Pferde reagieren enorm sensibel auf menschliche Gefühle 18.12.2019 / News
Pferde können in den Emotionen von Menschen lesen wie in einem offenen Buch – und sie reagieren unmittelbar darauf, vor allem auf negative Gefühlslagen, so eine französische Studie. / Symbolfoto: Simone Aumair
Pferde sind nicht nur Meister im Interpretieren menschlicher Emotionen, sondern werden von diesen auch unmittelbar beeinflusst, wie eine Studie aus Frankreich nahelegt.
Hatten Sie bisher schon mitunter den Eindruck, dass sie ihrem Pferd nichts vormachen können und dass es intuitiv spürt, wie es ihnen im Innersten geht und ob sie gute oder schlechte Laune haben? Nun, mit diesem Eindruck liegen sie goldrichtig, wie eine aktuelle Untersuchung französischer Wissenschaftler zeigt: Ihr Pferd kann in ihren Emotionen lesen wie in einem offenen Buch – und mehr noch: Es nimmt sich ihre Gefühle auch sehr zu Herzen, ganz besonders ihre negativen.
In ihrer Studie führten die Wissenschaftler einer Gruppe von insgesamt 34 Testpferden kurze Video-Sequenzen (ohne Ton!) vor, die jeweils eine Frau mit unterschiedlichem Gesichtsausdruck zeigten: auf einem Video waren positive Emotionen der Freude und des Glücks zu sehen, auf dem anderen negative Emotionen von Ärger und Wut. Die Videos wurden den Pferden gleichzeitig auf einem Bildschirm rechts und links von ihnen vorgespielt – während über einen Lautsprecher kurze Audioclips einer anderen Frau liefen, die entweder Wut oder Freude ausdrückten (nur stimmliche Laute, aber keine Worte). Während dieser Tests wurden nicht nur die Verhaltensreaktionen der Pferde – festgehalten mit drei Video-Kameras – detailliert erfasst, sondern mit einem Herzüberwachungsgerät auch deren Herzfrequenz aufgezeichnet.
Die Testpferde – allesamt Welsh Pony Stuten – reagierten auf die optisch und akustisch präsentierten Gefühlszustände des Menschen sehr unmittelbar und auf bemerkenswerte Art und Weise:
– Die Pferde konnten – was sich mit der Hypothese der Forscher deckte – sehr eindeutig zwischen den beiden unterschiedlichen menschlichen Gesichtsausdrücken (Freude vs. Zorn) unterscheiden, und zwar anhand der Übereinstimmung mit der stimmlichen Gefühlsäußerung. Diese Fähigkeit zu einer multi-modalen (also auf unterschiedliche Weise – im konkreten Fall optisch sowie akustisch) Wahrnehmung menschlicher Emotionen deckt sich mit den Ergebnissen früherer Studien: Pferde können die Bedeutung bzw. Wertigkeit des Gesichtsausdrucks in Einklang mit der wahrgenommenen Stimme bringen, was bedeutet, dass sie diesen beiden unterschiedlichen Reize derselben emotionalen Kategorie korrekt zuordnen können.
– Bemerkenswert war, dass die Testpferde konsequent auf das „falsche“ Gesicht gestarrt haben – also auf dasjenige, das nicht zum stimmlichen Ausdruck gepasst hat: Wurde ein freudvoller akustischer Laut abgespielt, blickten sie auf den zornigen Gesichtsausdruck – und umgekehrt. Dies ist bemerkenswert, weil es sich bei Primaten und Hunden bei gleicher Versuchsanordnung genau umgekehrt verhält – sie blicken auf das ,richtige’ Bild bzw. Video, also dasjenige, das mit der stimmlichen Gefühlsäußerung übereinstimmt.
Die Wissenschaftler erklären diesen Unterschied durch die Art und Weise, wie verschiedene Spezies auf Umweltreize reagieren bzw. diese verarbeiten. Wie bereits in anderen Studien gezeigt werden konnte, wenden Pferde einer inkongruenten, also widersprüchlichen Situation besonders hohe Aufmerksamkeit zu, weil ihnen diese offenkundig besonders interessant erscheint. Dies mag mit ihrer Natur als Fluchttier in Zusammenhang stehen: Pferde starren länger auf Dinge, die sie nicht kennen bzw. nicht verstehen und die daher möglicherweise bedrohlich für sie sein können. Und sie sind offenkundig von Dingen bzw. Situationen beunruhigt, die ihre „Erwartungen verletzen“, wie es die Forscher ausgedrückt haben.
