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Helmpflicht für alle Reiter: Diese Frau hat es möglich gemacht
29.11.2019 / News

Die US-Dressurreiterin Courtney King-Dye wurde nach ihrem Unfall zur wichtigsten Botschafterin für Sicherheitshelme im Reitsport – und 2012 dafür mit dem FEI-Award ,Against all Odds
Die US-Dressurreiterin Courtney King-Dye wurde nach ihrem Unfall zur wichtigsten Botschafterin für Sicherheitshelme im Reitsport – und 2012 dafür mit dem FEI-Award ,Against all Odds' ausgezeichnet. / Foto: FEI
Dressur-Olympiasiegerin Charlotte Dujardin wurde für viele zum Vorbild, weil sie mit Sicherheitshelm und nicht mit Zylinder ritt.
Dressur-Olympiasiegerin Charlotte Dujardin wurde für viele zum Vorbild, weil sie mit Sicherheitshelm und nicht mit Zylinder ritt. / Foto: Archiv/Julia Rau

Nach jahrelangen Diskussionen hat die FEI bei Ihrer Generalversammlung eine weitreichende Helmpflicht für alle Reitsport-Disziplinen per 1. Jänner 2021 beschlossen – ausgenommen davon ist nur das Voltigieren. Die FEI-Entscheidung wäre aber ohne das besondere Schicksal und das Wirken einer US-Reiterin wohl nie zustandegekommen.


Der 19. November 2019 wird als historischer Tag in die Annalen des Reitsports eingehen – denn an diesem Tag beschloss die FEI-Generalversammlung in Moskau die Einführung einer generellen Helmpflicht für alle FEI-Reitsportdisziplinen, einschließlich Dressur und Westernreiten sowie Marathon-Fahren. Einzige Ausnahme ist das Voltigieren – hier war für die FEI das Argument ausschlaggebend, dass in dieser speziellen Disziplin das Balancegefühl durch Sicherheitshelme beeinträchtigt werden und somit kontraproduktiv sein könnte.

Bis zuletzt gab es vor allem Widerstand aus Pferdesport-Nationen mit großer Dressur-Tradition wie etwa den Niederlanden – die sich nur widerwillig vom altvertrauten Zylinder trennen mochten. Doch deren Position stand auf immer schwächeren Beinen, wie auch Frank Kemperman, der Vorsitzende des FEI-Dressurausschusses meinte: „Tradition ist in unserem Sport wichtig, aber es ist schwierig, den Empfehlungen von Ärzten und Unfallspezialisten nicht zu folgen", so Kemperman gegenüber dem Portal Eurodressage.com. „Es gibt kein wirklich starkes Argument gegen die Verwendung eines effizienten Kopfschutzes in der Dressur, außer dem Hinweis auf die Tradition." Auf Wunsch des holländischen Verbandes wurde auch die Einführung der Helmpflicht von 1.1.2020 auf 1.1.2021 verschoben, um ausreichend Zeit für die Vorbereitung auf die neue Regelung zu haben.

Die Pflicht für das Tragen von Sicherheits-Reithelmen gilt für alle FEI-Turniere – es ist aber zu hoffen, dass sich die Mitgliedsverbände dies auch auf ihren nationalen Turnieren zum Vorbild nehmen und eine gleichlautende Regelung einführen. Manche Föderationen haben dies bereits getan – mitunter sogar schon vor Jahren.

Es darf in diesem Zusammenhang aber nicht der Hinweis fehlen, dass die historische Entscheidung der FEI wohl niemals zustandegekommen wäre, wenn sich nicht eine besondere Frau für das Tragen von Sicherheitshelmen eingesetzt und stark gemacht hätte. Es ist die US-Dressurreiterin Courtney King-Dye, die 2008 an den Olympischen Dressurbewerben in Hongkong teilgenommen hatte und als große Zukunftshoffnung im US-Dressursport galt. Im März 2010 aber kam alles anders: Beim Training eines jungen Pferdes auf ihrer Anlage in Florida stürzte King-Dye schwer und erlitt dabei einen Schädelbruch und Hirnblutungen. Nach mehreren Wochen im Koma kämpfte sie sich ins Leben zurück und musste wieder alles von Grund auf neu lernen – sprechen, gehen, essen. Bei ihrer langen Rehabilitation ließ sie nichts unversucht, um ihre motorischen Beeinträchtigungen zu verbessern, sie trainierte ihr Balancegefühl auf einem Pferde-Simulator, und auch die Reittherapie brachte ihr große Fortschritte. Dennoch hat sich Courtney King-Dye nicht vollständig von den Unfallfolgen erholt – die Hoffnungen auf einen Neustart im Dressursport haben sich nicht erfüllt.

