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Genetische Vielfalt in Gefahr: Deck-Begrenzung für Vollbluthengste in den USA geplant
14.10.2019 / News

In der US-Vollblutzucht stammen immer mehr Pferde von immer weniger Vatertieren ab – dieser  „Konzentration des Genpools" möchte das Direktorium des Jockey Clubs nun entgegenwirken.
In der US-Vollblutzucht stammen immer mehr Pferde von immer weniger Vatertieren ab – dieser „Konzentration des Genpools" möchte das Direktorium des Jockey Clubs nun entgegenwirken. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller

Der amerikanische Jockey Club plant, ab dem Jahr 2021 eine Begrenzung der Decksprünge für Vollbluthengste in den USA einzuführen. Demnach soll kein Hengst künftig mehr als 140 Stuten pro Jahr decken dürfen – um die genetische Vielfalt nicht zu gefährden.

 

Der 1894 gegründete amerikanische Jockey Club ist der Hüter des ,American Stud Book’, des offiziellen Zuchtbuchs für das englische Vollblut in den USA. Vor kurzem ist die honorige Institution mit einem bemerkenswerten Projekt an die Öffentlichkeit getreten – nämlich dem Plan, ab dem Jahr 2021 die Zuchtaktivitäten von Hengsten zu limitieren. Konkret soll es künftig keinem Hengst mehr gestattet sein, mehr als 140 Zuchtstuten pro Jahr zu decken – auch wenn die Nachfrage theoretisch viel größer wäre. Der Grund ist die zunehmende Einschränkung der Vielfalt des Vollblut-Genpools, mit der sich der Jockey Club insbesondere in den letzten Jahren konfrontiert sieht: Immer weniger Hengste decken immer mehr Stuten – und dieses Missverhältnis könnte langfristig die Vitalität und Gesundheit der Rasse gefährden.

Die amerikanische Vollblutzucht ist in den letzten Jahrzehnten massiv geschrumpft, wie ein Blick in die Verbands-Statistiken deutlich vor Augen führt:

– 1991 wurden noch 63.479 registrierte Vollblut-Stuten von 6.696 Hengsten gedeckt – d. h. ein Hengst deckte im Durchschnitt 9,5 Stuten.

– Im Jahr 2000 wurden 59.863 Stuten von insgesamt 4.328 Hengsten gedeckt – ein Hengst kam also durchschnittlich auf 13,8 Stuten.

– Im Jahr 2010 wurden 40.841 Stuten von 2.771 Hengsten gedeckt – ein Hengst deckte also durchschnittlich 14,7 Stuten.

– Im Jahr 2018 wurden 32.508 Stuten von nur noch 1.630 Hengsten gedeckt – ein Hengst kam also durchschnittlich bereits auf 19,9 Stuten, die er belegte.

Dass die Zucht insgesamt rückläufig ist, wäre an sich noch kein bedrohliches Phänomen – denn die Population ist immer noch groß genug, um eine hinreichende genetische Vielfalt zu gewährleisten. Doch es ist ein anderes Phänomen, das beim Direktorium des Jockey Clubs für Beunruhigung sorgt – nämlich dass sich bestimmte Vererber, man könnte sie als Mode- oder als Starhengste bezeichnen, einen immer größeren Anteil an diesem immer kleineren Kuchen schnappen. So zeigen die Statistiken, dass es im Jahr 2010 24 vollblütige ,Star-Hengste’ gab, die 140 Stuten oder mehr pro Jahr gedeckt haben – 2018 aber waren es bereits 43 Hengste, also fast doppelt soviele.

Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich auch auf Stuten-Seite: Stammten im Jahr 2007 noch 5.894 Zuchtstuten (das entspricht 9,5 % aller registrierten Zuchtstuten) von Hengsten ab, die mehr als 140 Stuten pro Jahr gedeckt hatten, so waren es 2019 bereits 7.415 Stuten – und das waren bereits 27 % aller registrierten Zuchtstuten, also nahezu dreimal so viele.

Diese Entwicklungen haben – so der Jockey Club in einer Aussendung – „zu einer erheblichen Erhöhung des Prozentsatzes von Pferden geführt, die von einem sehr kleinen Hengstsegment abstammen – und weisen auf eine besorgniserregende Konzentration des Genpools hin.“

Aus diesem Grund ziehe das Direktorium des Jockey Clubs eine Obergrenze von 140 Stuten in Betracht, die pro Kalenderjahr von einem einzelnen Hengst in Nordamerika gedeckt werden dürfen. Diese soll stufenweise mit folgenden Einschränkungen in Kraft treten:

– Hengste, die 2020 zum ersten Mal in der Zucht eingesetzt werden, werden bis zur Saison 2023 von der 140er-Obergrenze befreit;

– Hengste, die 2019 erstmals züchterisch eingesetzt wurden, sollen bis zur Saison 2022 von der Obergrenze ausgenommen werden;

– Hengste, die 2018 erstmals züchterisch eingesetzt wurden, sollen bis zur Saison 2021 von der Obergrenze ausgenommen werden;

– Hengste, die 2017 oder früher erstmals züchterisch genutzt wurden, müssen ab dem 1. Januar 2021 die Obergrenze von maximal 140 Belegungen einhalten.

Das Direktorium stellte zudem klar, dass es die abnehmende Diversität des Vollblut-Genpools und seine Ursachen und möglichen mittel- und langfristigen Auswirkungen weiter untersuchen und beobachten werde. Sobald mehr Daten und Analysen verfügbar sind, kann es zu weiteren Anpassungen bzw. Einschränkungen zum Schutz der Gesundheit und des Wohlergehens der Rasse kommen. Kommentare, Anregungen und Vorschläge von Züchtern, Eigentümern und anderen Interessenvertretern aus der Vollblut-Branche zu den vorgeschlagenen neuen Bestimmungen seien ausdrücklich erwünscht und willkommen, so der Jockey Club in seiner Mitteilung.

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