– Interessant war noch eine andere Entdeckung der französischen Wissenschaftler: Die Pferde reagierten unmittelbar auf die jeweilige akustische Gefühlsäußerung – und zwar nicht nur durch ihr Verhalten, sondern auch durch ihre Herzfrequenz. Wenn sie einen freudigen Stimmausdruck hörten, verbrachten sie doppelt soviel Zeit in einer entspannten Position und weniger Zeit in einer Haltung der Aufmerksamkeit – als beim Wahrnehmen einer zornigen Stimme. Und wenn sie die freudige Stimme hörten, war auch die Herzfrequenz niedriger. Ob die Pferde dachten, dass diese Emotionen auch tatsächlich auf sie gerichtet waren oder nicht, spielte dabei keine Rolle – sie waren trotzdem direkt davon betroffen.
– Besonders spannend war für die Wissenschaftler vor allem, wie schnell und unmittelbar die Pferde auf den akustischen Gefühlsausdruck reagierten. Obwohl die Testpferde zuvor nur sehr wenig mit Menschen zu tun hatten (was auch so gehandhabt wurde, um den geplanten Test nicht zu verfälschen), reagierten sie „höchst sensibel“ auf die menschlichen Emotionen: „Es war unglaublich zu beobachten, wie ein einfaches Stöhnen oder ein Seufzer der Unzufriedenheit ihre Herzfrequenz schlagartig in die Höhe schnellen ließ – aber auch, wie ein bloßes Lächeln sie besänftigen konnte“, so Studienautorin Léa Lansade.
Das Resümee der Wissenschaftler: „Die Pferde reagierten auf unterschiedliche Weise, sowohl durch physiologische Reaktionen (Herzfrequenz) als auch in ihrem Verhalten, wenn sie Stimmen der Freude und des Zorns hörten. Besonders wichtig erscheint, dass Pferde Töne und Bilder in die modalübergreifende Erkennung menschlicher Emotionen einbeziehen können, was darauf hindeutet, dass Pferde in der Lage sind, emotionale Reize unabhängig von ihrer Modalität (optisch/akustisch) und basierend auf ihrer Bedeutung zu zu erfassen und zu interpretieren.
Es ist wichtig zu verstehen, wie Pferde menschliche Emotionen wahrnehmen und auf sie reagieren, da dies direkte Auswirkungen auf ihre Haltung und ihr Wohlbefinden hat. In der Tat kann ein Mensch, der negative Gefühle ausdrückt, beim Pferd Stress verursachen, eine Angstreaktion und im schlimmsten Fall sogar Unfälle auslösen. Ein Mensch, der positive Gefühle ausdrückt, kann dagegen für das Pferd beruhigend und sogar wohltuend sein – und dies könnte man auch im Trainingskontext vorteilhaft einsetzen.“
Anders ausgedrückt: Zu wissen, wie unglaublich sensibel Pferde sind, kann uns dabei helfen, besser mit ihnen zu kommunizieren, eine bessere Partnerschaft zu ihnen aufzubauen und auch ein besseres, humaneres Training zu entwickeln. Es bedeutet aber auch, unseren Gefühlen nicht immer freie Bahn zu lassen, wenn wir beim Pferd sind – und vor allem unsere negativen Emotionen so gut wie möglich zu kontrollieren, denn die wirken sich unmittelbar auch auf unsere geliebten Vierbeiner aus, wie wir jetzt wissen …
Die Studie „Horses Categorize Human Emotions Cross-Modally Based on Facial Expression and Non-Verbal Vocalizations" von Miléna Trösch, Florent Cuzol, Céline Parias, Ludovic Calandreau, Raymond Nowak und Léa Lansade ist am 24. Okt. 2019 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...1) B. Heintz: Gerne mal hier vorbei schauen : https://kroed.de/forschung/ Sonntag, 20. Februar 2022 Weitere Artikel zu diesem Thema:17.09.2018 - Pferde können menschliche Emotionen aus der Stimme heraushören
Pferde können menschliche Emotionen aus der Stimme heraushören 17.09.2018 / News
Pferde können Emotionen nicht nur aus Mimik, Gesten und Körperhaltung ablesen, sondern auch aus der menschlichen Stimme, wie Forscher nun herausfanden. / Symbolfoto: Irene Gams
Wer von uns hat nicht schon böse gebrummt, wenn sein Pferd nicht das gemacht hat, was man eigentlich wollte? Aber können Pferde mit solchen akustischen Äußerungen auch etwas anfangen und sie korrekt interpretieren? Britische Forscher wollten das herausfinden – und kamen auf interessante Ergebnisse.
