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Skandal um Triple-Crown-Gewinner Justify: Positiver Dopingtest wurde vertuscht
24.09.2019 / News

Der Hengst Justify war kurz vor dem Kentucky Derby positiv auf die verbotenen Substanz Scopolamin getestet worden – doch der Befund blieb ohne Konsequenzen, wie die ,New York Times
Der Hengst Justify war kurz vor dem Kentucky Derby positiv auf die verbotenen Substanz Scopolamin getestet worden – doch der Befund blieb ohne Konsequenzen, wie die ,New York Times' nun enthüllte. / Foto: Wikipedia/Mike-Lizzi

Die ,New York Times’ hat einen handfesten Skandal im US-Turf aufgedeckt: Wenige Wochen vor seinem historischen ,Triple Crown’-Triumph war Star-Galopper Justify positiv auf eine verbotene Substanz getestet worden – doch der Doping-Befund blieb ohne Konsequenzen.

 

Es ist ein Skandal, der nicht nur einen großen Schatten auf den Triple Crown-Gewinner des Jahres 2018 – Justify – und die Zustände im US-Turf insgesamt wirft, sondern vor allem auch auf die in diesem Fall zuständige Rennsport-Behörde, das ,California Horse Racing Board’ (C.H.R.B.) und ihre Mitglieder. Denn diese haben – wie es Dokumente belegen, die der ,New York Times’ zugespielt wurden – nicht nur entschieden, dass ein positiver Doping-Test von Justify ohne disziplinäre Folgen für das Pferd bzw. seinen Trainer bleiben sollte, sondern auch dafür gesorgt, dass der Dopingbefund vor der Öffentlichkeit geheimgehalten wurde.

Wie soetwas möglich sein konnte, hat die ,New York Times’ vor kurzem in einem aufsehenerregenden Artikel nachgezeichnet. Nachdem Justify mit seinem Jockey Mike E. Smith am 7. April 2018 das Santa Anita Derby gewonnen hatte, wurde bei ihm ein Doping-Test durchgeführt und am 10. April zur Analyse in das Untersuchungslabor der Universität von Kalifornien in Davis gebracht. Am 18. April – zweieinhalb Wochen vor dem Kentucky Derby, der ersten Station der US-amerikanischen Triple Crown – lag das Ergebnis bei der Aufsichtsbehörde C.H.R.B. vor: Bei Justify wurde der verbotene Wirkstoff Scopolamin entdeckt, eine Substanz mit vielfältigen Eigenschaften, die bei Pferden entspannend und entkrampfend wirken kann (z. B. bei Koliken), aber auch als sogenannter Bronchodilator eingesetzt werden kann – mit der Wirkung, die Atemwege zu erweitern, die Sauerstoffaufnahme zu erhöhen und die Herzfrequenz zu verbessern. Mit einem Wort: Scopolamin kann bei Pferden leistungssteigernd wirken, weshalb es auch auf der Liste der verbotenen Substanzen landete. Im Fall von Justify war die nachgewiesene Menge noch dazu beträchtlich – nämlich 300 Nanogramm pro Milliliter.

Üblicherweise werden derartige Fälle zügig abgewickelt – es wird eine formelle Beschwerde bzw. Anzeige eingebracht und ein Hearing angesetzt, danach folgt das Urteil. Doch dieser Fall sollte gänzlich anders verlaufen – niemand brachte jemals eine Anzeige ein, und auch ein Hearing gab es nicht. Schließlich ging es in diesem Fall nicht um einen kleinen Fisch – mit dem man wohl kurzen Prozess gemacht hätte, sondern um einen ganz großen, denn Justifys Trainer war kein Geringerer als Bob Baffert, der wohl bekannteste, schillerndste und erfolgreichste Galoppertrainer der USA, der bereits fünf Mal das Kentucky Derby gewonnen und 2015 als Trainer von American Pharoah Geschichte geschrieben hat, dem ersten Pferd, das nach mehr als 37 Jahren (Affirmed im Jahr 1978) wieder die Triple Crown des US-Turf gewinnen konnte.

So behandelte das ,California Horse Racing Board’ diesen prominenten Fall mit besonderem Fingerspitzengefühl – und fasste den glamourösen Star-Trainer nachgerade mit Samthandschuhen an: Als man am 18. April den positiven Dopingbefund von Justify erhalten hatte, spielte man vorerst auf Zeit – Dr. Rick Arthur, der Veterinärdirektor des C.H.R.B, ordnete eine weitere Untersuchung und eine Überprüfung der Daten an. Weitere Tage vergingen – und erst am 26. April, also rund eine Woche vor dem Kentucky Derby, wurde Bob Baffert offiziell über den positiven Dopingtest von Justify informiert. Wie es sein gutes Recht war, bestand er auf Öffnung der B-Probe bei einem approbierten, unabhängigen Labor. Eine vorläufige Sperre – die eine Teilnahme am Kentucky Derby unmöglich gemacht hätte – wurde nicht ausgesprochen. Die B-Probe wurde am 1. Mai verschickt – das Ergebnis traf am 8. Mai beim C.H.R.B. ein und bestätigte den positiven Befund der A-Probe. In der Zwischenzeit hatte Justiy einen triumphalen Sieg beim Kentucky Derby am 5. Mai errungen, was die ganze Angelegenheit zweifellos noch delikater machte.

