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Schlaue Tüftler, scharfe Beobachter: So lernen Pferde vom Menschen
07.11.2019 / News

Gute Beobachter, individuelle Tüftler: Pferde schauen sich vom Menschen ab, wie sie die Futterbox öffnen können – aber einige schaffen es auch von sich aus.
Gute Beobachter, individuelle Tüftler: Pferde schauen sich vom Menschen ab, wie sie die Futterbox öffnen können – aber einige schaffen es auch von sich aus. / Foto: HfWU Nürtingen-Geislingen

Pferde können außerordentlich gute Beobachter sein und lernen so von Menschen, wie sich eine Futterkiste öffnen lässt. Dabei hat jedes Pferd sein ganz eigenes Beobachtungs- und Lernsystem, wie eine an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) durchgeführte Studie zeigt.

 

Zwei Studierende an der HfWU nahmen in ihren Abschlussarbeiten die Art und Weise, wie Pferde durch die Beobachtung von Menschen lernen, unter die Lupe. Für die Studie öffneten Pferdebesitzer vor den Testpferden eine Futterkiste in jeweils unterschiedlicher Körperhaltung – unter Verwendung entweder der Hand, des Kopfes oder des Fußes. Von Interesse war nun, ob die Pferde die beobachtete Aktion mehr oder weniger exakt kopieren würden – oder Vorlieben für eine ganz eigene Methode entwickeln würden.

Für ihre Versuchsreihe verwendeten die beiden Forscherinnen insgesamt 68 Pferde im Alter zwischen 3 und 12 Jahren. 63 Pferde durchliefen die Gewöhnungsphase und wurden schließlich unterschiedlichen Versuchsgruppen zugeordnet:

1) Gruppe ,Handdemo’ (13 Pferde): dabei drückte eine kniende Person den Knopf mit einer Hand;
2) Gruppe ,Kopfdemo’ (13 Pferde): dabei drückte eine kniende Person den Knopf mit dem Kopf;
3) Gruppe ,gemischte Demo’ (12 Pferde): dabei benutzte eine hockende Person sowohl Kopf als auch Hand zum Drücken des Knopfes;
4) Gruppe ,Fuß-Demo' (12 Pferde): dabei benutzte eine stehende Person einen Fuß zum Drücken des Knopfes;

Somit waren insgesamt 50 Pferde Teil der sogenannten ,Demo-Gruppen’ – weitere 13 Pferde wurden der ,No Demo’-Gruppe zugeordnet, erhielten also keinerlei Demonstration und dienten als Kontrolle.

Die Ergebnisse zeigten klar, dass die Pferde, die eine Demonstration erhielten, davon deutlich profitierten, sich also das erfolgreiche Öffnen der Futterkiste vom Menschen abschauen konnten: Insgesamt 40 der 50 Pferde der ,Demo-Gruppen’ – also exakt 75% –  erreichten zwanzig Mal hintereinander das Lernkriterium des Öffnens des Futters,  während es bei den Pferden der ,No-Demo-Gruppe’ nur vier Pferde (= 31%).

Pferde, die das Lernkriterium nicht erreichten, näherten sich den menschlichen Experimentatoren häufiger als diejenigen, die das Lernkriterium erfüllen konnten – suchten also gleichsam menschliche Hilfe, um das Problem zu lösen. Signifikant mehr Pferde benutzten ihren Kopf, um den Knopf zu drücken, egal welche Demonstration sie erhielten. In der ,Fuß-Demo-Gruppe’ bevorzugten jedoch vier Pferde durchweg die Verwendung eines Hufs und zwei Pferde wechselten zwischen Huf- und Kopfgebrauch. Nach der ,gemischten Demo’ waren die Aktionen der Pferde vielfältiger.

Die Ergebnisse zeigen, dass nur wenige Pferde Verhaltensweisen exakt imitieren bzw. nachahmen, wenn sie sozial von Menschen lernen. Einige können durch beobachtende Konditionierung lernen, da sie sich anscheinend an demonstrierte Handlungen anpassen, um das Lernkriterium zu erreichen.

Die meisten Pferde lernen sozial durch Verstärkung, indem sie Menschen einsetzen, um zu lernen, wo und welcher Aspekt eines Mechanismus manipuliert werden muss, und indem sie individuelles Trial-and-Error-Lernen anwenden, um ihr Ziel zu erreichen. So war es durchaus bemerkenswert, dass vier Pferde der Kontrollgruppe (immerhin 31 %!) in der Lage waren, die Futterkiste zu öffnen, ohne zuvor beobachet zu haben, wie der Mechanismus funktioniert.

Unter dem Strich wurde bestätigt: Jedes Pferd hat sein ganz eigenes Beobachtungs- und Lernsystem. Die meisten Pferde nutzen die Beobachtung der Personen, um herauszufinden, wo bevorzugte Leckerbissen zu ergattern sind und machen sich selber daran, herauszufinden, wie das Versteck zu öffnen ist. Einige beobachten die Personen in mehreren Durchgängen und passten sich schließlich der Aktion des Menschen für die Öffnung der Futterkiste an. Nur wenige beobachten die Person ganz genau und versuchen ihre Handlung exakt zu kopieren, sie öffneten je nach Kopf-, Hand- oder Fußgebrauch des Menschen entsprechend die Kiste mit dem Maul oder mit dem Huf.

Auch Pferde lassen sich scheinbar in individuelle Tüftler und gute Beobachter einteilen. Auf jeden Fall sollte man sich gut überlegen, was man seinem Pferd vorführt, bedacht oder unbedacht. Futterkisten oder auch Türen und Tore laufen sonst Gefahr, von Beobachtern auf vier Beinen geöffnet zu werden …

Die Studie „How do horses (Equus caballus) learn from observing human action? Animal Cognition“ von Bernauer, K./Kollross, H./Schuetz, A./Farmer, K./Krueger, K. ist im September 2019 in der Zeitschrift ,Animal Cognition’ erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen wereden.

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