Dass Pferde menschliche Emotionen aus Gesichtszügen, Gesten und der Körpersprache mit überwältigender Treffsicherheit ablesen und interpretieren können, ist reiterliches Alltagswissen und auch in zahlreichen Studien eindrucksvoll dokumentiert. Wie aber steht es um die Emotionen in der menschlichen Stimme – sind Pferde auch in der Lage, allein aus akustischen Äußerungen unterschiedliche Gefühlslagen oder Stimmungen herauszuhören? Dieser Frage ging ein Forscherteam der Universität Sussex in Großbritannien nach und analysierte in einer Reihe von Tests die Reaktionen von Pferden auf stimmliche menschliche Äußerungen, die gleichsam die entgegengesetzten Endpunkte des menschlichen emotionalen Spektrums markierten: nämlich fröhliches Lachen auf der einen sowie zorniges Knurren bzw. Brummen auf der anderen Seite.
Für ihre Versuche verwendeten die Wissenschaftler insgesamt 28 Pferde aus zwei Reitschulen in East Sussex. Jedem Testpferd wurden insgesamt acht Tonband-Aufnahmen mit akustischen menschlichen Stimuli vorgespielt, wobei der Ton aus einem Lautsprecher kam, der in etwa 15 m Entfernung außerhalb des Blickfelds des Pferdes aufgestellt war. Die acht Laut-Proben waren feinsäuberlich nach Geschlecht getrennt: Zwei Frauen und zwei Männer durften je zweimal lachen sowie zweimal brummen. Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen, waren die einzelnen Tests jeweils von einer einwöchigen oder längeren Pause unterbrochen.
Die Reaktionen der Pferde wurde von Verhaltensspezialisten beobachtet und dokumentiert. Was sie zu Gesicht bekamen, war durchaus erstaunlich: Bei Ertönen des ,negativen’ Stimulus – also des zornigen Knurrens – verharrten die Pferde deutlich länger in einer Haltung der ,Schockstarre’ als beim Abspielen des fröhlichen Lachens. Diese Körperposition deutet darauf hin, dass sich die Pferde in einem Zustand erhöhter Wachsamkeit befinden und den wahrgenommenen Impuls eindeutig als eher bedrohlich auffassten. Diese Interpretation wurde auch dadurch unterstützt, dass die Pferde ihre Ohren länger nach vor gerichtet hatten und weniger Ohrbewegungen ausführten, was ebenfalls auf eine erhöhte Wachsamkeit hindeutet.
Darüber hinaus zeigten die Pferde eine klare Präferenz, auf das fröhliche Lachen mit dem rechten Ohr (gesteuert von der linken Gehirnhälfte) zu reagieren, was ebenfalls darauf hinweist, dass sie das Lachen eindeutig als positiver empfanden als das Knurren. Diese ,auditorische Lateralität’ (auditory laterality) sei bei Pferden zwar noch nicht gründlich untersucht, jedoch bei zahlreichen anderen Spezies belegt: Eine Präferenz zur Wahrnehmung mit dem rechten Ohr zeige an, dass die Signale bevorzugt in der linken Gehirnhälfte verarbeitet werden und allgemein mit der Wahrnehmung vertrauter bzw. positiver Stimuli verbunden sind, so die Wissenschaftler.
