichen mit einer eher günstigen Überlebensprognose, so die Universität Lüttich weiter. Fettleibige Pferde scheinen ebenfalls eine grössere Überlebenschance zu haben. Überlebende Pferde haben in der Regel keine Folgeschäden – dennoch ist die Herzfunktion im ersten Monat nach der Genesung zu überwachen.

Festliegen, übermässiges Schwitzen, Appetitverlust, erhöhte Herzfrequenz (≥ 45 Schläge/min), erhöhte Atemfrequenz (≥ 15 Atemzüge/min) und Probleme beim Atmen sind hingegen prognostisch negativ zu bewerten. Schwere Störungen im Säure-Basen-Haushalt verringern die Überlebenschancen des Pferdes ebenfalls.

Vorbeugung hat höchste Priorität

Umso wichtiger sind präventive Maßnahmen, um es erst gar nicht zu einer Vergiftung mit Ahornsamen oder -keimlingen kommen zu lassen. Die Experten der Universität Lüttich haben daher folgende Empfehlungen für Pferdebesitzer herausgegeben: Es wird geraten, so weit wie möglich

– den Zugang zu Weiden mit Bergahorn Sämlingen weitgehend zu beschränken (auch Weiden auszugrenzen, auf denen eine große Anzahl an Sämlingen zu finden ist);

– die Weidezeit auf einige Stunden pro Tag zu beschränken (da die meisten betroffenen Pferde mehr als 6 Stunden auf der Weide verbrachten). So weit wie möglich die Pferde vor Weidegang füttern;

– eine Rotation der Weiden organisieren, um den Pferden möglichst viel Gras zur Verfügung zu stellen;

–   Fütterung auf dem Boden vermeiden (Heu o.ä.)

– zu versuchen, die Sämlinge so früh wie möglich zu zerstören (Rasenmäher, Häckseler, sonstige Mähmaschinen können möglicherweise Sämlinge töten; eventuell können die Sämlinge auch verbrannt werden). Bitte vermeiden Sie die Nutzung von Chemikalien aus Umweltschutzgründen. Es wird jedoch zur Vorsicht geraten, da selbst abgeschnittene und verwelkte Sämlinge noch Gift enthalten. Warten Sie daher, bis dass die Sämlinge zersetzt sind und das Gras wächst;

– Ziehen Sie bitte in Betracht, die Bergahorne in der Nähe von den Weiden zu beschneiden, um die Produktion von Samen und Sämlingen zu umgehen.

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