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Tödliche Weidekrankheit bei Pferden: Auch Heu, Silage und Regenwasser enthalten das Gift
03.06.2019 / News

Forscher empfehlen, dass mit Bergahorn kontaminierte Weiden nicht zur Erzeugung von Heu oder Silage verwendet werden sollten, da sowohl Sprösslinge als auch Samen, die in den Ballen vorhanden sind, auch noch nach Monaten eine Vergiftungsgefahr darstellen können.
Forscher empfehlen, dass mit Bergahorn kontaminierte Weiden nicht zur Erzeugung von Heu oder Silage verwendet werden sollten, da sowohl Sprösslinge als auch Samen, die in den Ballen vorhanden sind, auch noch nach Monaten eine Vergiftungsgefahr darstellen können. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller

Das in Ahorn-Samen und -Sprößlingen enthaltene Toxin Hypoglycin A (HGA), Auslöser der gefährlichen ,atypischen Weidemyopathie’, kann ganze Weiden kontaminieren – und bleibt auch in Heu oder Silage aktiv, sogar das Regenwasser kann belastet sein, wie aktuelle Studien zeigen.

 

Seit dem Jahr 2012 ist bekannt, dass das Toxin Hypoglycin A (HGA) hinter der bis dahin rätselhaften tödlichen Weidekrankheit – der sogenannten atypischen Weidemyopathie – steckt. Hypoglycin A konnte in den Samen des Eschen-Ahorns (Acer negundo) nachgewiesen werden, später auch in den Samen und Sprösslingen des Bergahorns (Acer pseudoplatanus). Forscher haben nun in neuen Untersuchungen den genauen Quellen und Wegen der HGA-Vergiftung von Pferden nachgespürt – und auch die Erfolgschancen allfälliger Vermeidungs- bzw. Bekämpfungsstrategien ausgelotet. Was sie dabei herausfanden, ist durchaus alarmierend.

So haben britische Wissenschaftler unter der Leitung von Sonia Gonzalez-Medina herausgefunden, dass das Toxin HGA überaus hartnäckig und resistent ist und auch nach Maßnahmen wie Mähen, Trocknen, Silieren oder dem Einsatz von Herbiziden immer noch in bedenklichen Konzentrationen vorhanden ist. Für die Versuchsreihen wurden Sprösslings-Gruppen des Bergahorns gemäht und mit einem Unkrautbekämpfungsmittel auf Dimethylamin- bzw. Picolinsäure-Basis besprüht. Sprösslinge wurden dabei vor dem Eingriff, nach 48 Stunden sowie 1 und 2 Wochen danach abgesammelt. Gras in der Umgebung von geschnittenen Sprösslingen wurde vor dem Mähen sowie eine Woche danach eingesammelt. Samen- und Sprösslings-Proben, die in Heulage bzw. Silage verarbeitet worden waren, wurden ebenfalls geammelt. Mittels aufwendiger Chromatografie wurden die exakten HGA-Konzentrationen in sämtlichen Proben sowohl vor als auch nach den jeweiligen Maßnahmen festgestellt.

Die Resultate werden Pferdefreunde alles andere als beruhigen. In ihrer Zusammenfassung schreiben die Wissenschaftler: „Es gab keinen signifikanten Rückgang des HGA-Gehalts bei gemähten oder mit Herbiziden besprühten Sprösslingen; Tatsächlich führte das Mähen sogar zu einem vorübergehenden signifikanten Anstieg des HGA-Gehalts von Sprösslingen. Die HGA-Konzentration stieg auch im Gras, das mit den Sprösslingen geschnitten wurde, nach einer Woche signifikant an, wenn auch auf ein niedriges Niveau. HGA-hältige Bestandteile des Bergahorns waren auch nach 6 bis 8 Monaten Lagerung in Heu oder Silage immer noch vorhanden.“

Weiter heißt es: „Weder beim Mähen noch beim Besprühen mit Herbiziden wird die HGA-Konzentration in Bergahorn-Sprösslingen bis zu 2 Wochen nach dem Eingriff verringert. Beim Mähen ist eine Kreuzkontamination zwischen Gras- und Bergahorn-Sprösslingen möglich. Das Mähen und anschließende Sammeln von Bergahorn-Sprösslingen scheint derzeit die beste Option zur Vermeidung von HGA-Toxizität bei Pferden zu sein, die auf kontaminierter Weide weiden. Mit Bergahornmaterial kontaminierte Weiden sollten nicht zur Erzeugung von verarbeitetem Heu oder Silage verwendet werden, da sowohl Sprösslinge als auch Samen, die in den Ballen vorhanden sind, ein Vergiftungsrisiko darstellen.“

Die Untersuchung „Atypical myopathy‐associated hypoglycin A toxin remains in sycamore seedlings despite mowing, herbicidal spraying or storage in hay and silage" von S. González‐Medina, F. Montesso, Y.‐M. Chang, C. Hyde und R. J. Piercy ist am 10. Jänner 2019 in der Zeitschrift ,Equine Veterinary Journal' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

Toxin HGA sogar im Regenwasser nachweisbar

Wie weit die Gefahr einer Verunreinigung mit HGA gehen kann, das konnten Forscher der Universität von Liege rund um Dominique Votion in einer weiteren Studie zeigen. Die Wissenschaftler sammelten im Frühjahr 2016 – und zwar im Abstand von jeweils zwei Wochen – die zu Boden gefallenen Früchte sowie die Spösslinge von Bergahorn, Spitzahorn (Acer platanoides) und Feldahorn (Acer campestre). Anfang April sammelten sie nach einer verregneten Nacht das Regenwasser von nassen Sprösslingen ein, um dieses näher zu analysieren. Mitte Mai wurden die Früchte des Eschen-Ahorns (Acer negundo), der Gemeinen Esche (Fraxinus excelsior) und die Blüten des Bergahorns von den Bäumen eingesammelt. Mittels chemischer Analyse wurde die exakte HGA-Konzentration in sämtlichen Proben festgestellt – Hypoglycin A wurde dabei in allen Proben einschließlich des gesammelten Regenwassers nachgewiesen – nicht jedoch im Spitzahorn (Acer platanoides) und im Feldahorn (Acer campestre). Die Früchte des Eschen-Ahorns (Acer negundo), die im Untersuchungsgebiet gefunden wurden, enthielten keine Samen in ihrer Schale und wurden daher ebenfalls negativ getestet. Aus den nachgewiesenen maximalen HGA-Konzentrationen konnten die Wissenschaftler errechnen, dass in bestimmten Zeiträumen und an bestimmten Orten bereits 20 g Früchte, 50 Sprösslinge, 150 g Blütenstände oder 2 l Wasser, das mit Sprösslingen in Kontakt gekommen war, ausreichen würden, um die maximal tolerierbare Tagesdosis für ein Pferd zu erreichen.

Die Untersuchung „Potential new sources of hypoglycin A poisoning for equids kept at pasture in spring: a field pilot study" von Dominique M Votion, Jean Adelite Habyarimana, Marie-Louise Scippo, Eric A Richard, Christel Marcillaud-Pitel, Michel Erpicum und Pascal Gustin kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.

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