Dies alles deutet darauf hin, dass Pferde sehr wohl in der Lage sind, zwischen unterschiedlichen menschlichen ,Stimmlagen’ zu unterscheiden, und das allein aufgrund der akustischen Wahrnehmung, ohne jeglichen anderen Anhaltspunkt (z. B. Gestik, Mimik, Körperhaltung etc.): Sie nehmen zornige stimmliche Äußerungen als negativ und bedrohlich wahr, während sie fröhliche eindeutig positiv interpretieren – wobei sie interessanterweise nicht zwischen männlichen und weiblichen Stimmen unterscheiden. Speziell dieser Punkt überraschte die Wissenschaftler durchaus, wie sie zugaben: „Wir hatten eigentlich erwartet, dass Pferde negativer auf männliche Stimmen reagieren würden, speziell auf negative Männerstimmen, weil sie – im Vergleich zu weiblichen Stimmen – relativ niedrige Grund- bzw. Formant-Frequenzen haben“, so Co-Autorin Amy Victoria Smith. Doch diese Vermutung habe sich nicht bestätigt – und dafür gäbe es auch eine schlüssige Erklärung: „Es gibt ähnliche Hinweise, dass Hunde auch nicht hinsichtlich des Geschlechts eines menschlichen Signalgebers unterscheiden, wenn sie emotionale Stimmäußerungen hören, obwohl sie in der Lage sind, das Geschlecht des Sprechers zu erkennen. Es ist daher möglich, dass bei ,emotionalen Inhalten’ die Botschaft der Emotion deutlich mehr Gewicht hat als das Geschlecht des Signalgebers und daher auch stärker darauf reagiert wird.“
Die Position der ,Schockstarre’, die mit der Wahrnehmung des zornigen Knurrens einhergeht, interpretierten die Wissenschaftler als Teil der arttypischen ,Kampf, Flucht oder Erstarrung’-Reaktion (fight, flight or freeze), mit der Pferde auf eine wahrgenommene Bedrohung reagieren. Typischerweise wird die Erstarrung dann als Antwort gewählt, wenn die Bedrohung als eher weit entfernt und eher geringgradig eingeschätzt wird, während näherliegende und stärkere Bedrohungen auch vehementere Reaktionen (lautes Wiehern, Vermeidungs-Reaktionen oder sogar Angriffsverhalten) provozieren können.
Die Wissenschaftler sehen ihre Untersuchung im Zusammenhang mit aktuellen Forschungen über die Fähigkeit von Hunden, emotionale stimmliche Äußerungen des Menschen zu unterscheiden – und dieses Forschungsinteresse auch eine andere Haustier-Art zu übertragen. Frühere Studien haben nahegelegt, dass Pferde nicht zwischen harschen oder beruhigenden menschlichen Stimmen unterscheiden – doch das könnte mit bestimmten Trainingsmethoden zu tun haben, die bei diesen Tests zum Einsatz gekommen sind und so die Ergebnisse verfälscht haben könnten. Ihre aktuelle Untersuchung zeigt tatsächlich ein anderes Bild: „Unsere Ergebnisse stellen eine Ergänzung der bisherigen Forschungen über die Fähigkeit von Hunden dar, den emotionellen Gehalt menschlicher Stimmen zu unterscheiden; sie erweitern auch unser Wissen über die Kommunikation zwischen verschiedenen Arten und werfen interessante Fragen darüber auf, ob stimmliche emotionale Signale gleichsam universell unterschieden werden können oder diese Kompetenz durch Erfahrung erlernt wird.“
Die Studie „Domestic horses (Equus caballus) discriminate between negative and positive human nonverbal vocalisations“ von Amy Victoria Smith, Leanne Proops, Kate Grounds, Jennifer Wathan, Sophie K Scott und Karen McComb ist in der Zeitschrift ,Scientific Reports’ erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
28.04.2018 - Phänomenal: Pferde können menschliche Emotionen lesen und sich merken
Phänomenal: Pferde können menschliche Emotionen lesen und sich merken 28.04.2018 / News
Wie die Pferde der Testperson begegneten und welche Reaktionen sie zeigten, hing entscheidend davon ab, welches Bild – positiv oder negativ – sie von der Testperson „im Kopf" hatten. / Foto: Dr. Leanne Proops et al. Den Pferden wurden vor der ,realen' Begegnung mit der Testperson Fotos mit einem glücklichen oder einem wütenden Gesichtsausdruck gezeigt – bereits ein kurzer Blick auf das Foto genügte zur nachhaltigen ,Speicherung' des emotionalen Ausdrucks. / Foto: Dr. Leanne Proops et al.
Britische Wissenschaftler konnten erstmals nachweisen, dass Pferde menschliche Emotionen nicht nur lesen, sondern sich auch merken und ihr späteres Verhalten daran anpassen können: Ein kurzer Blick genügt – und Pferde verstehen alles. Die Forscher waren verblüfft!
