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Studie: Bei Dressurpferden würde ein Drittel der Zügelspannung reichen
16.06.2019 / News

Die Kopf-Hals-Position während des Testdurchgangs ohne Reiter.
Die Kopf-Hals-Position während des Testdurchgangs ohne Reiter. / Foto: Piccolo & Kienapfel
Die Kopf-Hals-Position während des Testdurchgangs mit Reiter.
Die Kopf-Hals-Position während des Testdurchgangs mit Reiter. / Foto: Piccolo & Kienapfel

… das zeigt eine Untersuchung deutscher Wissenschaftlerinnen: Dressurreiter wenden dreimal mehr Zügelspannung an als Pferde mit Ausbindezügel ohne Reiter, die gleichsam selbst den Zügeldruck bestimmen konnten. Eine zu hohe Zügelspannung beeinträchtigt zudem das Wohlbefinden der Pferde.

 

Die beiden Wissenschaftlerinnen Dr. Lara Piccolo und Dr. Kathrin Kienapfel gingen in ihrer Pilotstudie zwei spannenden Fragen nach: 1) Welche maximale Zügelspannung akzeptieren Pferde gleichsam freiwillig, wenn sie sich ohne Reiter mit Ausbindezügeln in wettkampfähnlicher Verschnallung (mit der Nasenlinie an der Senkrechten) bewegen können – und zwar im Vergleich zu jener Zügelspannung, die von einem Reiter angewendet wird, um das Pferd in einer vergleichbaren, turniermäßigen Dressurhaltung vorzustellen? Und 2) Welches Konflikt- bzw. Abwehrverhalten steht mit der Zügelspannung in einem Zusammenhang – kann also eine zu hohe bzw. zu starke Spannung auch das Pferdewohl beeinträchtigen?

Die Zügelspannung wurde mit speziellen Sensoren bei einer Testgruppe von insgesamt 13 Pferden gemessen. Die Pferde wurden in einem ersten Testdurchgang ohne Reiter mit Ausbindezügeln in Schritt, Trab und Galopp in beide Richtungen – also im Uhrzeigersinn und gegen den Uhrzeigersinn – bewegt, wobei sich die Nasenlinie an der Senkrechten bzw. kurz davor (bis zu max. 10 Grad) befand. Die Messungen begannen im Schritt, dann folgten Trab und Galopp. Für jede Gangart wurden mindestens 20 Bewegungszyklen in einer stabilen Kopf-Hals-Position gemessen. Gleichzeitig wurden die Bewegungseinheiten auch auf Video aufgezeichnet – die Analyse des aufgenommenen Materials sollte Aufschluss über das von den Pferden gezeigte Konflikt- bzw. Abwehrverhalten geben.

In einem zweiten Testdurchgang wurden anschließend die gleichen Pferde von Reitern in einer offenen Reithalle vorgestellt – wiederum in allen drei Gangarten, in beiden Richtungen und mit Sensoren ausgestattet, um die exalte Zügelspannung zu messen, die angewendet wurde, um die Pferde in dressurmässiger Haltung mit stabiler Kopf-Hals-Position und Nasenlinie an bzw. leicht vor der Senkrechten reiten zu können. Auch hier wurden sämtliche Ritte auf Video aufgenommen, um allfälliges Konfliktverhalten untersuchen zu können.

Die Resultate waren ebenso eindeutig wie vielsagend: Ohne Reiter hatten alle Pferde in allen Gängen eine Zügelspannkraft von ca. 1 kg. Mit einem Reiter war diese Zügelspannkraft bei den gleichen Pferden mit ca. 3 kg auf jeder Seite signifikant höher. Diese Ergebnisse legen nahe, dass es durchaus möglich ist, eine korrekte Dressurposition mit der Nasenlinie auf bzw. leicht vor der Senkrechten auch bei relativ geringer Zügelspannung beizubehalten. Die Wissenschaftlerinnen weiter: „Da die Zügelspannung ein aversiver, also Ablehnung veursachender Reiz sein kann, der Unbehagen und sogar Schmerzen hervorrufen kann, ist es wichtig, die Stärke dieses Reizes so gering wie möglich zu halten. In diesem Sinn wäre es ideal, dass während des Reitens die selbst gewählte Zügelspannung des Pferdes, wenn es mit Ausbindezügeln ausgerüstet ist, nicht überschritten wird."

Das zweite, ebenso ausssagekräftige Ergebnis war, dass die Pferde mit Reiter etwa fünfmal mehr Konfliktverhalten zeigten als ohne Reiter. Dazu die Forscherinnen: „Eine höhere Anzahl von Konfliktverhalten kann auf Unbehagen und/oder Stress hinweisen, sodass das Geritten-Werden bei den Pferden in dieser Studie als stressbehaftet wahrgenommen werden kann. Da die Kopf-Hals-Position in beiden Testdurchgängen die gleiche blieb – also mit der Nasenlinie an bzw. leicht vor der Senkrechten – und lediglich der Reiter hinzugefügt wurde, ist anzunehmen, dass mit dem Reiter verbundene Einflussfaktoren den Hauptunterschied ausmachten. Und man darf weiters davon ausgehen, dass eine Zügelspannung, die größer ist als die freiwillig ohne Reiter angenommene, möglicherweise schmerzhaft für das Pferd sein kann."

Die beiden Forscherinnen räumten jedoch ein, dass natürlich auch noch andere wichtige Faktoren im Zusammenhang mit dem Geritten-Werden bei Pferden zu Unbehagen oder Stress führen können, aber: „Eine Verringerung der Zügelspannung während des Reitens könnte zu weniger Unbehagen und auch zu weniger damit in Verbindung stehender Verhaltensweisen bzw. Beschwerden führen."

Auch die geringe Anzahl der Testpferde und die z. T. von Pferd zu Pferd recht unterschiedlichen Testergebnisse müssen als limitierende Faktoren berücksichtigt werden. Die Forscherinnen möchten daher ihre Studie mit einer größeren Anzahl an Testpferden ausweiten und auch das Studiendesign weiter verfeinern. So soll es ermöglicht werden, eine Datenbank aufzubauen und zugänglich zu machen, in der die für die meisten Pferde akzeptable Zügelspannung, die sich nicht nachteilig auf deren Wohlbefinden auswirkt, ermittelt werden kann.

Abschließend meinten die Autorinnen, dass ihre Resultate darauf hindeuten, dass eine höhere Zügelspannung in erster Linie auf das Konto des Reiters geht: „Die Ergebnisse legen nahe, dass das Potenzial besteht, die vom Pferd und dem Reiter ausgeübte Zügelkraft zu bestimmen, was interessante Einblicke in die Interaktion zwischen Pferd und Reiter bietet und ein nützliches Instrument für das individuelle Training des Reiters sein kann. Das Verstehen und Verringern der auf das Pferdemaul wirkenden maximalen Kräfte könnte das Wohlbefinden des Pferdes in der täglichen Reitpraxis verbessern."

Die Untersuchung „Voluntary Rein Tension in Horses When Moving Unridden in a Dressage Frame Compared with Ridden Tests of the Same Horses — A Pilot Study" von Dr. Lara Piccolo und Dr. Kathrin Kienapfel ist am 6. Juni 2019 in der Zeitschrift ,Animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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