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Man lernt nie aus: Wie sich mein Pferd Kanto selbst geheilt hat
16.08.2019 / News

Kanto – ein Mustang-Sorraia-Mix – geht es nach seiner ,Phantom-Kolik
Kanto – ein Mustang-Sorraia-Mix – geht es nach seiner ,Phantom-Kolik' wieder gut, wofür er auch selbst gesorgt hat. / Foto: Archiv Martin Haller
Der Blutweiderich gilt als wertvolle Heilpflanze mit entzündungshemmender, blutstillender Wirkung.
Der Blutweiderich gilt als wertvolle Heilpflanze mit entzündungshemmender, blutstillender Wirkung. / Foto: Archiv Martin Haller

Rätselhafte Schmerzen in der Bauchgegend machten dem dreijährigen Mustang-Sorraia-Mix Kanto schwer zu schaffen und brachten seinen Besitzer an den Rand der Verzweiflung – bis zu dem Moment, als Kanto selbst die Initiative übernahm. Ein Erlebnisbericht von Martin Haller.

 

Ich habe mein gesamtes Leben mit Pferden verbracht und mit ihnen schon manches durchgemacht, viel Lustiges und Ungewöhnliches gesehen und auch zahlreiche Höhen und Tiefen erlebt. Pferde haben mir vieles beigebracht – vor allem aber die Erfahrung, dass man als Pferdemensch niemals auslernt und vor allem Pferde niemals unterschätzen sollte. Diese Erkenntnis hat sich vor kurzem wieder einmal eindrucksvoll bestätigt – durch ein Erlebnis, das als Albtraum begann und mich in der Folge nachhaltig verblüfft hat.

Eine Kolik ist ohne jeden Zweifel der Albtraum jedes Pferdehalters – und als sich mein dreijähriger Mustang-Sorraia-Mix Kanto auf der Weide auffällig oft und lange legte, schoss mir genau dieser Gedanke durch den Kopf – Kolik, obwohl die Symptome nicht eindeutig waren (aber wann sind sie das schon?). Also: ständiges Niederlegen, Schauen nach hinten auf den Bauch, Schmerzgesicht und Appetitlosigkeit waren vorhanden; Schweißausbrüche, Fieber und das Fehlen von Darmgeräuschen waren aber nicht vorhanden. Und vor allem NICHT vorhanden war ein ersichtlicher Grund für eine Kolik, denn das Pferd stand auf der mageren Weide, hatte nichts Unübliches zu fressen bekommen und ist generell ein robuster Typ, der mit Witterungsumschwüngen kein Problem hat. Wir standen vor einem Rätsel.

Selbstverständlich ergriffen wir umgehend die üblichen Sofortmaßnahmen – und riefen sicherheitshalber auch die Tierärztin, die alsbald kam, sah und sich ebenfalls wunderte. Eine intensive Untersuchung ergab ein klinisch gesundes Pferd – aber mit einigen deutlichen Koliksymptomen. Eine Routinebehandlung wurde eingeleitet, doch mit nur ganz kurzfristigem Erfolg. Am nächsten Tag wurde erneut untersucht und behandelt, ein Blutbild gemacht und der Magen mittels Sonde intubiert und 10 Liter Wasser verabreicht, da das Pferd bereits Anzeichen von Dehydrierung zeigte. Kanto hatte seit dem Vortag nur einige Bissen Heu und kaum Wasser zu sich genommen.

Nach der Behandlung ging es ihm etwas besser, aber schon nach einigen Stunden war der Zustand erneut besorgniserregend. Zu allem Überdruss waren just an diesem Tag beide Tierkliniken in erreichbarer Nähe auf Urlaub und nahmen daher keine Patienten mehr stationär auf. Ich musste die Behandlung also notgedrungen in Eigenregie fortsetzen, da mir eine Fahrt zur Vetmeduni nach Wien nicht zumutbar und zu gefährlich schien. Das Pferd legte sich alle paar Minuten, wälzte sich und war extrem unruhig; ein Niederwerfen am Hänger auf der Südautobahn bei rund 32 Grad Hitze war wirklich nicht das, was ich auch nur ansatzweise riskieren wollte.