Für den Menschen sind Gesichtsausdrücke wichtige soziale Signale, und wie wir bestimmte Individuen wahrnehmen, kann durch subtile emotionale Signale beeinflusst werden, die sie uns in vergangenen Begegnungen bewusst oder unbewusst übermittelt haben. Wenn uns jemand in der Vergangenheit mehrfach schlecht gelaunt, zornig oder gar aggressiv gegenübergetreten ist, dann hat dies einen deutlichen Einfluss bei nochmaligen Begegnungen – auch wenn wir bei diesen nicht exakt wissen können, in welchem Zustand uns dieser Mensch bei einer neuerlichen Begegnung entgegentreten wird: Die Erfahrungen der Vergangenheit haben Einfluss auf unser Verhalten in der Zukunft.
Dies gilt freilich nicht nur für den Menschen: Zahlreiche Tierarten sind in der Lage, die Emotionen anderer anhand des Mienenspiels zu unterscheiden [1, 2, 3, 4, 5], und es ist offensichtlich, dass die Erinnerung an emotionale Erfahrungen mit bestimmten Individuen deutliche Vorteile im Hinblick etwa auf soziale Bindungen oder Aggressionsvermeidung haben können, wenn diese Individuen wieder angetroffen werden. Obwohl es Hinweise gibt, dass manche Tierarten in der Lage sind, sich an die Identität von Individuen zu erinnern, die ihnen unmittelbar geschadet haben, ist es bislang nicht bekannt, ob Tiere durch das bloße Beobachten subtiler emotionaler ,Botschaften, die am Gesichtsausdruck ablesbar waren, bleibende Erinnerungen an bestimmte Individuen bilden können.
Um diese Frage zu überprüfen, führten die britischen Wissenschaftler eine Reihe kontrollierter Experimente durch, in denen Hauspferden ein Foto gezeigt wurde, das einen Menschen entweder mit einem wütenden oder einem glücklichen Gesichtsausdruck zeigte; einige Stunden wurde das Pferd schließlich mit dieser Person direkt konfrontiert, wobei diese einen absolut neutralen Gesichtsausdruck zeigte. Schon bei einer kurzen Begegnung mit diesem Menschen zeigten sich deutliche Unterschiede in den Reaktionen auf dieses bestimmte Individuum (jedoch nicht bei anderen Personen), und diese Reaktionen stimmten exakt mit dem zuvor wahrgenommenen negativen Ausdruck (beim Anblick einer ,wütenden’ Person) bzw. mit dem positiven Ausdruck (beim Anblick einer ,glücklichen’ Person) überein. Überdies wusste keine der Testpersonen, welches Foto – das ,wütende’ oder das ,glückliche’ – das Pferd zuvor gesehen hatte, somit konnte auch keine wie immer geartete „unbewusste Beeinflussung“ des Pferdes durch die jeweilige Testperson stattfinden.
Gemessen und analysiert wurden dabei u. a. das exakte Blickverhalten (einseitiges oder beidäugiges Schauen), ob das Pferd Annäherungs-, Rückzugs- oder Vermeidungsverhalten zeigte und ob Stressreaktionen (Herzschlagrate) nachweisbar waren. Besonders aufschlussreich waren die sogenannten ,seitenbezogenen’ Reaktionen der Pferde, die darauf schließen lassen, wie sie ein bestimmtes Geschehen erleben bzw. emotional verarbeiten: Bei vielen Tieren – so auch bei Pferden – werden negative und potentiell bedrohliche Stimuli in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet und daher bevorzugt mit dem linken Auge (Blickschwerpunkt links) wahrgenommen – bei positiven Stimuli ist es genau umgekehrt. Dies spiegelte sich auch bei den durchgeführten Tests deutlich wider – es gab einen signifikanten Unterschied in der bevorzugten Blickrichtung: Jene Pferde, die zuvor eine ,negative’ Fotografie gesehen hatten, blickten anfangs deutlich öfter mit dem linken Auge auf die Testperson (Blickschwerpunkt links) – während die Pferde, denen ein ,positives’ Foto gezeigt worden war, keine derartige Präferenz erkennen ließen. Zusätzlich blickten die Testpferde, die ein negatives Foto gesehen hatte, insgesamt länger mit dem linken Auge auf die Testperson als jene Pferde, die ein positives Bild in Erinnerung hatten.
