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Cleveland Bay: Großbritanniens älteste Pferderasse ist in Gefahr
25.09.2019 / News

Cleveland Bays sind kräftig und schnell – und werden vor allem als Fahrpferde hoch geschätzt.
Cleveland Bays sind kräftig und schnell – und werden vor allem als Fahrpferde hoch geschätzt. / Foto: LesMeloures/Wikimedia Commons

Das Cleveland Bay gilt als älteste Pferderasse des Vereinigten Königreichs. Doch der Bestand schrumpft seit Jahrzehnten bedenklich – und auch die genetische Vielfalt wird immer geringer, wie eine aktuelle Studie belegt.

 

Großbritannien ist vor allem dafür berühmt, der Welt das Vollblut geschenkt zu haben – doch nicht weniger bemerkenswert ist eine Pferderasse, die viel weniger Bekanntheit genießt und die vielfach nur Insidern ein Begriff ist: das Cleveland Bay, das seinen Namen den Cleveland Hills in der Grafschaft North Yorkshire verdankt und das als älteste einheimische Warmblutrasse des Vereinigten Königreichs gilt, mit einer Geschichte von mehr als 600 Jahren.

Die großrahmigen, harmonisch proportionierten Pferde mit einem Stockmaß zwischen 162 und 172 cm gelten nicht nur als kräftig, sondern auch als schnell – was ihn im Mittelalter zu einem beliebten Packpferd und später zu einem exzellenten Kutschenpferd machte. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts soll die Rasse soweit konsolidiert gewesen sein, dass sich ihre wesentlichen Merkmale – darunter auch die durchgängig braune Farbe – bis heute erhalten haben.

Die Nachfrage nach den starken, leistungsfähigen Kutschpferden sorgte für Exporte in zahlreiche Länder der Welt. Vor allem in den Vereinigten Staaten wurde das Cleveland Bay zu einer sehr beliebten Pferderasse – um 1900 soll es dort über 2.000 registrierte Pferde gegeben haben. Diese Zahl ging jedoch bis 2009 auf weniger als 200 registrierte Pferde zurück und wurde daher von der ,Livestock Conservancy' als vom Aussterben bedrohte Rasse eingestuft.

Auch in Großbritannien hat der ,Rare Breeds Survival Trust' das Cleveland Bay als besonders besorgniserregend (Status „kritisch") eingestuft, da weltweit weniger als 300 eingetragene Zuchtstuten registriert waren. Die Mehrheit der reinrassigen Tiere lebt in Großbritannien, wobei Nordamerika (hauptsächlich die USA) etwa 25% der Gesamtpopulation ausmacht. Dass die Rasse überhaupt noch besteht, ist nicht zuletzt auch Queen Elizabeth II. zu verdanken, die in den 1960er Jahren – als der Stutenbestand auf unter 200 gesunken war und es nur noch vier Zuchthengste in Großbritannien gab – den wertvollen Hengst Mulgrave Supreme erwarb, der für den Verkauf in die USA bestimmt war. Dieser Hengst zeugte über 20 männliche Nachkommen, von denen ein großer Teil gekört wurde.

Die besorgniserregende Entwicklung des Bestandes und die reiche Geschichte des Cleveland Bay war für Wissenschaftler der Texas A & M Universität Anlass, die genetische Variabilität von Cleveland Bay-Pferden zu analysieren und ihre genetischen Beziehungen zu anderen Pferderassen zu untersuchen. Das seit kurzem vorliegende Ergebnis stimmt nachdenklich – denn es zeigt, dass der kontinuierliche Rückgang der Population die genetische Vielfalt bereits stark beeinträchtigt hat.

Im Rahmen ihres Projekts untersuchten die Forscher mittels Haarproben die DNA von 90 in den USA beprobten Cleveland Bay-Pferden und verglichen sie mit insgesamt 3.447 Pferden aus 59 anderen Rassen aus Europa und der Neuen Welt. Dabei stellten sie fest, dass die genetische Vielfalt in der Rasse geringer war als bei den meisten anderen getesteten Rassen: Sie lag weit unter den Schwankungsbreiten für fast alle anderen Rassen und wurde als drittniedrigste – nach Friesen und Clydesdale-Pferden, die für ihren besonders hohen Inzucht-Grad bekannt sind –  eingestuft.

Die Wissenschaftler dazu: „Diese geringe Variabilität ist ein Hinweis darauf, dass aktive Erhaltungsmaßnahmen für die Rasse ergriffen werden sollten. Viele Pferderassen sind in den letzten hundert Jahren vollständig verschwunden oder stark dezimiert worden – und eine solch geringe genetische Vielfalt weist darauf hin, dass auch das Cleveland Bay gefährdet sein könnte. Das Interesse an einer Belebung dieser Rasse begann bereits Ende des 19. Jahrhunderts, als das Zuchtbuch eingeführt wurde. Seitdem besteht ein anhaltendes Interesse daran, die Rasse vor dem Aussterben zu bewahren, die insbesondere auch durch eine andere Entwicklung – nämlich die Kreuzung von Cleveland Bays mit anderen Rassen zur Zucht von modernen Sportpferden – ernsthaft bedroht ist."

Um die derzeitige, ohnehin schon stark eingeschränkte genetische Vielfalt der Rasse aufrechtzuerhalten, schlagen die Wissenschaftler Gentests und detaillierte Stammbaumanalysen vor, um die genetisch sinnvollsten Anpaarungen ermitteln zu können. Und sie empfehlen auch, Pferde aus anderen Ländern einzuführen bzw. die Möglichkeiten der künstlichen Besamung (mittels Tiefgefriersperma) zu nutzen, um den Genaustausch zwischen Pferden aus verschiedenen Ländern zu ermöglichen.

In Anbetracht der spezifischen Zuchtgeschichte der Rasse sowie ihres beträchtlichen Einflusses auf andere Rassen in Europa und Amerika erscheint sogar eine eingehende genetische Bewertung der Rasse (möglicherweise Genomsequenzierung) angemessen, so die Wissenschaftler, deren Resümee eindeutig ausfällt: „Unsere Ergebnisse zeigen die genetische Einzigartigkeit der Cleveland Bay-Rasse und sind ein eindeutiger Hinweis, dass sie als genetische Ressource erhalten werden muss."

Die Studie „Genetic Characterization of Cleveland Bay Horse Breed" von Anas M. Khanshour, Eleanore K. Hempsey, Rytis Juras und E. Gus Cothran ist am 20. September 2019 in der Zeitschrift ,diversity' erschienen und kann in vollständiger Fassung (in englischer Sprache) hier nachgelesen werden.

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