News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Gruppenhaltung ist auch für Leistungspferde sinnvoll
17.11.2019 / News

Überraschendes Resümee: Die Offenstall-Haltung hat die Regeneration von Traberpferden nicht verzögert – sondern sich sogar positiv auf deren Appetit und die Wiederherstellung ihres Energiehaushalts ausgewirkt.
Überraschendes Resümee: Die Offenstall-Haltung hat die Regeneration von Traberpferden nicht verzögert – sondern sich sogar positiv auf deren Appetit und die Wiederherstellung ihres Energiehaushalts ausgewirkt. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller

… das ist Ergebnis einer schwedischen Studie, in der die Effekte von zwei unterschiedlichen Haltungssystemen – Offenstall-Haltung und Boxenhaltung – bei Traberpferden hinsichtlich Regeneration und Wiederherstellung des Energiehaushalts nach Wettkampf-Training untersucht wurden.

 

Das Haltungssystem von Pferden soll einer Vielzahl von Anforderungen genügen – es soll deren Gesundheit erhalten, die Leistungsfähigkeit fördern und ihr Wohlergehen sicherstellen. Viele Pferde werden nach wie vor in Stallungen mit Einzelboxen gehalten – eine Haltungs-Variante, bei der die Bewegungsfreiheit, das Erkunden der Umgebung und die soziale Interaktion eingeschränkt sind und auch die Luftqualität im Stall beeinträchtigt sein kann. Die Alternative ist ein offenes Haltungssystem, bei der die Pferde in Gruppen im Freien gehalten werden. In Trainerkreisen halten sich aber hartnäckig Berichte und Gerüchte, dass die mangelnde Ruhe bei solchen Haltungssystemen die notwendige Erholung der Pferde nach Wettkämpfen oder Trainingseinheiten verzögert und die Leistung beeinträchtigt. Doch ist das auch tatsächlich so?

Dieser Frage sind schwedische Wissenschaftler nachgegangen und haben in einer Testreihe untersucht, ob die Erholung nach einem wettbewerbsähnlichen Training mit Traberpferden tatsächlich durch das Haltungssystem beeinflusst wurde – und wenn ja, in welcher Weise? Überprüft wurden dabei zwei unterschiedliche Systeme – nämlich die Offenstallhaltung (in Gruppen) sowie die Haltung in Einzelboxen – und wie sich diese beiden Systeme auf die Regeneration der Pferde, sprich: die Wiederherstellung des Energiehaushalts, nach wettbewerbsähnlichem Training ausgewirkt haben.

Die getestete Pferdegruppe umfasste insgesamt acht erwachsene Traberpferde – allesamt Wallache – im Alter von 9 bis 13 Jahren (Durchschnittsalter 11 Jahre). Die Pferde wurden für die Versuchsreihen in zwei Gruppen zu je vier Pferden aufgeteilt. Eine Gruppe verbrachte 21 Tage in einer Gruppen-Offenstallhaltung – die andere war währenddessen in Einzelboxen untergebracht, wobei sich die Pferde täglich 4 bis 5 Stunden auf einem Sandpaddock (2.000 Quadratmeter Größe) aufhielten. Nach einer dreitägigen Unterbrechung bzw. Umstellungsphase tauschten die beiden Gruppen das Haltungssystem.

In der Offenstall-Gruppe stand den vier Pferden eine Fläche von 3.200 Quadratmetern zur Verfügung, ebenso ein Unterstand mit Gummimatten sowie automatische Fütterungsstationen und Zugang mittels Transpondern. Die Fütterungszeiten waren dabei so großzügig eingestellt, dass die Pferde sie im Regelfall nicht ausschöpften. Die Einzelboxen hatten eine Größe von 3 x 3 m,  als Einstreu wurden Holzspäne verwendet. Als Raufutter diente Heulage, die den Boxenpferden ad libitum zur Verfügung stand, die Kraftfutter-Rationen (inkl. Mineralstoff- und Vitaminergänzung) wurde vier Mal täglich verabreicht. Wasser und ein Salz-Leckstein stand den Pferden in beiden Haltungssystemen ebenfalls ad libitum zur Verfügung.