Kantos Zustand blieb auf schlechtem Niveau konstant, so begann ich am dritten Tag, das Pferd zu führen und im Schritt im Roundpen zu bewegen. Dabei ließ ich ihn sich auch frei bewegen – und dann geschah etwas Merkwürdiges: Der Rand unseres Roundpens ist mit kargem Pflanzenwuchs bestückt, und Kanto nahm zögerlich ein paar Bissen auf. Dabei schien er etwas entdeckt zu haben – er spitzte die Ohren und ging sehr zielstrebig zu einer violetten, größeren Pflanze und fraß sie gierig, suchte sich sofort weitere Exemplare und verspeiste auch diese mit beachtlichem Appetit. Ich wunderte mich, machte mir Sorgen wegen „pervertiertem Appetit" und unterstellte dem Pferd entweder Selbstmordabsichten oder völlige Instinktlosigkeit. Daher wurde flugs ein Foto angefertigt und an Frau und Tochter im fernen Rhodos gepostet, was denn das für eine Pflanze sei, und ob giftig oder möglicherweise schädlich. Unsere Tochter ist pflanzenkundliche Biologin und antwortete umgehend samt gegoogelter botanischer Beschreibung: Es handelte sich eindeutig um den eher seltenen Blutweiderich, eine Heilpflanze, die viele gute Eigenschaften besitzt, als „wichtiger Überlebensspender“ gerühmt wird, u. a. eine entzündungshemmende, blutstillende Wirkung entfalten und sogar vor Diabetes schützen soll. Nachzulesen im Internet, u. a. bei Kräuterpfarrer Benedikt, der schreibt: „Gerbstoffe, Pektin, Salicarin, Schleimstoffe sowie ätherische Öle sind die wichtigsten Komponenten der Pflanze. Aufgrund seiner antibiotischen Wirkung ist er vor allem in der Grippezeit als Tee zu empfehlen. Bei Durchfall wirkt die Droge entzündungshemmend und stopfend auf unsere Verdauung.“

Ich war beruhigt – noch mehr aber war ich erstaunt: Das kluge Wildpferd hatte auf wundersame Weise erkannt bzw. instinktiv gespürt, dass ihm genau diese Pflanze guttun würde. Am nächsten Tag durfte er natürlich wieder davon naschen – und tatsächlich ging es langsam bergauf. Nach einer Woche ständiger intensiver Betreuung stellte sich allmählich ein Abklingen der noch immer mysteriösen Koliksymptome ein, das Pferd begann mehr Wasser und Nahrung auszunehmen und wurde mit Kleie-Mash und Grummet wieder aufgepäppelt.

Wenige Tage später fanden wir übrigens die mutmaßliche Ursache der „Phantom-Kolik" heraus: In einer abgesperrten Ecke der Weide waren einige Säcke mit Düngekalk gelagert, zwar bestens gesichert und gut abgedeckt – aber eben doch nicht gut genug. Der neugierige Kanto hatte es geschafft, sämtliche Sicherheitsvorkehrungen zu „unterwandern“, einen Sackzipfel anzuknabbern und etwas Kalk zu fressen. In Verbindung mit Wasser muss sich dann eine Lauge gebildet haben, welche dem Pferd den Verdauungstrakt verätzt hat. Das dürfte der Grund gewesen sein, warum Kanto auch kaum Wasser aufnahm – er spürte bzw. kombinierte, dass ihm Wasser nur mehr Bauchschmerzen verursachen würde. Sein Instinkt half ihm aber, den Blutweiderich zu finden und sich damit selbst zu helfen – was für ein kluges Tier!  Kanto hat den Albtraum mittlerweile gut überstanden und ist wieder völlig gesund geworden – und wir alle etwas schlauer und demütiger …

PS: Wer selbst in den Genuss der heilsamen Wirkung des Blutweiderichs kommen möchte, findet bei Kräuterpfarrer Benedikt u. a. folgende Rezeptur-Tipps: „Zerstoßen Sie die getrockneten, zerkleinerten Blüten in einem Mörser, so dass Sie ein feines Pulver erhalten. Täglich 2 bis 3 Teelöffel mit etwas Honig oder Marmelade vermischt und einen Schluck Apfelsaft nachgetrunken, verhilft es zur Selbstfindung und die verborgenen Lebenskräfte werden aktiviert. Für Tee-Liebhaber hat Kräuterpfarrer Weidinger auch noch folgenden „Stimmungserheller“ kreiert: 30 g Heidekraut, 20 g Spitzwegerich, 15 g Hagebuttenfrüchte, 10 g Blutweiderich, 10 g Ysop, und 5 g Goldmelisse. Dieses Teegetränk heitert nicht nur auf, sondern empfiehlt sich auch als ausgezeichneter Tee für die ganze Familie, der die Abwehrkräfte stärkt und die Atemwege schützt.“

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