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Das Brösarp-Projekt: Naturnahe Haltung von Pferden eindrucksvoll bestätigt
17.09.2019 / News

Die weitläufige, hügelige Landschaft rund um die Gemeinde Brösarp ist Schauplatz eines bemerkenswerten Haltungs-Experiments (einige der Pferde tragen das ,HoofStep
Die weitläufige, hügelige Landschaft rund um die Gemeinde Brösarp ist Schauplatz eines bemerkenswerten Haltungs-Experiments (einige der Pferde tragen das ,HoofStep'-Monitoring-System). / Foto: Hästen i Skåne
Eindrucksvoll: Die Pferde im Brösarp-Projekt legen täglich 8,2 km zurück – Pferde in kleinräumiger Weidehaltung weniger als die Hälfte, und Pferde in Boxen-Paddock-Haltung gar nur noch 2 km.
Eindrucksvoll: Die Pferde im Brösarp-Projekt legen täglich 8,2 km zurück – Pferde in kleinräumiger Weidehaltung weniger als die Hälfte, und Pferde in Boxen-Paddock-Haltung gar nur noch 2 km. / Grafik: Hästen i Skåne
Broesarp-Projekt.pdf

Ein Forschungsprojekt in Südschweden vergleicht derzeit die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Konzepte der Pferdehaltung – die ersten Zwischenergebnisse sind ein klares Plädoyer für naturnahe Haltungsformen, von denen Pferde in vielfältiger Weise profitieren.

 

Es ist eine überaus spannende Frage, der Wissenschaftler derzeit in der südschwedischen Provinz Skåne nachgehen: Von welcher Haltungsform können junge Pferde am meisten profitieren? Welche Ansprüche haben sie an ihre Umgebung – und welche Faktoren beeinflussen ihre Entwicklung am nachhaltigsten? Dies zu klären ist das Ziel des sogenannten ,Brösarp-Projekts', das der gemeinnützige Verein ,Hästen i Skåne' (Das Pferd in Skåne) im Mai dieses Jahres gestartet hat und von dem nun erste Zwischenergebnisse vorliegen. Unterstützt und betrieben wird es von Spring-Europameister Peder Fredricson, seinem Vater Ingvar Fredricson und dem mehrfachen Islandpferde-Weltmeister Magnus Skualson.

Das ,Setting' der Studie ist grundsätzlich simpel: Untersucht wird die Entwicklung und das Verhalten von einer Gruppe von insgesamt 25 Jungpferden (Alter zwischen 1 und 2 Jahren), die in einem weitläufigen Areal in der Umgebung der Gemeinde Brösarp gehalten werden. Das Gelände ist riesig – insgesamt 70 Hektar groß – landschaftlich abwechslungsreich und sehr hügelig, ein wahres Pferdeparadies, das in der Lage ist, den Jungpferden annähernd jene Lebensbedingungen zu bieten, wie sie auch wildlebende Pferde genießen. Die Pferde können sich am Areal frei bewegen und ganz ihren natürlichen Bedürfnissen und Präferenzen folgen. Der physische Zustand der Pferde wurde von den Wissenschaftlern bei täglichen Inspektionen überwacht – die wertvollsten Daten lieferte jedoch ein hochmodernes Monitoring-System namens ,HoofStep', mit dem einige der Pferde ausgestattet wurden. Mit diesem System – das mit Hilfe künstlicher Intelligenz funktioniert – konnten umfassende Daten über die Tätigkeiten, Aktivitäten, Aufenthaltsorte und das Verhalten der überwachten Pferde gewonnen werden, und das rund um die Uhr.

Mit der ,HoofStep'-Software waren bereits in vorangegangenen Studien Daten von zwei anderen Haltungssystemen gewonnen worden, die für diese Studie als Vergleichsbasis herangezogen werden: nämlich Daten von ebenfalls ganztägig frei gehaltenen Pferden, jedoch auf einem bedeutend kleineren Areal von etwa 2 Hektar Fläche (im folgenden als ,kleinräumige Weidehaltung' bezeichnet) – und von Pferden, die tagsüber auf kleinen Einzelkoppeln (0,5 Hektar Fläche) standen und nachts in der Box mit freiem Zugang zu Heu gehalten wurden (im folgenden kurz ,Boxen-Paddock-Haltung' genannt).

