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Wieso manche Pferde schlaue Problemlöser sind – und andere nicht
21.02.2020 / News

Ob Pferde pfiffig und kreativ sind, sieht man ihnen meist auf den ersten Blick an – doch was genau macht sie dazu? Das wollten deutsche Wissenschaftler herausfinden ...
Ob Pferde pfiffig und kreativ sind, sieht man ihnen meist auf den ersten Blick an – doch was genau macht sie dazu? Das wollten deutsche Wissenschaftler herausfinden ... / Symbolfoto: Archiv/Fotolia

Im Rahmen einer Studie fanden deutsche Wissenschaftler heraus, dass ein Viertel der getesteten Pferde in der Lage war, eine innovative Lösung für ein Futterproblem zu finden. Doch was machte diese Pferde schlauer als ihre Artgenossen?


Pferde werden heutzutage zwar ständig mit neuen Aufgaben konfrontiert, dennoch wurde die spezifische Fähigkeit zu innovativem Verhalten und zu kreativen Problemlösungen bislang noch nicht wissenschaftlich untersucht, wie die Wissenschaftlerin Laureen Esch und ihre Kollegen vorab feststellten. In ihrer 2019 veröffentlichten Studie wollten die Wissenschaftler daher herausfinden, ob eine Testgruppe von insgesamt 16 Pferden eine innovative Lösung entwickeln konnte, wenn sie mit einem neuen Futterautomaten konfrontiert wurden. In weiterer Folge wurde auch noch analysiert, ob das beobachtete innovative Verhalten möglicherweise durch Faktoren wie Alter, Geschlecht, Größe, Lateralität (also die Seitigkeit eines Pferdes), der Konzentration von Stresshormonen oder sonstige besondere Verhaltensweisen beeinflusst wurde.

Die Pferde waren zuvor noch nie mit dem ungewöhnlichen Futterautomaten konfrontiert worden – er war für sie völlig neu. Das System bestand aus einem hohlen, zylinderförmigen Behälter, in den 3 kg Futter gefüllt wurden und der auf einer drehbaren Stange montiert war. Jedes Mal, wenn das Pferd an der Stange drehte, fiel durch eine kleine Öffnung eine geringe Menge Futter in den Futtertrog darunter. Jedes Pferd hatte 38 Stunden Zeit, um herauszufinden, wie der Futterautomat funktioniert und so an das Futter zu kommen. Die Aufgabe galt als erfüllt, wenn das Pferd den Automaten komplett leeren konnte.

Die Ergebnisse der Tests waren auch für die Forscher zum Teil überraschend: Vier der 16 Pferde – also exakt 25 % – waren in der Lage, das Futter vollständig aus dem Automaten zu bekommen, entpuppten sich also als innovative Problemlöser. Weitere sechs Pferde (37,5 %) konnten den Mechanismus des Futterautomaten zufällig entschlüsseln, verbrauchten jedoch nur eine geringe Menge des Futters. Sie wurden als ,zufällige Problemlöser’ eingestuft.

Die sechs verbleibenden Pferden scheiterten völlig – sie konnten kein Futter aus dem Automaten bekommen und wurden von den Wissenschaftlern als ,Nicht-Problemlöser’ bezeichnet.

Die spannende Frage aber war: Welche Faktoren beeinflussten das jeweils erreichte Ergebnis – was genau entschied darüber, ob ein Pferd ein Problem auf kreative Weise lösen konnte oder an einer Aufgabe kläglich scheiterte?

Die Analyse ergab: Das Alter der Pferde und die Konzentration von Stresshormonen (gemessen im Kot der Pferde am Testtag) hatten keinen Einfluss auf die Fähigkeit zur innovativen Problemlösung und konnten als Faktor ausgeschlossen werden. Das galt auch für die Größe, die ebenfalls keinen signifikanten Einfluss darauf hatte, ob Pferde den Futterautomaten ,knacken’ konnten oder nicht.

Von den 16 Testpferden zeigten 10 eine linksmotorische Lateralität, zwei eine rechtsmotorische Lateralität und vier zeigten keine signifikante Präferenz. Obwohl statistisch gesehen die motorische und sensorische Lateralität keinen signifikanten Einfluss auf die Neigung zu innovativem Verhalten hatte, war es doch interssant, dass alle vier innovativen Problemlöser eine klare linksseitige Präferenz zeigten (also im menschlichen Sinn ,Linkshänder’ waren).