Für die Wissenschaftler waren die Testergebnisse enorm spannend – und sind ein weiterer Beleg nicht nur für die eindrucksvolle Intelligenz von Pferden, sondern auch von deren phänomenaler sozialer Kompetenz: „Wir haben herausgefunden, dass Pferde nicht nur menschliche Gesichtsausdrücke lesen können, sondern sich auch exakt an den emotionalen Zustand einer Person erinnern können, wenn sie diese später tatsächlich treffen – und vor allem, dass sie ihr Verhalten sofort an diese Erinnerung anpassen", meinte Studienleiterin Prof. Karen McComb gegenüber der Zeitschrift ,Horse&Hound’: Pferde haben gleichsam eine „Erinnerung an Emotionen“ – und es sei ihres Wissens das erste Mal, dass bei einem Säugetier diese erstaunliche Fähigkeit nachgewiesen werden konnte, wie auch ihre Kollegin Dr. Leanne Proops bestätigte: „Es ist in der Tat verblüffend, dass die Pferde dazu in der Lage waren, nachdem sie nur kurz ein Foto der Person mit einem bestimmten emotionalen Ausdruck gesehen hatte – d. h. sie hatten keine starken positiven oder negativen Erfahrungen mit der Person gemacht“, wie sie hinzufügte. Es genügte gleichsam ein kurzer Blick – und die Pferde hatten alles verstanden …
Die Studie „Animals Remember Previous Facial Expressions that Specific Humans Have Exhibited" von Leanne Proops, Kate Grounds, Amy Victoria Smith und Karen McComb ist am 26. April 2018 in der Zeitschrift ,Current Biology' erschienen und kann in englischsprachiger Originalfassung hier nachgelesen werden.
19.02.2020 - Pferde reagieren empfindlich auf negative Emotionen des Menschen
Pferde reagieren empfindlich auf negative Emotionen des Menschen 19.02.2020 / News
Die Testanordnung: Eine Assistentin (A) hält das Pferd, während die Experimentleiterin (E) hinter der Absperrung unterschiedliche Gesichtsausdrücke zeigt – und zwar als Reaktion auf einen Blick hinter den verdeckten Bereich. / Foto: Dr. Ayaka Takimoto-Inose/animals Die Experimentleiterin zeigte jedem der insgesamt 14 Testpferde drei unterschiedliche emotionale Signale: freudig/glücklich, neutral sowie angewidert. / Foto: Dr. Ayaka Takimoto-Inose/animals
Eine Studie aus Japan konnte zeigen, dass Pferde sehr sensibel auf Menschen reagierten, die einen angewiderten Gesichtsausdruck zeigten. Man sollte daher seine negativen Emotionen in Zaum halten, wenn man bei seinem Pferd ist, so der Rat der Wissenschaftler.
Für Tiere mit ausgeprägtem Sozialverhalten ist es wichtig, sensibel für die emotionalen Signale anderer zu sein, da sie wertvolle Informationen des sozialen Zusammenlebens und der Umwelt effizienter verarbeiten und besser darauf reagieren können, wenn sie die emotionalen Zustände anderer Individuen verstehen können. Eine solche ,emotionale Empfindlichkeit’ scheint auch in der Tierkommunikation sowohl zwischen Artgenossen als auch mit artfremden Individuen zu bestehen, insbesondere für Hunde und Pferde, da diese Tiere seit Beginn der Domestizierung mit Menschen kooperieren. Studien haben gezeigt, dass Hunde sehr empfindlich auf menschliche Signale wie Gesten und Gesichts- oder Stimmausdrücke reagieren. Bislang wurde jedoch nur in wenigen Studien untersucht, ob Pferde eine Empfindlichkeit gegenüber menschlichen emotionalen Hinweisen aufweisen, die mit der Empfindlichkeit von Hunden vergleichbar ist.
Eine Gruppe japanischer Wissenschaftler rund um Dr. Ayaka Takimoto-Inose vom Institut für Verhaltensforschung der Hokkaido-Universität in Sapporo hat deshalb untersucht, ob Pferde empfindlich auf menschliche emotionale Signale reagieren und auch ihr Verhalten entsprechend anpassen. Die Auswirkungen menschlicher Emotionen auf Pferde und andere Haustiere seien ein wesentliches Feld wissenschaftlicher Studien, so Dr. Takimoto-Inose. „Haustiere, insbesondere Hunde und Pferde, haben eine enge und kooperative Beziehung zum Menschen aufgebaut, was darauf hindeutet, dass soziale Signale und emotionale Informationen eine wichtige Rolle für das Leben und die Interaktion dieser Tiere mit Menschen spielen", sagte Takimoto-Inose. „Daher ist es wichtig zu untersuchen, wie diese Tiere emotionale Signale wahrnehmen und welche Rolle die Signale spielen."