Wie interne Dokumente und E-Mails nahelegen, beschlossen die Verantwortlichen der Aufsichtsbehörde C.H.R.B. daraufhin, den Fall so diskret wie möglich zu behandeln – sprich: ohne formelle Anzeige, ohne Hearing und ohne Öffentlichkeit. Die gesamte Causa wurde nur noch intern und hinter verschlossenen Türen abgehandelt – wobei der geschäftsführende Direktor der Behörde, Rick Baedeker, die Regie führte. Und so kam es, dass vier Monate später – am 23. August 2018 – im Rahmen einer Vorstandssitzung der Fall Justify still und heimlich abgewiesen und zu den Akten gelegt wurde. Der Vorstand befürwortete einstimmig, die Vorwürfe gegen Baffert nicht weiter zu verfolgen. Es wurde beschlossen – aufgrund schwacher Beweisbasis, wie die ,New York Times’ anmerkte – das positive Ergebnis des Dopingtests auf den Verzehr von verunreinigtem Futter zurückzuführen, nachdem Scopolamin auch in Pflanzen wie Stechapfel vorkomme und daher das Heu des Pferdes kontaminiert gewesen sein könnte.

Man ging sogar noch weiter: Der Vorstand beschloss auch eine Änderung der Doping-Bestimmungen hinsichtlich Scopolamin – und setzte das Strafmaß im Falle eines Nachweises dieser verbotenen Substanz herab: Dieses Vergehen werde in Kalifornien künftig nur noch mit einer Geldstrafe und einer möglichen (also nicht verpflichtenden) Sperre geahndet.

Für viele Experten sind beide Entscheidungen fragwürdig. Gegenüber der ,New York Times’ meinte Dr. Rick Sams, langjähriger Leiter des Untersuchungslabors der ,Kentucky Horse Racing Commission’, dass die enorme Menge von 300 Nanogramm Scopolamin bei Justify darauf hinweise, dass es sich um eine absichtliche Einflussnahme gehandelt habe und die Substanz bewusst verabreicht worden war, um die Leistung zu steigern. Die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme einer solchen Menge durch verunreinigtes Futter sei hingegen äußerst gering.

Die ,New York Times’ vermutet andere Motive für die Einstellung, nämlich wirtschaftliche – und ortet vor allem ein zentrales Problem: dass nämlich mehrere Mitglieder des C.H.R.B.  direkte oder indirekte wirtschaftliche Interessen im Pferderennsport hätten und daher von einer unabhängigen Aufsicht keine Rede sein könne. So soll etwa Chuck Winner, der Vorsitzende von C.H.R.B., Anteile an Rennpferden besitzen, die auch von Bob Baffert trainiert werden – ein klassischer Interessenkonflikt. Auch andere Vorstandsmitglieder seien zugleich Pferdebesitzer und sollen Trainer und Jockeys beschäftigen, die sie eigentlich unabhängig beaufsichtigen und kontrollieren sollten.

Dass es – auch und gerade im Fall von Justify – um sehr viel Geld und damit verbundene Interessen geht, hat der Hype um den Triple Crown-Champion nur allzu deutlich bewiesen: Nach seinem historischen Triumph wurden die Zuchtrechte des Hengstes vom internationalen Coolmore-Konzern für die Rekordsumme von 60 Millionen US-Dollar gekauft. Eine Samenportion von Justify kostet 150.000,– Dollar – und das Interesse ist weltweit so groß, dass pro Monat bis zu 100 derartige Portionen verschickt werden. Wie die ,New York Times’ vorrechnet, habe sich die 60-Millionen-Dollar-Investition daher in weniger als fünf Monaten bereits wieder amortisiert – ein gutes Geschäft für alle Beteiligten. Und wahrlich ein guter Grund, warum man im Falle von Justifys positivem Dopingtest möglicherweise ein Auge zugedrückt hat …

In den USA ist die Empörung nach der Veröffentlichung des ,New York Times’-Artikels zwar groß, vermutlich aber ohne Folgen: An der Einstellung des Verfahrens durch das ,California Horse Racing Board’ ist juristisch nicht zu rütteln, denn die Behörde ist in ihren Entscheidungen frei und autonom, ähnlich wie jeder Sportverband, der nur seinen eigenen Regulativen verpflichtet ist und diese mitunter sehr weitgehend auslegen kann, wenn es opportun ist. Genau dies aber geht manchen gegen den Strich – so auch der größten US-Tierschutz-Organisation HSUS (Humane Society of the United States). HSUS-Präsidentin Kitty Block schreibt in ihrem Blog, an die Enthüllung der NYT anschließend: „Der Fall von Justify zeigt, warum wir in der Galopprenn-Brache Reformen brauchen, in der genau diejenigen, die den Sport betreiben, auch für seine Überwachung und Kontrolle zuständig sind und in der sowohl legale wie auch illegale Drogen weit verbreitet sind.“

Aus diesem Grund unterstützt HSUS auch eine Gesetzesvorlage, die diese Selbstkontrolle beenden soll – nämlich den Horseracing Integrity Act H.R.1754/S.1820. Diese Gesetzesinitiative würde nicht nur „die Verabreichung von Medikationen am Renntag verbieten und die Anzahl entsprechender Tests außerhalb von Renntagen erhöhen, sondern auch die Rennkommissionen der einzelnen Bundesstaaten von der Kontrolle aller Medikations-Bestimmungen und deren Durchsetzung ausschließen. Die Gesetzesvorlage würde einer unabhängigen neuen Behörde, die von der US-Amerikanischen Anti-Doping-Agentur gegründet werden sollte, die Kontrolle über die Ausarbeitung, Prüfung und Durchsetzung von Vorschriften bezüglich Doping und Medikation einräumen.“ Nicht zuletzt fordere man „eine unabhängige Untersuchung der Umstände des Doping-Tests von Justify und eine Überarbeitung der Dopingtest-Richtlinien, um Rennpferde künftig vor denen zu schützen, denen der Profit wichtiger ist als das Wohlergehen der Pferde.“

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