Pferdefreunde auf der ganzen Welt haben Anteil an ihrem Schicksal genommen – und sind auch in einem anderen Kampf an ihrer Seite gestanden: Denn King-Dye widmete sich – sobald sie körperlich dazu in der Lage war – mit vollem Einsatz auch einer anderen, neuen Bestimmung und wurde zur international wohl bekanntesten Fürsprecherin für das Tragen von Schutzhelmen bei jeglichem Pferdesport. Sie unterstützte die weltweite ,Riders4Helmets'-Kampagne nach Kräften und wurde mit der ihr eigenen Überzeugungskraft und Authentizität zur wichtigsten Botschafterin für mehr Sicherheit im Reitsport. Ihr eigenes Schicksal wurde zum besten Beispiel dafür, dass niemand – auch nicht eine Olympia-Reiterin – davor gefeit ist, zum Opfer eines unvorhersehbaren Unglücks zu werden. Sie hatte bei ihrem tragischen Unfall keinen Schutzhelm getragen.

In einem Interview wurde sie gefragt, was sie denn all jenen sagen würde, die nach wie vor auf einen Kopfschutz verzichten und sich hartnäckig weigern, beim Umgang mit Pferden einen Sicherheitshelm zu tragen. Courtney King-Dye darauf: „Ich habe ihnen wirklich gar nichts zu sagen – ich bin mit Sicherheit kein Prediger, denn ich bin selbst 25 Jahre lang ohne Helm geritten. Ich würde aber hoffen, dass jeder aus meinem Unfall seine Lehren zieht: Ich war ein Spitzenreiter und mein Pferd tat nichts Schlimmes – es stolperte einfach und fiel über seine eigenen Beine. Ein solcher Unfall kann jedem jederzeit passieren, und kein Können und keine noch so große Geschicklichkeit können dies verhindern. Mein Unfall und die dadurch bewirkte überwältigende Veränderung meines Lebens sollten Beweis genug sein, dass der Schutz des Gehirns jede Begründung und jedes Argument, keinen Helm zu tragen, bei weitem übertrifft. Wenn man daraus nichts lernen will, macht mich das nur traurig."

Nur wenige konnten sich der Kraft ihrer Argumente und ihres Beispiels entziehen – und so kamen die Dinge weltweit in Bewegung: Schon im Juni 2010 befasste sich der FEI-Dressurausschuss mit dem Thema und und sprach eine nachdrückliche Empfehlung aus, dass sämtliche Reiter auf internationalen Dressurturnieren sowohl am Abreiteplatz als auch beim Training einen Sicherheitshelm tragen sollten. Noch weiter ging der US-Pferdesportverband (United States Equestrian Federation), der mit 1. März 2011 eine Helmpflicht auf nationalen Turnieren einführte – für Reiter unter 18 Jahren auch gültig bei Prüfungen auf FEI-Niveau. Mit 1. Jänner 2012 führte Kanada – als erstes Land weltweit – eine generelle Helmpflicht für Dressurreiter ein, gültig für alle Altersgruppen, Turnierkategorien und Prüfungslevels.

Viele Pferdefreunde rechneten damit, dass sich die FEI an diesen beiden Verbänden ein Beispiel nehmen und ebenfalls bald eine Helmpflicht für Dressurreiter vorschreiben würde – doch das Lager der ,Traditionalisten' leistete lang anhaltende, hartnäckige Gegenwehr. Erst, als der neuseeländische Pferdesportverband (New Zealand Equestrian Federation) im Juli 2016 den Dressurzylinder explizit verbot und eine Helmpflicht für alle Reitsport-Disziplinen einführte – gemeinsam mit der Empfehlung, beim Umgang mit Pferden immer einen Sicherheitshelm zu tragen – kamen die Dinge wieder in Bewegung. Das Votum der FEI-Generalversammlung in Moskau war nur der Schlussstein eines fast zehn Jahre dauernden Kampfes.

Für ihre Bemühungen und ihre Verdienste rund um die Helmpflicht für alle Reitsportler wurde Courtney King-Dye von der FEI mit dem ,Against all Odds'-Award 2012 ausgezeichnet. Die FEI-Entscheidung vom 19. November 2019 – übrigens nur einen Tag nach ihrem 42. Geburtstag – war aber für King-Dye aber gewiss die noch schönere und wichtigere Auszeichnung.

Auch wenn die Spuren ihres Unfalls King-Dye ein Leben lang begleiten werden, hat sie ihr Leben auf beeindruckende Weise gemeistert – sie arbeitet heute als Dressurtrainerin und ist Mutter von drei entzückenden Kindern. Und sie darf für sich in Anspruch nehmen, die Pferdewelt verändert und ein Stückchen sicherer gemacht zu haben – dazu kann man nur gratulieren und sagen (weil's in diesem Fall wirklich passt): Hut ab! (und Helm auf!)

Hier geht's zur Website von Courtney King-Dye – und hier zu Ihrer Facebook-Seite!

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