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Zahnschmerzen als Ursache für unerwünschtes Pferde-Verhalten bleiben oft unerkannt

07.02.2020 / News

Die Studie zeigt: Pferdebesitzer brauchen mehr Wissen über die Verhaltensanzeichen, die häufig mit Zahnschmerzen verbunden sind.
Die Studie zeigt: Pferdebesitzer brauchen mehr Wissen über die Verhaltensanzeichen, die häufig mit Zahnschmerzen verbunden sind. / Symbolfoto: Archiv

Unerwünschte Verhaltensweisen bei Pferden – etwa Widersetzlichkeit oder ein Ablehnen des Gebisses – können durch Zahnschmerzen verursacht sein, doch viele Besitzer erkennen dies nicht, wie eine Studie zeigt.


Wie verhalten Sie sich, wenn Sie Zahnschmerzen haben? Sie verlieren vermutlich das Interesse an ihrer Umgebung, denken an nichts anderes mehr und werden alles vermeiden, was die Schmerzen verschlimmert. Mit einem Wort: Ihr gesamtes Verhalten wird sich gravierend verändern und sich ab einem bestimmten Zeitpunkt mehr oder weniger ausschließlich um Schmerzen und Schmerzvermeidung drehen. Und nun stellen Sie sich diese einfache Frage: Warum sollte es bei ihrem Pferd anders sein? Pferde haben noch dazu das Handicap, dass sie uns das nicht direkt sagen, sondern lediglich über ihr Verhalten mitteilen können – umso genauer sollten wir also die damit verbundenen Verhaltensweisen verstehen und interpretieren können.

Dies ist auch die zentrale Botschaft einer Untersuchung, die von drei WissenschaftlerInnen der Universität von Helsinki durchgeführt wurde und sich mit Zahnproblemen bei Pferden und den damit verbundenen Verhaltensweisen beschäftigte. Konkret widmete man sich Pferden mit einer sogenannten ,periapikalen Infektion' der Backenzähne – also Wurzelspitzenentzündungen, die normalerweise mit ausgeprägten Schmerzen verbunden sind, die sich auch im Verhalten des Pferdes manifestieren. Das Entfernen des entzündeten Zahns verringert den Ausdruck solcher Verhaltensweisen bzw. führt zu deren vollständigem Verschwinden – und genau dies wollten die Forscher in ihrer Studie verifizieren.

An der Untersuchung nahmen die Besitzer von 47 Pferden teil, die an einer privaten Pferde-Zahnklinik in Finnland behandelt wurden und bei denen aufgrund einer entzündeten Zahnwurzel ein oder auch mehrere Backenzähne entfernt werden musste. Sie füllten einen internetbasierten Fragebogen aus, der insgesamt 23 Fragen zum Verhalten ihrer Pferde vor und nach der Zahn-Extraktion enthielt. Die Fragen waren in drei große thematische Gruppen eingeteilt: Die erste Gruppe bezog sich auf das Essverhalten – darin wurde etwa abgefragt, ob Heu sehr langsam gefressen wurde, ob es beim Heufressen längere Pausen einlegt, den Kopf beim Heufressen herumdreht oder ob es das Trinken von kaltem Wasser vermeidet. Die zweite große Gruppe betraf Fragen zum Gebissverhalten – darin wurde u. a. erhoben, ob sich das Pferd gegen das Einlegen des Gebisses wehrt, ob es dem Gebiss ausweicht bzw. durch das Gebiss läuft, ob es die Zunge heraushängen lässt, sein Maul beim Reiten öffnet, ob der Zügelkontakt rechts oder links unterschiedlich ist oder ob es beim Reiten bzw. Fahren den Kopf schüttelt. Der dritte große Fragenkomplex bezog sich auf das allgemeine Verhalten des Pferdes – etwa ob es zurückgezogen vor sich hinstarrte, ob es sich gegenüber Menschen oder Artgenossen unsozial oder aggressiv verhielt, an seiner Umgebung uninteressiert war, ob es kopfscheu war oder sich selbst am Kopf verletzte usw.   

