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Tierschutz im Schweizer Pferdesport: Nur wenige Fälle werden offiziell gemeldet
19.09.2019 / News

Der grobe Umgang mit Hilfsmitteln wie Sporen, Zügeln oder Gerten wurde in insgesamt 121 Fällen beobachtet, so die Umfrage unter Schweizer Offiziellen.
Der grobe Umgang mit Hilfsmitteln wie Sporen, Zügeln oder Gerten wurde in insgesamt 121 Fällen beobachtet, so die Umfrage unter Schweizer Offiziellen. / Symbolfoto: Archiv/Julia Rau

Die Schweiz gilt zurecht als Vorbild in Sachen Tierschutz – und auch der Schweizer Verband für Pferdesport berichtet jährlich nur von sehr wenigen Tierschutzvergehen auf Schweizer Turnieren. Doch diese Statistik ist korrekturbedürftig und zeigt nur einen Bruchteil der tatsächlichen Fälle, so eine aktuelle Studie.

 

Tierschutz im Schweizer Pferdesport ist für diverse Tierschutzorganisationen wie auch für den Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) ein sehr aktueller und wichtiger Themenbereich. In den letzten Jahren wurden von der Sanktionskommission des SVPS (SAKO) jeweils keine oder nur sehr wenige Fälle von Tierschutzvergehen an Pferden in der Schweiz behandelt. So ist etwa im SVPS-Jahresbericht 2017 nachzulesen, dass die Sanktionskommission in diesem Jahr „wie schon im Vorjahr keinen einzigen Fall von Tierquälerei behandeln“ musste. Allfällige Vergehen würden schon auf den Turnierplätzen direkt geahndet und sanktioniert und gelangen gar nicht erst an die SAKO, so die Erklärung. Und weiter: „Das beweist, dass von den Funktionären und Jurys auf den Turnierplätzen ausgezeichnete Arbeit geleistet wurde. Der Pferdesport in der Schweiz kann mit Stolz als tierfreundlich und fair bezeichnet werden."

Dieses Pauschalurteil wurde von verschiedenen Schweizer Tierschutzorganisationen bereits mehrfach kritisiert und in Frage gestellt. So meinte etwa der Verein ,Schweizer Tierschutz', dass es in der Schweiz kaum „zuverlässige und aktuelle Daten über Unfälle mit Pferden" gäbe – und man viel zu zurückhaltend in der Aufarbeitung und Veröffentlichung von Tierschutzfällen wäre. Selbst das ausdrückliche Verbot der Rollkur in der Tierschutzverordnung 2013 habe keinen Anstieg der gemeldeten Tierschutzvergehen nach sich gezogen – obwohl man derartige Fälle bei eigenen Recherchen selbst beobachten konnte und diese seitens der Offiziellen vielfach ungeahndet geblieben waren.

Wird also der Tierschutz im Schweizer Pferdesport nicht konsequent und ausreichend umgesetzt – und ist die Situation vielleicht weniger rosig, als sie in den Jahresberichten dargestellt wird? Im Rahmen einer Masterarbeit haben die Autoren M. Hässig und R. Kranz diese Kritik geprüft. Dazu wurde eine Umfrage bezogen auf das Jahr 2017 an 544 aktive Offizielle (Pferdesportrichter, Parcoursbauer, usw.) des SVPS versandt. 146 davon schickten beantwortete Fragebögen zurück – das entspricht einer Rücklaufquote von 26,84 % und einem Anteil von 13,42% aller insgesamt aktiven Offi­ziellen im Schweizer Pferdesport (1.088 Offizielle waren 2017 als Richter in der Schweiz aktiv).

Die Auswertung der Umfrage bestätigt die Aussage der Tierschutzorganisationen, dass die Anzahl an Tierschutzvergehen tatsächlich bedeutend höher ist als offiziell angegeben: Insgesamt wurden im Jahr 2017 von den 146 Offiziellen, die an dieser Umfrage teilgenommen haben, 203 tierschutzrelevante Vergehen beobachtet. Im Jahresbericht 2017 wurde hingegen – wie schon erwähnt – kein durch die SAKO behandelter Fall von Tierschutzvergehen publiziert. 178 der 203 beobachteten Vergehen wurden von den Offi­ziellen direkt auf dem Turnierplatz angesprochen und verwarnt. Von den 203 beobachteten Vergehen wurden 17 als so gravierend eingestuft, dass sie mit einem Platzverweis geahndet wurden.

Bei den am häufigsten durch die Offiziellen beobachteten Tierschutzvergehen auf den Turnierplätzen handelt es sich um unangemessenes, aggressives Verhalten der Reiter (149 beobachtete Fälle) sowie grober Umgang mit Hilfen und Hilfsmitteln (121 beobachtete Fälle). Bei 37 Einzelbeobachtungen wurden sogar Verletzungen oder Blut am Pferd festgestellt, verursacht durch Ausrüstung oder Hilfsmitteln. Mit 77 Fällen war auch die Rollkur eines der am häufigsten beobachteten Vergehen (einzelne Vergehen können in mehrere Kategorien fallen, Anm.).

Ein beachtlicher Teil der Offiziellen – rund 17 % der Befragten – ist der ­Meinung, dass die Tierschutzsituation auf Schweizer Turnierplätzen noch verbessert werden könnte. Wichtig wäre lt. den Autoren vor allem mehr Aufklärungsarbeit bei den Offiziellen, aber auch den Reitern und Pferdehaltern „sowie genügend Mut und Zivilcourage, um Beobachtungen anzusprechen und zu ahnden. Wünschenswert ist des Weiteren eine offene Kommunikation durch den SVPS, wie auch von den Offiziellen untereinander", so das Resümee der Untersuchung.

Die Untersuchung „Ethik im Schweizer Pferdesport: Wird der Tierschutz auf Schweizer Turnierplätzen ausreichend umgesetzt?" von M. Hässig und R. Kranz wurde am 1. September 2019 im Schweizer Archiv für Tierkunde veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden.

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