Vor kurzem wurde ein erster Zwischenbericht zum Brösarp-Projekt vorgelegt – und dieser fiel in der Tat bemerkenswert aus und ist ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie sehr junge Pferde von einer naturnahen Haltung in einem weitläufigen, abwechslungsreichen Areal profitieren können. Ein erster Blick in die Daten zeigt u. a.:

● Die Pferde in Brösarp zeigen mehr als doppelt so viel Aktivität wie die Vergleichspferde bei kleinräumiger Weidehaltung und mehr als viermal so viel wie bei Boxen-Paddock-Haltung. "Aktivität" umfasst in diesem Zusammenhang alle Bewegungen jedes Pferdes, die über das bloße Aufrechterhalten des Ist-Zustandes hinaus Energie verbrauchen.

● Die Pferde in Brösarp legen tägliche Distanzen zurück, die Pferden in freier Wildbahn entspricht – das sind durchschnittlich ca. 8 km pro Tag. Die Vergleichspferde in kleinräumiger Weidehaltung bewegen sich tagsüber nur etwa halb so weit (bei einer Konfiguration, bei der sie sich häufig bewegen müssen, z. B. zwischen Wasser-, Fütterungs- und Ruhezonen). Die Vergleichspferde bei Boxen-Paddock-Haltung bewegen sich sogar nur ein Viertel so viel, ungefähr 2 km pro Tag. Damit die Vergleichspferde bei kleinräumiger Weidehaltung das Aktivitätsniveau der Pferde in Brösarp erreichen, müssten sie in allen Gangarten ca. 1,5 Stunden auf hügeligem Gelände trainiert bzw. gearbeitet werden.

● Die Pferde in Brösarp und die Vergleichspferde kauen alle durchschnittlich 11 Stunden pro Tag, was ungefähr jenen 14 bis 18 Stunden entspricht, die Pferde in einem wilden bzw. natürlichen Zustand auf Nahrungssuche und Bewegung verwenden. Die Vergleichspferde verwenden jedoch deutlich weniger Aktivität und Bewegung für der Futtersuche wie die Pferde des Brösarp-Projekts.

Das Resümee der Wissenschaftler fiel entsprechend positiv aus: „Diese ersten Ergebnisse legen nahe, dass Pferde große, hügelige Weiden benötigen, um sich wie wildlebende, freie Pferde zu bewegen. Pferde, die auf kleineren Weideflächen gehalten werden, müssen mindestens 1,5 Stunden trainiert werden, um ein gleichwertiges Bewegungsniveau zu erreichen. Pferde, die in Boxenställen mit täglichem Zugang zu Koppeln gehalten werden, müssen nochmals deutlich mehr trainiert werden."

Und weiter: „Unsere Arbeit zeigt, dass Pferde, die auf kleineren Weideflächen oder Boxen-Paddock-Systemen gehalten werden,  zwar die gleiche Energiemenge in Form von Futter zu sich nehmen,  aber weit weniger Energie verbrauchen. Wenn das Ziel darin besteht, Pferde unter Bedingungen zu halten, die ihren natürlichen Verhaltensweisen entgegenkommen, sollte dies ein zentraler Punkt für weitere Untersuchungen und Überlegungen sein. Es gibt eine aktuelle Debatte, wonach das Halten von Pferden auf zu kleinem Raum auch zu zuwenig Bewegung führt. Diese Pilotstudie soll noch einige Monate andauern und insbesondere auch Daten zum Energieverbrauch der Pferde als weiteren Schwerpunkt aufnehmen."

Initiator Peder Fredricson zeigt sich in einem ersten Statement gegenüber der Website ,World of Showjumping' jedenfalls hochzufrieden mit den Zwischenergebnissen: „Ich freue mich sehr, dass das Projekt gut voranschreitet. Ich glaube, das ist der richtige Weg, um junge Pferde zu starken, gesunden Athleten zu machen."

Das übergeordnete Ziel des Projekt ist es, die einzigartigen landschaftlichen Ressourcen von Schweden für eine naturnahe Pferdezucht zu nutzen, um sie zu einem langfristigen Wettbewerbsvorteil weiterzuentwickeln und so zur nachhaltigen Zucht vitaler Sportpferde beizutragen. Dafür soll das Brösarp-Projekt weiter Daten sammeln – im Jahr 2020 sogar mit noch größerer Jungpferde-Herde. Interessant sind die Ergebnisse aber zweifellos auch darüber hinaus, nämlich als eindrucksvoller Beleg für die unbestreitbaren Vorteile, die naturnahe Haltungssysteme im allgemeinen haben, besonders auch für die Aufzucht junger Pferde – auch wenn sie nicht für eine Karriere im Sport gezüchtet wurden.

Den vollständigen Zwischenbericht gibt es – siehe oben – auch als Download (in englischer Sprache).

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