Dr. Takimoto-Inose und ihre Kollegen verwendeten für ihre Tests insgesamt 14 Pferde, deren Verhaltensweisen sie detailliert beobachteten, wenn ein vor dem Pferd stehender Mensch entweder Freude, Abscheu oder einen neutralen Gesichtsausdruck zeigte, und zwar als Reaktion auf einen Blick hinter einen verdeckten Bereich. Die Forscher hatten dafür bewegliche undurchsichtige Absperrungen errichtet, um den Pferden den Eindruck zu vermitteln, dass etwas dahinter verborgen war, auf das der Mensch reagierte. Der Experimentleiter (E) hinter die Absperrung brachte eine bestimmte Reaktion zum Ausdruck: Er lächelte glücklich und sagte „Wow!“), zeigte einen unbeteiligten, neutralen Ausdruck (also keine emotionale Reaktion) oder machte ein angewidertes, zerknittertes Gesicht mit zusammengekniffenen Augen und gerümpfter Nase und sagte „Uuuuuuh!“).
Die Ergebnisse waren eindeutig und zeigten, dass die emotionalen Signale des Menschen die Reaktionen und Verhaltensweise der Pferde sehr deutlich beeinflussten – und zwar besonders dann, wenn negative Emotionen ausgedrückt wurden. Pferde vermieden es häufiger, dem menschlichen Blick zu folgen, und schauten für einen kürzeren Zeitraum in ihre Richtung, wenn der Experimentleiter einen Ausdruck von Ekel zeigte. „Vielleicht haben sie das versteckte Objekt gemieden, weil der Mensch es ekelhaft fand, oder vielleicht haben sie den Menschen gemieden, weil dieser einen angewiderten Gesichtsausdruck gezeigt hat – wir wissen es nicht“, so Dr. Takimoto-Inose.
Zur Überraschung der Forscher zeigten die Pferde jedoch keine signifikanten Verhaltensunterschiede zwischen dem glücklichen und dem neutralen Ausdruck. Dies könnte daran liegen, dass die Pferde in Gruppen auf der Weide lebten und wenig Zeit mit Menschen verbrachten. „Es ist möglich, dass sie nicht genug Kontakt mit Menschen hatten, um deren Gesichts- und Stimmausdruck mit positiven Emotionen zu verbinden", sagte sie. Negative Emotionen könnten für Pferde aber auch deshalb kritischer sein, da sie auf eine Bedrohung hinweisen könnten, so die Wissenschaftlerin – also auf eine für das Fluchttier Pferd sehr wichtige, weil möglicherweise lebensrettende Information. „Es hat sich auch gezeigt, dass Hunde Schwierigkeiten haben, zwischen neutralen und positiven Gesichtsausdrücken beim Menschen zu unterscheiden. Diese Differenzierung ist für Tiere möglicherweise nicht so einfach wie das Erkennen negativer Emotionen", erklärte Takimoto-Inose.
Der Test mit dem neutralen Ausdruck war laut den Forschern ein wichtiges Merkmal ihrer Studie im Vergleich zu mehreren anderen Untersuchungen über die Reaktionen von Pferden auf menschliche Emotionen. „In anderen Studien haben die Wissenschaftler die Reaktionen der Pferde unter den beiden Bedingungen (positiv und negativ) nicht mit denen im neutralen Zustand verglichen", sagte Takimoto-Inose. „Wir haben die Reaktionen der Pferde unter allen drei Bedingungen getestet. Dadurch konnten wir zeigen, dass Pferde menschlichen Ekel absolut als negative Emotion bewerten können (im Gegensatz dazu, einfach „nicht glücklich“ zu sein). “
Dr. Takimoto-Inose zusammenfassend: „Pferde reagieren empfindlich auf die negativen emotionalen Signale des Menschen. Wir sind daher nicht der Meinung, dass Menschen Pferden in ihrem täglichen Leben unvorsichtigerweise negative Emotionen zeigen sollten, da Pferde durch negative Emotionen des Menschen möglicherweise gestresst werden“, so das Resümee – das man sich zweifellos zu Herzen nehmen sollte.
Die Studie „Are Horses (Equus caballus) Sensitive to Human Emotional Cues?“ von Ayaka Takimoto-Inose, Chihiro Baba und Masahit Kawai ist im August 2019 in der Zeitschrifrt ,animals’ erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
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