Die statistische Auswertung der Befragungen ergab ein eindeutiges Bild: Vor der Operation wurde von den Besitzern häufig über Untugenden, Vermeidungsverhalten, Essstörungen etc. berichtet. Das Entfernen des infizierten Zahns verringerte die Anzahl dieser Verhaltensweisen signifikant, was darauf schließen lässt, dass sie eindeutig auf die Zahnschmerzen zurückzuführen waren. Manche Detailergebnisse zeigen dies besonders eindrucksvoll: 21 Pferde schoben vor der OP das Heu beim Fressen im Maul herum – danach waren es nur noch 5. 19 Pferde frassen vor der OP ihr Heu besonders langsam – nach der OP nur noch 3. 24 Pferde wichen vor der OP dem Gebiss aus – nach der OP waren es nur noch 3. 18 Pferde schüttelten beim Reiten bzw. Fahren den Kopf – danach waren es nur noch 3. Und eine zurückgezogene Körperhaltung und intensives Vor-sich-Hinstarren wurde bei 17 Pferden vor der OP festgestellt – nach der OP bei keinem einzigen Pferd. All diese Ergebnisse zeigen deutlich, wie sehr die Zahnschmerzen das Verhalten der Pferde in vielerlei Hinsicht geprägt und überschattet hatten.

Darüber hinaus berichteten einige Besitzer über eine positive Veränderung nach dem Entfernen der Backenzähne bei Pferden, die während des Reitens häufig kopfscheu waren oder buckelten.
„Diese Verhaltensweisen können leicht als Untugenden betrachtet oder auf unzureichende Ausbildung des Pferdes zurückgeführt werden", so die Forscher – tatsächlich aber waren sie Ausdruck von starken Schmerzen, an denen die Pferde litten.

Mundgeruch war das häufigste körperliche Anzeichen, das von den Besitzern gemeldet wurde. Außerdem wurden bei einigen Pferden ein einseitiger Nasenausfluss und eine äußere Schwellung beobachtet, die häufig als äußerliche Anzeichen solcher Infektionen auftreten. „Diese offensichtlichen äußeren Anzeichen sind wahrscheinlich leichter zu erkennen als Verhaltensanzeichen", so die Wissenschaftler weiter, „treten aber normalerweise erst in einem fortgeschrittenen Entzündungsstadium auf. Da sich jedoch die Anzahl der Verhaltensänderungen zwischen Pferden mit und ohne diesen äußeren Anzeichen nicht signifikant unterschied, zeigen Pferde wahrscheinlich Schmerzen, noch bevor diese körperlichen Anzeichen auftreten. Daher ist eine frühzeitige Diagnose bei Wurzelspitzenentzündungen bei Pferden wichtig, um den Pferden langanhaltende Schmerzen und Leiden zu ersparen", so die Forscher.

Beunruhigend war für die Wissenschaftler vor allem die Tatsache, dass die Hälfte der Wurzelspitzenentzündungen während einer routinemäßigen zahnärztlichen Untersuchung diagnostiziert wurde, was darauf hindeutet, dass viele Besitzer nicht wussten, dass bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen ihrer Pferde direkt auf die Zahnschmerzen zurückzuführen sein könnten. Das Resümee der Wissenschaftler: „Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, dass die Trainer Verhaltensweisen erkennen, die möglicherweise mit Zahnschmerzen bei Pferden zusammenhängen – und dass routinemäßige zahnärztliche Untersuchungen für das Wohlbefinden der Pferde unerlässlich sind."

Die Studie „Behavioral signs associated with equine periapical infection in cheek teeth"
von Jaana Pehkonen, Leena Karma und Marja Raekallio ist im Juni 2019 im ,Journal of Equine Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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