Die Pferde führten jeweils nach Tag 7 sowie nach Tag 14 in jedem der Haltungssysteme zwei rennähnliche Belastungstests durch. Die Raufutter-Aufnahme wurde in den letzten sechs bzw. sieben Tagen bei jeder Gruppe exakt aufgezeichnet. Vor, während und 44 Stunden nach jedem Belastungstest wurden auch Blutproben zur weiteren Analyse entnommen.

Die Ergebnisse waren in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert:
– Die freiwillige Raufutter-Aufnahme – gemessen jeweils für die gesamte Vierergruppe – war bei der Offenstall-Gruppe höher als bei der Einzelboxen-Gruppe.
– Das Haltungssystem hatte auf die kurzfristige Erholung des Stoffwechsels (also bei einer Messung 3 bis 7 Stunden nach dem Belastungstest) keinen bzw. nur einen sehr geringen Einfluss, wie die erhobenen Parameter – Herzfrequenz während des Trainings, Laktat- und Harnstoff-Werte, nicht-veresterte (freie) Fettsäuren (NEFA = non-esterified fatty acids) sowie Gesamt-Plasma-Proteinkonzentration (TPP = total plasma protein)– ergaben.
– Die Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die freie Offenstall-Haltung langfristig (also bei Messung 20 bis 44 Stunden nach dem Belastungstest) vorteilhaft auf den Stoffwechsel wirken kann.

Die Forscher wörtlich: „Das Fehlen von Unterschieden in den nicht-veresterten Fettsäuren (NEFA), den Harnstoff- und Plasma-Protein-Konzentrationen während der kurzfristigen Erholung weist darauf hin, dass die Wasser- und Futteraufnahme in den beiden Haltungssystemen in den ersten Stunden nach dem Belastungstest ähnlich war. Hinsichtlich der langfristigen Erholung waren die NEFA-Spiegel bei den Offenstall-Pferden sehr niedrig, sogar niedriger als vor dem Belastungstest. Dies deutet auf eine schnelle und effiziente Wiederherstellung des Energiehaushalts durch Pferde in diesem Haltungssystem hin – ein Befund, der auch durch den höheren täglichen Futterverbrauch von Offenstall-Pferden unterstützt wird.“ Mit anderen Worten: Die Offenstall-Haltung hat die Regeneration der Traberpferde nicht verzögert – sondern sich sogar positiv auf deren Appetit und die Wiederherstellung ihres Energiehaushalts ausgewirkt.

Zudem hätten die Forscher auch erwartet, dass die Herzfrequenz bei Offenstall-Pferden höher sein müsste als bei den Boxenpferden, da diese eine insgesamt größere physische Aktivität hatten. Doch das war nicht der Fall – was selbst die Wissenschaftler überraschte: „Bei Boxenpferden ist die höhere Herzfrequenz im Ruhezustand im Vergleich zu den erwarteten Werten schwer zu erklären, ebenso der fehlende Unterschied in der Herzfrequenz zwischen den Haltungssystemen. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass die Herzfrequenz bei Boxenpferden erhöht ist, weil sie bei dieser Haltungsform wacher, aufgeregter oder gestresster (durch Personen oder Pferde, die sich im Stall bewegten) waren. Auch dies würde den kursierenden Gerüchten und Anekdoten widersprechen, wonach Pferde in Gruppen- bzw. Offenstallhaltung weniger entspannt wären als Pferde in Einzelboxen.“

Die Studie „Effects of Horse Housing System on Energy Balance during Post-Exercise Recovery" von Malin Connysson, Marie Rhodin und Anna Jansson ist am 14. November in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung (als Download) hier nachgelesen werden.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen