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Pferde reagieren enorm sensibel auf menschliche Gefühle
18.12.2019 / News

Pferde können in den Emotionen von Menschen lesen wie in einem offenen Buch – und sie reagieren unmittelbar darauf, vor allem auf negative Gefühlslagen, so eine französische Studie.
Pferde können in den Emotionen von Menschen lesen wie in einem offenen Buch – und sie reagieren unmittelbar darauf, vor allem auf negative Gefühlslagen, so eine französische Studie. / Symbolfoto: Simone Aumair

Pferde sind nicht nur Meister im Interpretieren menschlicher Emotionen, sondern werden von diesen auch unmittelbar beeinflusst, wie eine Studie aus Frankreich nahelegt.

 

Hatten Sie bisher schon mitunter den Eindruck, dass sie ihrem Pferd nichts vormachen können und dass es intuitiv spürt, wie es ihnen im Innersten geht und ob sie gute oder schlechte Laune haben? Nun, mit diesem Eindruck liegen sie goldrichtig, wie eine aktuelle Untersuchung französischer Wissenschaftler zeigt: Ihr Pferd kann in ihren Emotionen lesen wie in einem offenen Buch – und mehr noch: Es nimmt sich ihre Gefühle auch sehr zu Herzen, ganz besonders ihre negativen.

In ihrer Studie führten die Wissenschaftler einer Gruppe von insgesamt 34 Testpferden kurze Video-Sequenzen (ohne Ton!) vor, die jeweils eine Frau mit unterschiedlichem Gesichtsausdruck zeigten: auf einem Video waren positive Emotionen der Freude und des Glücks zu sehen, auf dem anderen negative Emotionen von Ärger und Wut. Die Videos wurden den Pferden gleichzeitig auf einem Bildschirm rechts und links von ihnen vorgespielt – während über einen Lautsprecher kurze Audioclips einer anderen Frau liefen, die entweder Wut oder Freude ausdrückten (nur stimmliche Laute, aber keine Worte). Während dieser Tests wurden nicht nur die Verhaltensreaktionen der Pferde – festgehalten mit drei Video-Kameras – detailliert erfasst, sondern mit einem Herzüberwachungsgerät auch deren Herzfrequenz aufgezeichnet.

Die Testpferde – allesamt Welsh Pony Stuten – reagierten auf die optisch und akustisch präsentierten Gefühlszustände des Menschen sehr unmittelbar und auf bemerkenswerte Art und Weise:

– Die Pferde konnten – was sich mit der Hypothese der Forscher deckte – sehr eindeutig zwischen den beiden unterschiedlichen menschlichen Gesichtsausdrücken (Freude vs. Zorn) unterscheiden, und zwar anhand der Übereinstimmung mit der stimmlichen Gefühlsäußerung. Diese Fähigkeit zu einer multi-modalen (also auf unterschiedliche Weise – im konkreten Fall optisch sowie akustisch) Wahrnehmung menschlicher Emotionen deckt sich mit den Ergebnissen früherer Studien: Pferde können die Bedeutung bzw. Wertigkeit des Gesichtsausdrucks in Einklang mit der wahrgenommenen Stimme bringen, was bedeutet, dass sie diesen beiden unterschiedlichen Reize derselben emotionalen Kategorie korrekt zuordnen können.

– Bemerkenswert war, dass die Testpferde konsequent auf das „falsche“ Gesicht gestarrt haben – also auf dasjenige, das nicht zum stimmlichen Ausdruck gepasst hat: Wurde ein freudvoller akustischer Laut abgespielt, blickten sie auf den zornigen Gesichtsausdruck – und umgekehrt. Dies ist bemerkenswert, weil es sich bei Primaten und Hunden bei gleicher Versuchsanordnung genau umgekehrt verhält – sie blicken auf das ,richtige’ Bild bzw. Video, also dasjenige, das mit der stimmlichen Gefühlsäußerung übereinstimmt.

Die Wissenschaftler erklären diesen Unterschied durch die Art und Weise, wie verschiedene Spezies auf Umweltreize reagieren bzw. diese verarbeiten. Wie bereits in anderen Studien gezeigt werden konnte, wenden Pferde einer inkongruenten, also widersprüchlichen Situation besonders hohe Aufmerksamkeit zu, weil ihnen diese offenkundig besonders interessant erscheint. Dies mag mit ihrer Natur als Fluchttier in Zusammenhang stehen: Pferde starren länger auf Dinge, die sie nicht kennen bzw. nicht verstehen und die daher möglicherweise bedrohlich für sie sein können. Und sie sind offenkundig von Dingen bzw. Situationen beunruhigt, die ihre „Erwartungen verletzen“, wie es die Forscher ausgedrückt haben.

– Interessant war noch eine andere Entdeckung der französischen Wissenschaftler: Die Pferde reagierten unmittelbar auf die jeweilige akustische Gefühlsäußerung – und zwar nicht nur durch ihr Verhalten, sondern auch durch ihre Herzfrequenz. Wenn sie einen freudigen Stimmausdruck hörten, verbrachten sie doppelt soviel Zeit in einer entspannten Position und weniger Zeit in einer Haltung der Aufmerksamkeit – als beim Wahrnehmen einer zornigen Stimme. Und wenn sie die freudige Stimme hörten, war auch die Herzfrequenz niedriger. Ob die Pferde dachten, dass diese Emotionen auch tatsächlich auf sie gerichtet waren oder nicht, spielte dabei keine Rolle – sie waren trotzdem direkt davon betroffen.

– Besonders spannend war für die Wissenschaftler vor allem, wie schnell und unmittelbar die Pferde auf den akustischen Gefühlsausdruck reagierten. Obwohl die Testpferde zuvor nur sehr wenig mit Menschen zu tun hatten (was auch so gehandhabt wurde, um den geplanten Test nicht zu verfälschen), reagierten sie „höchst sensibel“ auf die menschlichen Emotionen: „Es war unglaublich zu beobachten, wie ein einfaches Stöhnen oder ein Seufzer der Unzufriedenheit ihre Herzfrequenz schlagartig in die Höhe schnellen ließ – aber auch, wie ein bloßes Lächeln sie besänftigen konnte“, so Studienautorin Léa Lansade.

Das Resümee der Wissenschaftler: „Die Pferde reagierten auf unterschiedliche Weise, sowohl durch physiologische Reaktionen (Herzfrequenz) als auch in ihrem Verhalten, wenn sie Stimmen der Freude und des Zorns hörten. Besonders wichtig erscheint, dass Pferde Töne und Bilder in die modalübergreifende Erkennung menschlicher Emotionen einbeziehen können, was darauf hindeutet, dass Pferde in der Lage sind, emotionale Reize unabhängig von ihrer Modalität (optisch/akustisch) und basierend auf ihrer Bedeutung zu zu erfassen und zu interpretieren.

Es ist wichtig zu verstehen, wie Pferde menschliche Emotionen wahrnehmen und auf sie reagieren, da dies direkte Auswirkungen auf ihre Haltung und ihr Wohlbefinden hat. In der Tat kann ein Mensch, der negative Gefühle ausdrückt, beim Pferd Stress verursachen, eine Angstreaktion und im schlimmsten Fall sogar Unfälle auslösen. Ein Mensch, der positive Gefühle ausdrückt, kann dagegen für das Pferd beruhigend und sogar wohltuend sein – und dies könnte man auch im Trainingskontext vorteilhaft einsetzen.“

Anders ausgedrückt: Zu wissen, wie unglaublich sensibel Pferde sind, kann uns dabei helfen, besser mit ihnen zu kommunizieren, eine bessere Partnerschaft zu ihnen aufzubauen und auch ein besseres, humaneres Training zu entwickeln. Es bedeutet aber auch, unseren Gefühlen nicht immer freie Bahn zu lassen, wenn wir beim Pferd sind – und vor allem unsere negativen Emotionen so gut wie möglich zu kontrollieren, denn die wirken sich unmittelbar auch auf unsere geliebten Vierbeiner aus, wie wir jetzt wissen …

Die Studie „Horses Categorize Human Emotions Cross-Modally Based on Facial Expression and Non-Verbal Vocalizations" von Miléna Trösch, Florent Cuzol, Céline Parias, Ludovic Calandreau, Raymond Nowak und Léa Lansade ist am 24. Okt. 2019 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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1) B. Heintz: Gerne mal hier vorbei schauen : https://kroed.de/forschung/
Sonntag, 20. Februar 2022

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