Auch das Geschlecht hatte keinen signifikanten Einfluss: Zwei der erfolgreichen Problemlöser waren männlich und zwei weiblich. Bemerkenswert war dennoch, dass vier der sechs Pferde, die das Problem zufällig lösten, männlichen Geschlechts waren. Diese Tendenz von Wallachen, innovativer zu sein, kann durch Unterschiede im Verhalten und in den Lernfähigkeiten erklärt werden, da männliche Pferde mehr Spielverhalten zeigen und als schneller lernen als Stuten gelten.

Was also war das Geheimnis der kreativen Problemlöser – wodurch zeichneten sie sich besonders aus? Die Wissenschaftler entdeckten zumindest einige spannende Zusammenhänge:

– So zeigte sich, dass innovative Pferde während des Tests aktiver waren. Dies wurde auch durch die Ergebnisse einer früheren Studie gestützt, in der Pferde mit höherer Aktivität bei einer Akquisitionsaufgabe besser abschnitten als Pferde mit niedrigerer Aktivität.

– Ein weiterer Faktor: Die innovativen und zufälligen Problemlöser-Pferde zeigten eine höhere Hartnäckigkeit, um das Problem zu lösen, als Nicht-Problemlöserpferde. Auch dies wird durch frühere Studien bestätigt, die gezeigt haben, dass Tiere, die ihre Umgebung langsamer erkunden, eine höhere Fähigkeit zur Problemlösung hatten, so die Wissenschaftler.

– Die Forscher stellten zudem fest, dass die innovativen und zufällig-problemlösenden Pferde in der Studie erhöhte Grundwerte des Stresshormons Cortisol im Kot aufwiesen, was auf wiederholte Stimulationen in einer vielfältigen und herausfordernden Umgebung zurückzuführen sein dürfte. Mit anderen Worten: Die Lebensgeschichte und die täglichen Erfahrungen des einzelnen Pferdes können auch seine Fähigkeiten zur Problemlösung beeinflussen.

– Dies wäre auch eine mögliche Erklärung dafür, dass drei Viertel der innovativen Problemlöser-Pferde eine linksseitige Präferenz haben: „Frühe Erfahrungen haben möglicherweise die Entwicklung der hemisphärischen Spezialisierung beeinflusst und zu einer emotionalen, rechtshemisphärischen (dh linksmotorischen und sensorischen) kognitiven Verzerrung geführt“, so die Wissenschaftler. Man könne daher zusammenfassend feststellen, „ dass die erhöhten Basiskonzentrationen bei den innovativen und zufälligen Problemlöser (Stresshormon im Kot) und die Präferenz der innovativen Problemlöser für das linke Auge und das linke Vorderbein darauf hindeuten, dass Kreativität bei Pferden mit Emotionalität verbunden ist.“

Interessanterweise nahmen sich die innovativen Pferde mehr Zeit, um sich dem Futterautomaten zu nähern. Dies kann auf ihre höhere Hemmkontrolle zurückzuführen sein – aber auch darauf hindeuten, dass einige Pferde das Problem durch längeres Überlegen und damit durch höhere kognitive Fähigkeiten gelöst haben.

Das Resümee der Wissenschaftler: „Zusammenfassend sind wir der Ansicht, dass innovative Fähigkeiten zur Problemlösung bei Pferden durch inhärente Verhaltensunterschiede und frühere Erfahrungen im Leben des Einzelnen vermittelt werden können. Eine Anreicherung der Umwelt durch verbesserte Haltungsbedingungen kann zum psychischen Wohlbefinden von Pferden beitragen.“

Mit anderen Worten: Pferde werden nicht unbedingt intelligent geboren, sondern entwickeln ihre Fähigkeiten durch vielfältige Umweltreize, die sie stimulieren und herausfordern – und es sollte daher im ureigensten Interesse jedes Pferdehalters liegen, für eine abwechslungsreiche, anregende Umgebung mit möglichst vielen unterschiedlichen Anreizen und Aufgaben zu sorgen. Das hält Pferde nicht nur gesund, sondern auch schlau …

Die Studie „Horses’ (Equus Caballus) Laterality, Stress Hormones, and Task Related Behavior in Innovative Problem-Solving" von Laureen Esch, Caroline Wöhr, Michael Erhard und Konstanze Krüger ist im Mai 2019 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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